Mit Stimme des Herzens hat er dann aber dem Studio den bisher einzigen Film beschert, der mit Das Königreich der Katzen in 2002 ein Spin-Off bekommen hat. Hier taucht dann der Baron wieder auf, eine Katzenfigur, die in Stimme des Herzens in der Fantasie der Hauptprotagonistin Shizuku zum Leben erwacht. Es ist ein wenig verwunderlich, dass hier nicht Isao Takahata für die Drehbuchumsetzung herangezogen wurde, da der Film in seinem schulisch-realistischen Umfeld stark an Flüstern des Meeres erinnert. Shizuku ist hier das junge Mädchen, das sich auf der Suche nach sich selbst befindet und hierbei mit allerlei pubertären Problemchen konfrontiert wird. Ihre Eltern erscheinen dabei fast als Freigeister, die dem Mädchen alles durchgehen lassen, sie ihren eigenen Weg finden lassen wollen.
Da ist es kaum verwunderlich dass sie der Spur eines Buches folgt – oder gleich mehrerer Bücher. Denn ganz gleich was sie sich aus der Bibliothek auch ausleiht, immer findet sie denselben Jungennamen auf der Ausleihkarte. Ein Junge, der dieselben Bücher liest wie sie selbst. Viel mehr noch. Ein Junge, der bereits alle Bücher gelesen zu haben scheint, für die sie sich interessiert.
Die sonst für Miyazaki typischen Anspielungen auf die Luftfahrt (sie sind hier in den fantasievoll geschriebenen Geschichten Shizukus zu finden) weichen größtenteils dem musikalischen Schwerpunkt. Ob Whisper of the Heart, so der englische Titel, oder Stimme des Herzens, immer sind es markante Töne in Verbindung mit der Liebe des Herzens. Sehr prominent wird hierbei immer wieder John Denvers Take Me Home, Country Roads verwendet. Der Song wird von Shizuku für den Schulchor ins Japanische übersetzt, er spielt immer wieder im Hintergrund und in abgewandelter Form eine Rolle, wird zum Thema für Shizuku und ihre Obsession, Leidenschaft und Liebe zu diesem mysteriösen Jungen.
Stimme des Herzens fokussiert aber nicht nur diese junge Liebe oder das Erwachsenwerden mit all seinen Schwierigkeiten, sondern setzt gezielt auf die Macht der Kreativität. Sei es der Anfang einer großen Karriere als Geigenbauer oder Shizukus späterer Wille unbedingt eine Geschichte zu schreiben, ein Buch als Erzeugnis und Beweis dafür, dass sie ein Talent in sich verborgen hält. Die Eltern des Mädchens erscheinen dann weniger wie Freigeister, sondern als liebe Menschen, die verborgene Talente fördern und nicht unterdrücken wollen. Frei sein, kreativ sein, hinaus in die Welt ziehen um Erfahrungen zu machen und seinen Weg zu finden, ohne dabei gegen Schranken und auf Barrieren zu prallen.
Mit den zwei Welten, die sich hier entfalten – der Realität, in der Shizuku sich um den Schulalltag, Leistungsdruck, ihr kreatives Ich und die Liebe sorgen muss sowie der Fantasiewelt ihrer Schreibkünste – zeigen sich die beiden Lehrmeister Hayao Miyazaki (eher der phantastische Filmemacher) und Isao Takahata (oftmals der Realität die Treue haltend) in der Arbeit von Yoshifumi Kondõ. Er triezt seine Figuren dazu, sich sowohl in Liebesangelegenheiten als auch in ihrem künstlerischen Verständnis selbst anzuspornen, ihre innere Schweinehund-Lethargie zu überwinden und – so wird es auch im Film vermittelt – aus den rohen Kristallen, die sie alle noch sind, einen schön-glänzenden Edelstein werden zu lassen.
Stimme des Herzens ist selbst recht glanzvoll. Man kann leider nicht sagen, was von Kondõ wohl noch gekommen wäre, aber mit diesem Film durfte er den Beweis erbringen, dass Miyazaki und Takahata wohl ein gutes Gespür für die Nachfolge ihrer Arbeiten haben.
Stimme des Herzens
Regie: Yoshifumi Kondõ, Drehbuch: Hayao Miyazaki
106 Minuten, ohne Altersbeschränkung
im Netz: Stimme des Herzens bei Universum Film
alle Bilder © Universum Film