Strategischer Bankrott in Syrien

In der vergangenen Woche trat die Gewalt in Syrien in eine neue Phase ein. Türkische Truppen überschritten die Südgrenze des Landes und attackierten die kurdisch-autonomen Gebiete in der Grenzregion. Der amerikanische Präsident hatte ihnen dafür vorher grünes Licht gegeben. Innerhalb kürzester Zeit brach völliges Chaos aus. Die Geschehnisse in der von Kurden verwalteten Autonomie-Zone "Rojava" in Nordsyrien markieren den völligen strategischen Bankrott des Westens. Wie konnte es dazu kommen?
Ein Blick nach Kurdistan Im Jahr 2014 schrieb ich einen länglichen Artikel darüber, warum ISIS ein Hype ist und aus eigener Kraft nur wenig erreichen kann. Die dahinterstehende Analyse hat immer noch ihre Gültigkeit. Ich möchte besonders auf meinen Absatz über die Kurden verweisen:
Die Kurden ihrerseits könnten die ISIS mit ein wenig logistischer und materieller Unterstützung vor Kobane selbst besiegen, nur bekommen sie diese Unterstützung nicht. Während der Westen gerne jeder x-beliebigen syrischen Miliz massenhaft Waffen zur Verfügung stellt ohne zu wissen, ob sich diese später gegen ihn wenden werden, werden die eigentlich verlässlichen Kurden fast gar nicht unterstützt. Das liegt an zwei Gründen. Zum Einen wollen die USA die territoriale Integrität des Irak erhalten, die mit einer aufgerüsteten Kurden-Miliz nicht mehr möglich wäre (weil dann die irakische Armee endgültig keine Bedrohung mehr darstellt), andererseits aber sind die Kurden und die Vorstellung eines unabhängigen kurdischen Staates, auf den die Kurden unzweifelhaft hinarbeiten, Anathema für die Türkei. Und die Türkei ist ein essenzieller NATO-Verbündeter in Region. Die türkische Antipathie gegen die Kurden geht soweit, dass Ankara effektiv einen Waffenstillstand mit ISIS geschlossen hat, sofern diese nur weiterhin die Kurden attackiert – ein Waffenstillstand, in dem die USA zwangsläufig mitgefangen sind, denn gegen den expliziten Willen der türkischen Regierung kann an ihrer Grenze kein Krieg geführt werden.
Das hier beschriebene Gleichgewicht wurde diese Woche gewaltsam aufgelöst. Nachdem die türkische Armee und Luftwaffe immer wieder sporadisch gegen die kurdische YPG (die Selbstverteidigungstruppe der Kurden) vorgegangen waren, gab Trump dem türkischen Autokraten Erdogan vergangene Woche in einem Telefongespräch Grünes Licht für den Einmarsch in Rojava. Die Region ist technisch gesehen syrisches Territorium, aber bereits seit mittlerweile mehr als fünf Jahren unter Kontrolle der Kurden, die diese selbst verwalten. Wir müssen einen Moment bei dieser Selbstverwaltung bleiben. Denn mit der ist es nun unwiederbringlich vorbei. Warum sollte sie uns interessieren? Schauen wir in diesen Bericht der Financial Times, um zu sehen, was mit dem Ende der kurdischen Autonomiegebiete verloren geht:
The Kurds are so serious about devolving power to the local level that Rojava’s charter requires each of its three regions to have its own flag. And within each region, local elected councils are in charge. They organize garbage collection, adjudicate disputes and manage public health and safety. … Rojava’s charter guarantees freedom of expression and assembly and equality of all religious communities and languages. It mandates direct democracy, term limits and gender equality. Men and women share every position in government. Kurdish women have fought the Islamic State in Syria as soldiers in an all-female militia. In a region where religion and politics are often intertwined, the Kurdish state is secular. Religious leaders cannot serve in politics. Rojava’s charter even affirms the right of all citizens to a healthy environment. Surrounding countries, including Syria, also have constitutions with eloquent endorsements of political and human rights. In Rojava, however, the constitution is actually in effect. Syrian Kurds have realized the dream of the 2010-2011 pro-democracy uprisings across the Arab world.
Die neben Israel einzig stabile Demokratie im Nahen Osten, und die einzige muslimische Demokratie, wird durch ein autokratisch-islamistisches Regime, mit dem wir uns in einer Militärallianz befinden, vernichtet. Das ist eine Tragödie von unermesslichem Ausmaß. Es ist aber auch eine Tragödie mit Ansage.

Der Despot vom Bosporus

Ich glaube nicht, dass es eine sonderlich kontroverse These ist, dass der türkische Präsident Erdogan keine besonders sympathische Person ist. Nicht nur versucht der Autokrat, den säkularen Aufbau der Türkei durch eine Stärkung der Religiösen zu untergraben; er fälscht Wahlen, zensiert die Medien, unterdrückt die Opposition und beschneidet die Bürgerrechte der Bevölkerung.
Man könnte Erdogan als einen weiteren nahöstlichen Despoten abschreiben, wenn die Lage der Türkei ihn nicht auf einzigartige Weise als Scharnier westlicher Außenpolitik positionieren würde. Die Türkei ist das erste (stabile) Land, durch das Flüchtlinge auf der Landroute gen Europa kommen. Die Türkei fungiert seit 1952 als NATO-Außenposten gegen Russland und in neuerer Zeit gegen die muslimischen Brandherde des Mittleren Ostens. Über zwei Jahrzehnte galt sie als der nächste Aspirant auf die EU-Mitgliedschaft.
Letzteres hat sich seit geraumer Zeit erledigt. Man muss zugeben, dass die CDU/CSU den besseren Instinkt darin hatte, ihr den Zutritt zu verwehren. Ein weiteres Land wie Ungarn oder Polen in der Union, nur als (bevölkerungsmäßig) größter Mitgliedsstaat, wäre ein Albtraum gewesen. Die Debatte hat sich für die Türkei, die unter Erdogan einen scharfen Ruck weg von der EU hinlegte, ohnehin erledigt. Das Bindeglied zum Westen bleibt die NATO-Mitgliedschaft, und diese wird schon seit längerem dünner.

