Fotografie ist die schönste Sache der Welt, wenn sie nicht von anderen Leuten abhängig ist. Wer sich auf die Menschenfotografie verlegt hat, ist gnadenlos von Menschen abhängig. Nun gut, das kenne ich seit Jahren. Auch dachte ich, schon so ziemlich alles, was man als Fotograf erleben kann, auf meinem Erfahrungskonto gebucht zu haben. Zugekokste Modelle in den 1970ern, übernächtigte und besoffene Modelle in den 1980ern, haarfarbenveränderte Modelle in den 1990ern, nicht erscheinende Modelle in den 2000ern, geldgierige Modelle in den 2010ern. Oder waren es die 1980er, als den Modellen beim Niesen das Pulver aus allen Knopflöchern staubte und etwa doch die 2000er, als die Location wie ein Schnapslager roch? Egal, eigentlich dachte ich über die Jahre eine gewisse Abgeklärtheit erreicht zu haben. Aber jetzt, ganz aktuell, könnte ich nur noch kotzen. Ein Lagebericht zur Foto-Nation.
Deutschland sucht das Supermodell. Germany is gugging for the next Topf-Model. Dumm wie Brot und Abziehbild … ups, diese Sendung gibt es noch nicht, wäre aber mal ein geiler Titel für ne Model-Soap am seichten TV-Nachmittag. Und weil es gerade so angesagt ist, machen an jeder Ecke irgendwelche Model-Such-und-Find-Seiten im Internet auf, oder haben schon vor längerer Zeit aufgemacht oder sind irgendwie da. Nun greift sich … nennen wir sie Irgendwie und sie steht stellvertretend für eine Heerschar Möchtegern-Modelle … die Tastatur und tippt das ab, was sie auf x-tausend anderen Sättkardds schon gelesen hat. „Jung, begabt, pünktlich, offen, blablabla.“ Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein. Ok. „Ich freue mich, dass Du meine [ich weigere mich den dort sichtbaren Kram anders als Sättkardd zu bezeichnen] gefunden hast. Ich bin nur an Pay interessiert. Bitte gibt Deine Fotoidee, Deine Referenzen, Deine Wunschtermin, Deine Telefonnummer an. Wenn es mir zusagt, melde ich mich bei Dir.“ Ach Schnucki, Dir kann geholfen werden. Aber was soll der Spaß denn kosten? Darüber ist kein Wort zu lesen. Macht nichts, dann bewerbe ich mich mal und frage nach.
Hallo Irgendwie, ich bin, ich kann, ich tue … natürlich ausgefeilt und in mehr als 15 Worten dargestellt … und möchte mit Dir folgendes Shooting umsetzen: Es noch eine kurze Umschreibung des Projektes. Abschließend dann die Frage, welchen Stundensatz sie aufruft. Shooting nur mit Vertrag, klar, und meine Bilder sind meine Bilder. Dafür lege ich auch gutes Geld auf den Tisch des Hauses. Für telefonische Absprachen dann noch meine Telefonnummer und alles scheint gut zu sein. Manchmal kommen Antworten schnell, manchmal dauert es etwas länger. Nicht schlimm, da ich ja auch nicht Vormittags suche, um Nachmittags das Shooting zu machen. Antwort kommt fast immer und der Inhalt dieser Nachrichten ist häufig in jede Richtung erbaulich, wenn man auf Lachnummern steht. Es folgt eine knappe Typisierung.
Der 200-Typ
Die Antwort kommt schnell, der Nachrichteninhalt ist kernig, knackig, zackig und kurz: 200
Mehr nicht, nur die drei Ziffern: zwei, null, null. Kohlköpfe, Gummibärchen, Hosenknöpfe? In der Stunde, am Tag, für eine Woche? Was nun? Inhaltliche Leere. Wer derart kommuniziert, wird sich mit mir niemals in einem Shooting auf einer Wellenlänge bewegen können. Kein weiterer Gesprächsbedarf.
Der ich-weiß-nicht-Typ
Antwort kommt einige Tage später, ist angefüllt mit Komplimenten aber die Preisfrage ist nicht beantwortet. Man schreibt hin, man schreibt her, bekommt auf den entscheidenden Punkt keine Auskunft. „Hach, ich weiß nicht was ich nehmen soll.“ Hoppala, in der Sättkardd stand, dass sie nur an Pay-Aufträgen interessiert ist. Also Telefon, mit der Bitte um klare Ansagen. „Ich nehme immer 300 bis 400 Euro …“ Ok, bei einer derartigen Preisstellung hätte ich auch möglichst lange mit der Preisnennung gezögert. Ich sage jetzt nicht, zu welchem Kurs ich echte Playboy-Mädels bekomme, aber so ganz weit ist das nicht entfernt. Da weiß ich aber was ich bekomme und die Mädels vom Playboy sind echt professionell. Aber das ist gerade nicht dran. Also vielen Dank fürs Gespräch.
