Stuttgart: Hochpreiswohnen am Tiefbahnhof

Von Andrejholm

potentielle Bebauungsflächen Stuttgart 21 (Bild: stuttgart.de)

Die Stuttgarter Schlichtungsrunden zwischen den S21-Befürworter/innen und den Gegner/innen scheinen zwar wenig zu einer Schlichtung des Konfliktes beizutragen, bieten dafür aber den einen oder anderen Schlagabtausch der Argumente. Am Freitag kamen die künftigen Bebauungspläne zur Sprache. Die Schlagworte vom „hochwertigen Wohnen“ auf einem „europäischen Stadtgrundriss an der Parkkante“ lassen nicht Gutes vermuten und auch die in der Diskussion gehandelten Grundstückpreise (also noch ohne Bebauung) verweisen auf ein eher hochpreisiges Wohnungsmarktsegment.

Der immobilienwirtschaftliche Aufwertungsdruck ist dabei hausgemacht. Denn die Stadt erwarb die bebaubaren und nicht bebaubaren Grundstücke des Bahnhofsprojektes von der Deutschen Bahn im Jahre 2000 für einen Preis 474 Mio. Euro ohne sich die mindestens 20jährige Übergangszeit bis zur tatsächlichen Verfügbarkeit der Flächen verzinsen zu lassen.

Prof. Jürgen Baumüller, weltweit anerkannter Stadtklimatologe, stellte sein immobilienwirtschaftliches Basiswissen unter Beweis und rechnete die fiktiven Zins- und Zinseszinskosten für diese verdeckte Subvention der Deutschen Bahn aus. Auf mittlerweile 1,5 Mrd Euro seien die Kosten des Grundstückkaufs (berechnet auf der Basis verlorener Zinseinnahmen) angestiegen. Bezogen auf die voraussichtlich 50 ha zu bebauender Fläche wären das also 3.000 Euro/qm. Die lokalpolitische Unterstützung für den Tiefbahnhof wird wohl durch hochpreisige Wohnungen finanziert werden müssen… Heiner Geissler nutzte seine Moderationsfunktion, um zu fragen, ob die Abwicklung von Geschäften die absehbar keine Einnahmen und keinen Nutzen generieren überhaupt erlaubt seien. Geklärt werden konnten diese verwaltungs- und kommunalrechtlichen Fragen in der Schlichtungsrunde leider nicht.

Für alle, die ein wenig Zeit haben und sich von der schwäbischen Mundart der Beteiligten nicht abschrecken lassen, gibt es bei coloRadio aus Dresden einen wirklich informativen Ausschnitt der Freitagssitzung.

Den Versprecher des Tages leistet sich der für das Bauressort zuständige Bürgermeister Hahn, der allen Anwesenden versichern wollte, dass auch die Stadtregierung ein ehrliches  Interesse an

„einer maßlosen Bebauung der Parkkante“

habe. Die Geistesgegenwart des Bügermeister im Zusammenahng des knapp verpassten ‘maßvoll‘ eine Freud’schen  Fehleistung in Spiel zu bringen, spricht für ein erstaunliches Maß an Selbstironie oder eine gehörige Portion Dummheit.

S21-Gegner/innen appellieren an die Sparsamkeit – um Geld für den sozialen Wohnungsbau zu mobilisieren

Am vergangenen Freitag stand unter anderem das Thema der Stadtentwicklung in den widerstreitenden Bahnhofskonzepten auf dem Programm der Schlichtungsrunde. In den präsentierten Vorstellungen, was letztendlich auf dem Bahngelände gebaut werden sollte, unterschieden sich die Parteien nicht wirklich: Funktionsmischung, soziale Mischung, familienfreundliche Wohnungen und ganz viel Bürgerbeteiligung standen auf beiden Seiten auf dem Programm.

Einziges Problem der S21-Immobilien-Verwertungs-Koalition: Die mangelnde Glaubwürdigkeit. Die bereits realisierten Projekte auf dem soganannten A1-Areal sind trotz einer umfangreichen Bürgerbeteiligung weder Funktions- noch Sozialgemischt und auch nicht familienfreundlich. Dazu kommt das leidige Problem mit den Grundstückskosten: Bei Preisen von deutlich über 2.000 Euro/qm werden sich nicht wirklich viele preiswerte Wohnungen errichten lassen.

Von den Freunden des Kopfbahnhofs kam der nette Vorschlag, die Bahn zu dem vertraglich wohl möglichen Rückkauf der vor 10 Jahren erworbenen Flächen zu verpflichten und mit den Einnahmen (Rückkaufsumme plus 5,5 Zinzen p.a.) auf den Bebauungsflächen des Kopf-Bahnhof-Konzeptes mit einer sozial und ökologisch vernünftigen Stadtentwicklung zu beginnen. Klingt toll. wäre billiger und könnte sofort beginnen…