Stuttgart 21: "Merkel schenkt den Spekulanten eine Stadt"
von Thomas Baader
Es gibt Momente, in denen man es sehr bedauert, keinen Fotoapparat dabei zu haben. Gestern war ich mit meiner Frau in Stuttgart unterwegs - für eine gute Sache übrigens.
Auf dem Rückweg zum Bahnhof wurden wir Zeuge einer weniger guten Sache. Eine ältere Dame kam uns entgegen, die ein an einer Holzlatte befestigtes Schild über der Schulter trug. Darauf befand sich der durchgestrichene Schriftzug "Stuttgart 21". Außerdem konnte man noch in großen Buchstaben lesen: "Merkel schenkt den Spekulanten eine Stadt".
Jeder halbwegs Gebildete wird wissen, wie der Text im Original lautet: "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt". Mit diesem Alternativtitel wird jener Propagandafilm der Nazis über Theresienstadt bezeichnet, der den Zuschauern vorgauckeln sollte, die dort gefangenen Juden würdeb ein relativ normales Leben führen.
Zufall? Wohl eher nicht. Denn eine andere bekannte Formulierung mit den Wörtern "schenkt", "Stadt" und mit dieser Satzstruktur gibt es im Deutschen nicht. Der Satz "Merkel schenkt den Spekulanten eine Stadt" verweist so eindeutig und unweigerlich auf "Der Führer schenkte den Juden eine Stadt", wie etwa eine Aussage von der Art "Hartz IV macht frei" eindeutig und unweigerlich auf "Arbeit macht frei" verweisen würde.
Wir müssen also den Stuttgart 21-Gegnern unterstellen, in vollem Bewusstsein zu handeln. Nun ist es eine Sache, dass auf dem Plakattext der Name der Kanzlerin an der Stelle steht, wo vorher der Führer zu finden gewesen ist. Viel schwerer wiegt jedoch, dass an der Stelle, an der in der Vorlage das Wort "Juden" stand, nun auf einmal das Wort "Spekulanten" zu lesen ist.
Au weia.
August Bebel hatte recht: Der Antisemitismus ist de Sozialismus der dummen Kerls.