Studio Ghibli 1993: “Pom Poko”

Pom Poko_200Man muss es Regisseur Isao Takahata lassen. So sehr und lange er sich mit seiner Arbeit für das Studio Ghibli um die eher realitätsgetreuen Geschichten bemühte, während sein Kollege Hayao Miyazaki regelmäßig in seine phantastisch-märchenhaften Welten eintauchte, so abstrus und abgedreht inszenierte Takahata den 1994er Pom Poko. Dann aber: die Idee stammte tatsächlich von Miyazaki (obgleich nach einer Geschichte von Kenji Miyazawa gearbeitet wurde), Takahata übernahm jedoch die Regie. Mehr oder minder also ein Gemeinschaftsprojekt, bei dem die Fantasie Miyazakis mit dem Handwerk Takahatas verknüpft wurde.

Tatsächlich erinnert der Film streckenweise an Richard Adams‘ Unten am Fluss, gilt gar als japanische Variante des 1972 erschienenen britischen Romans. Pom Poko spielt in dem immer weiter anwachsenden Tokio, wo die Marderhunde langsam aber sicher ihren natürlichen Lebensraum einbüßen. Es entstehen Wohnanlagen für die Menschen, Straßen und betonierte Plätze. Nur ein wenig Naturmagie bleibt den Marderhunden übrig, um sich gegen die Urbanisierung zur Wehr zu setzen. So nutzen die Marderhunde ihre naturgegebene Fähigkeit sich in fast alle denkbaren Dinge und Lebewesen zu verwandeln, um so manches Bauvorhaben der Menschen zu sabotieren. Dabei gibt es Marderhunde die eher kindlich verspielt an dieses Vorhaben gehen, aber auch die verbittert kämpfende Fraktion, die nicht davor zurück scheut, den einen oder anderen toten Menschen für ihre Zwecke hinzunehmen. Der Gedanke des Pazifismus gegen die ständige Kriegsbereitschaft findet sich immer wieder in den Filmen des Studio Ghiblis wieder.

Das Gestaltenwandeln der Marderhunde zeigt Takahata in den verrücktesten – manchmal gar gewöhnungsbedürftigsten – Zügen. Mal sehen die Tanuki, wie die Marderhunde in der japanischen Folklore genannt werden, wie reale Tiere aus, dann nehmen sie eine Anthropomorphe Gestalt an, nur um im nächsten Moment wie Cartoonfiguren wie aus einem Manga entsprungen auszusehen – aus dem Manga Shigeru Sugiura, von dem sich Takahata als Fan outete. Aber nicht nur die unterschiedlichen Figurenstile verwirren, auch die immer wiederkehrende Erwähnung der Hoden der Marderhunde, die sie scheinbar ganz besonders gerne dazu einsetzen, große Tücher, Netze oder ähnlich landbedeckende Gegenstände mit ihrer Verwandlungsmagie zu erzeugen. Das muss man dann erstmal den Kindern erklären, für die dieser Film gemacht worden ist.

Aber neben diesen kleinen Ausflügen ins Erklärland – und schon in Tränen der Erinnerung war man ja bereits mit der Periode der Frau konfrontiert worden – ist die sich durchsetzende Großstadt und das hieraus resultierende Problem des schwindenden Bewusstseins für die Natur und Umwelt eine sehr stark in den Fokus gerückte Problematik, die kein Kind, Jugendlicher oder Erwachsener oft genug hören könnte. Vielleicht ist Pom Poko tatsächlich ein wenig mühselig anzusehen, in seinem Herzen ist er aber ebenso liebevoll, wenn auch ein wenig abgedrehter, wie seine Brüder- und Schwesternfilme Ghiblis, die von Natur und Fantasie berichten.

Pom Poko
Regie & Drehbuch: Isao Takahata
Laufzeit: 119 Minuten, freigegeben ab 6 Jahren
im Netz: Pom Poko bei Universum Film
alle Bilder © Universum Film


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