Der bin-unterwegs-Typ
Antwort kommt, alles soweit in Ordnung. Nun geht es nur noch um einen Termin. „Lass uns telefonieren.“ Da geht es nicht … jetzt nicht … hier nicht und da nicht, weil Unterwegs, Termin, Arbeit, Freund, Freundin, Disco oder Sonstwas gerade dran ist. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht um den Telefontermin, zur Vereinbarung des Shooting-Termins. Danke, Sättigungsgrad erreicht.
Der lern-erst-fotografieren-Typ
Nun kommen wir zu meiner liebsten Typisierung. „Ich habe Deine Bilder angesehen und glaube, mit etwas Übung bist Du bald auf dem richtigen Weg. Sprich mich bitte …“ In der Regel lese ich dann nicht mehr weiter, da oft Links zu „großen“ Bildbearbeitungshobbyisten zum Besten gegeben werden, die ich mir dann für einen Lachabend mit echten Kollegen aufhebe. Das haben wir tatsächlich schon mal gemacht und festgestellt, dass wir allesamt schon Ausstellungen hatten und mit der Fotografie Geld verdienten, als diese „Musterbeispiele“ noch nicht einmal geboren waren. Jugend ist kein Verdienst und alt wird man von alleine, aber wenigstens sollte man sich einen Namen gemacht haben, wenn man von sich Reden machen möchte. Solche Links immer hilfreich, da sonst niemand von diesen Könnern jemals Kenntnis erlangt hätten.
Der D-Körbchen-Typ
„Alle wollen meine Brüste!“ Alle? Das kann nicht sein, ich will Menschen. Dabei ist mir vollkommen egal, ob A, B, C, D, DD, DDD, DDDDDDDDD … ich verliere mich gerade. Jetzt wäre es auch nicht schlimm, wenn man nach Klärung der Sachlage zum eigentlichen Thema übergehen könnte. Aber nein, alles in der Kommunikation reduziert sich auf Brüste. Ich dachte immer, nur einige Männer wäre auf Brüste fixiert. Das ist gar nicht so! Es gibt Frauen, deren Oberweite zentraler angeordnet ist, als der Nabel der Welt. Das macht mich sprachlos und bevor mir eine Brustfixierung widerfährt, gehe ich einem solchen Shooting lieber aus dem Weg.
Der Bildersammel-Typ
„Ich bekomme alle Bilder unbearbeitet sofort nach dem Shooting ausgehändigt.“ Na prima, das liebe ich. Ganz ehrlich, in meinen Shooting-Anfragen steht immer, dass ich analog fotografiere. Wer das nicht einordnen kann: Fotografie auf Film. Das betone ich stets, weil analog könnte ja auch Käse sein. Irgendwann bringe ich das mal und drücke so einem Mädel einen auf ISO 6400 gepushten Tri-X in die Hand. Schon jetzt freue ich mich auf das Gesicht. Aber was soll das überhaupt? Ich zahle für das Shooting, betreibe Aufwand, gebe meine Arbeitszeit, investiere in Material … und die Arie wurde schon Millionenmal gesungen worden. Zu den Bildersammeltypen ist das jedoch noch nicht durchgedrungen. Bevor ich Aufklärungsunterricht leiste, lasse ich lieber den beginnenden Kontakt einschlafen. Das ist für beide Seiten besser.
Der Sissi-Egon-Typ
Letzter Spezialtyp und stets eine Freude. Hier geht es ganz deutlich und selbstverständlich um die Begleitperson. „Nur Egon darf mich schminken, nur Egon macht mir die Haare, nur Egon weiß was gut für mich ist und nur Egon ist für das Ausrichten des Lichts zuständig.“ Oh, Model und Assistent im Doppelpack! Das ist doch mal ne tolle Sache. Blöd nur, dass auch Egon seine verbrachte Zeit in Euronen umsetzen will. Und was soll das? Licht ist meine Sache und außerdem sage ich klar und deutlich, wo es im Shooting lang geht. Schließlich bin ich der Fotograf, lege die Kohle auf den Tisch, will genau die Bilder haben die ich brauche und der Assi ist mir sowieso zu teuer. Noch Fragen? Egon, mach mir die Sissi, aber nicht wenn ich fotografieren will.
Ende der Typisierungen. Nun soll nicht der Eindruck entstehen, die ganze Welt wäre schlecht. Nein, es gibt auch freundliche, nette, umgängliche Menschen, Männlein und Weiblein, die ganz normal und gut gelaunt kommunizieren können und mit denen nicht nur die Vereinbarung eines Shooting-Termins eine wahre Freude ist. Nur bleibt zurzeit leider wenig Korn, zwischen all der Spreu, übrig. In letzter Zeit habe ich mehr mit den oben genannten Typen zu tun, als mit normalen. Vielleicht sollte ich auf Blümchen umsteigen. Eventuell liegt da aus Zufall noch die eine oder andere Maid im Gebüsch, die sich ohne Komplikationen ablichten lässt. Kräftezehrender kann dieser Weg auch nicht sein und beinhaltet vielleicht sogar mehr Erfolgschancen. Oder was ist hier los? Ist hier überhaupt etwas los? => Kontakt
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