Von einer spannenden Geschichte für Kinder zu einem Leckerbissen für Krimifans: „Der letzte Spargel“ von Alexa Rudolph ist ein Fall für „radikale Feinschmecker“! Während die meisten Spargelliebhaber gerade jetzt in Hochgenüssen schwelgen, endet für Kommissar Poensgens ehemalige Vermieterin der Genuss dieser leckeren Gemüsestangen tödlich.
Zwar lag es nicht am Essen selbst, trotzdem lag die harmlose, brave, alte Dame kurz nach ihrem letzten Mahl leblos im Flur und Kommissar Poensgen, der sich zum Geburtstag ausnahmsweise eine Reise zu seinem Wiener Freund, dem Kriminalschriftsteller Andor Móricz, gönnte, muss seinen Kultur-Kurzurlaub abbrechen, um in wohl vertrauten Räumen Henriette von Schuberts Todesfall aufzuklären.
Bevor Poensgen allerdings im heimischen Freiburg ankommt, werden er und Móricz Zeuge eines weiteren Mordfalls: der Asiate von der Würstelbude wurde von einem Schuss nieder gestreckt. Die Tatwaffe ließ der Täter gleich neben der Leiche zurück, es ist eine Glock 17, die Dienstwaffe der Wiener Polizei.
Doch erstmal zurück nach Freiburg, wo sich Poensgen als gebürtiger Rheinländer immer noch ein bisschen schwer tut, mit der badischen Mentalität. Auch die Spurenlage am Tatort ist kompliziert, da scheint ein Profi am Werk gewesen zu sein.
Poensgen sitzt zwar im Rollstuhl, ermittel aber am liebsten allein. Zerknirscht nimmt er hin, dass ihm Kollege Kramer zur Seite gestellt wird und nutzt jede Möglichkeit, ohne den Ehrgeizling zu ermitteln. Die erste Spur führt zu Romillo Renato Wolf, ein 78-Jähriger Künstler – der letzte Hausfreund Henriette von Schuberts ist ein schillernder, undurchsichtiger Typ und kommt durchaus als Täter in Frage.
Zwischen Weinbergen, Spargelfeldern und jeder Menge Erinnerungen an seine frühere Vermieterin, sucht Poensgen nach potentiellen Tätern und möglichen Motiven, entdeckt dabei ein neues Hobby und kommt nicht nur einmal selbst in Gefahr. Und dann ist da noch die Sache mit Wien…hängen die beiden Fälle irgendwie zusammen?
Alexa Rudolph ist etwas gelungen, was oft genug scheitert: ihr Kommissar Poensgen weicht angenehm vom gewohnten Stereotyp des einsamen Ermittlers ab, ohne korrupt oder verstörend verhaltensauffällig sein zu müssen – ein dramaturgischer Kunstkniff, der mich bei vielen anderen Krimis einfach nur mehr ermüdet.
Im Gegenteil: Poensgen hebt das kulturelle Kriminiveau, ohne deplatziert, zu gewollt oder aufdringlich zu wirken. Allein deshalb ist „Der letzte Spargel“ ein Vergnügen. Der Fall ist spannend, komplex und voller Überraschungen, dabei erfrischend unkompliziert.
Der Showdown ist charakterstark inszeniert und erinnert dank markanter und subtiler Individualität von Kommissar und Täter an Kult-Ermittler wie Brunetti, Martin Beck oder Barnaby.
Nicht unbedingt üblich für einen Regional-Krimi, aber die besten Empfehlungen stehen ja bekanntlich nie auf der Karte
Alexa Rudolph „Der letzte Spargel“, 288 Seiten, broschiert, 11 Euro 90, emons: