Entsetzlich, empörend, ernüchternd, was die Enthüllungsplattform Wikileaks sich da geleistet hat. Eine Viertelmillion brandheißer Dokumenten über allerlei Partyklatsch der Berliner Gesellschaft, erschütternde Berichte über Menschenrechtsverletzungen im Erich-Ollenhauer-Haus, dunkle Geschäfte weltweit bekannter Großkonzerne mit zwielichtigen Geschäftspartnern und intime Geheimnisse über öffentliche bekundete Absichten und intern geäußerte Ansichten hatte Wikileaks-Sprecher Julian Assange versprochen. Doch zwei Wochen nach Start der zuvor als geschichtsverändernd angekündigten Enthüllungsoffensive stehen auch Freunde und Sympathisanten bedingungsloser Transparenz ratlos vor den virtuellen Papierbergen, die Wikileaks zu einer höheren Unordnung sortiert auf mittlerweile mehreren hundert Spiegelservern in aller Welt präsentiert.
Das Problem ist: Die erste High-Tech-Großoffensive leidet darunter, dass sie mit den technischen Mitteln einer mittleren Stadtbibliothek vorgetragen wird. Wikileaks kennt Listen, Stichworte, Ländernamen. Doch es kennt keine Suchfunktion, keine Möglichkeit, zu finden, wovon man nicht weiß, wie es heißen könnte. Verglichen mit Google, einer Maschine, die in einer halben Sekunde mehrere hundert Millionen Internetseiten zu durchsuchen zumindest glaubhaft vorgibt, findet sich ein bestimmter Fakt, ein Name oder eine Organisation in den 250.000 Cablegate-Dokumenten etwa so einfach wie ein gutgekühltes Fläschchen Nordhäuser Doppelkorn bei Hempels unter dem berühmten Sofa.
Das Europäische Centre for Computer Assisted Research Eccar hat nun allerdings Abhilfe geschaffen. Auf Cablesearch.org hat eine Gruppe niederländischer Journalisten eine Spezialsuchmaschine für den größten Haufen an Diplomatengeschwätz eingerichtet, der jemals öffentlich geworden ist. Nach und nach sollen hier alle Cablegate-Dokumente durchsuchbar und damit für jederman auffindbar gemacht werden. Gesucht werden kann bereits jetzt nicht nur nach Inhalten, sondern auch nach Quelle der Depesche, nach der Sicherheitseinstufung oder dem Datum, es gibt eine Alarm-Funktion, die über neueintreffende Enmthüllungen per mail informiert, und eine Hitparade der gerade beliebtesten Schmuddelmeldungen und Röntgenbilder vom unmoralischen Inneren der Doku-Soap-Welt der Märchensendung "Tagesschau". Gehostet wird die Suchseite von einer deutschen Firma, programmiert hat die Suche ein deutscher Softwarespezialist. Julian Assange sollte sich das anschauen und bem nächsten Mal gleich bei Cablesearch fragen, wie man Geheimdokumente verbraucherfreundlich im Netz präsentiert. Den "Spiegel" und den "Guardian" braucht er dann nicht mehr, weil sich jeder seine Enthüllung zusammenklicken kann.