Die kurdische Frage

Ein Grund dafür liegt in den oben auszugsweise zitierten divergierenden Interessen der Türkei und ihrer anderen Bündnispartner, vor allem der USA. Besonders deutlich wurde dies am Beispiel Kurdistans. Die Kurden sind die größte ethnische Minderheit im Land; ihre politische Vertretung, die HDP, ist ein Kernstück demokratischer Opposition gegen den Autokraten Erdogan. Er bekämpft sie mit zahlreichen unlauteren Mitteln; glücklicherweise nicht dem durchschlagenden Erfolg, den er sich wünscht.
Doch nicht alle Kurden leben in der Türkei. 2/3 des Volkes verteilen sich auf Nordsyrien, den Nordirak und den nordwestlichen Iran. In jedem dieser Länder werden die Kurden unterdrückt (Saddam Hussein etwa setzte Giftgas gegen ihre Städte und Dörfer ein). Durch den Irakkrieg 2003 und den Syrienkrieg 2011 bekamen die Kurden in diesen Gebieten plötzlich die Chance, im Bündnis mit den USA Autonomiestatus zu erreichen.
Es war ein voller Erfolg: die kurdischen Autonomiegebiete, die sich nach durchschlagenden militärischen Erfolgen der kurdischen Selbstverteidigungstruppe YPG zur Rovaja vereinigen konnten, sind Hochburgen von Demokratie, Menschenrechten und wirtschaftlicher Entwicklung in einer Region, die an all diesem sonst sehr arm ist. Und wäre die Türkei nicht, hätten die USA vermutlich die Eigenstaatlichkeit der Kurden auch eher unterstützt.
Nun gibt es aber die Türkei, und Erdogan hasst - wie jeder türkische Regierungschef seit Gründung des Landes - die Kurden für ihre Autonomiebestrebungen. Und Erdogan ist in der NATO, und damit ein Verbündeter der USA. Washington war daher zu einem beständigen Eiertanz gezwungen. Einerseits waren die Kurden die mit Abstand effektivsten und verlässlichsten Partner in der Region gegen Hussein, den islamistischen Terror und, später, ISIS. Aber man wollte auch den Bündnispartner Türkei nicht völlig verprellen. Es war unvermeidbar, egal unter welchem Präsidenten, dass dieses Kartenhaus irgendwann zusammenbrechen würde.

Desaster mit Ansage

Weniger unvermeidbar war die Art des Zusammenbruchs. In einem Telefonat mit dem Autokraten Erdogan gab der bekennende Autokraten-Fan Trump diesem grünes Licht für einen Einmarsch in Rovaja. Diese unüberlegte Handlung lässt sich eigentlich nur mit Trumps impulsivem Entscheidungsstil und seiner beharrlichen Ignoranz über die Komplexitäten von Außenpolitik erklären.
Doch wozu brauchte Erdogan überhaupt die Genehmigung aus Washington, um im nicht eben amerikafreundlichen Syrien einzufallen?
Die USA haben seit dem Aufstieg des IS um 2014 rund 1000 Soldaten in der Region stationiert, vor allem Special Forces, die den dortigen Rebellengruppen einerseits und der YPG andererseits beim Kampf gegen ISIS zur Seite stehen. Der durchschlagende Erfolg besonders der YPG hat dazu geführt, dass zahlreiche ISIS-Kämpfer gefangengenommen werden konnten. Viele dieser Kämpfer stammten aus Europa; seinerzeit wurde in den Nachrichten viel über diese Freiwilligen berichtet.
Doch sowohl Europa als auch die USA hatten sich bislang geweigert, diese Gefangenen wieder zurückzunehmen. Ein eklatanter Teil des Budgets des nicht eben wohlhabenden Rovaja-Rumpfstaats war daher in die Lager geflossen, in denen diese Kämpfer bewacht wurden. Unter anderem bei dieser Aufgabe unterstützten die Special Forces die YPG.
Jeder Angriff auf Rovaja musste zwangsläufig amerikanische Truppen in die Schusslinie bringen, was sicherlich neben der Fülle an anderen Gegnern ein weiterer Grund für Assad war, den rebellischen Kurden nicht schon früher den Garaus zu machen. Bevor also Erdogan beginnen konnte, Bomben auf die Zivilisten, Krankenhäuser und Schulen Rovajas abzuwerfen, musste er sich versichern, dass die USA ihre Truppen aus der Schusslinie nehmen würden - eine Versicherung, die ihm Trump in einem Blanko-Scheck überreichte, der selbst Kaiser Wilhelm ein scharfes Einatmen abgenötigt hätte. Es war also im wörtlichen Sinne ein Desaster mit Ansage.

Fallout

Offensichtlich fühlte sich Erdogan ziemlich sicher, denn er ließ als Motivationsbeschleuniger eine US-Basis in der Region mit Artillerie beschießen. In einem hektischen Manöver ließ die Trump-Regierung die US-Truppen so schnell wie möglich abziehen, in einer Operation, die die Evakuierung der US-Botschaft in Saigon 1975 wie ein gut geplantes Manöver erscheinen ließ.
Die YPG hatte nie darauf gehofft, dass die amerikanischen Truppen sie gegen die Türken unterstützen würden, doch als sie ob des türkischen Einmarschs darum baten, dass die USA wenigstens die eingekerkerten ISIS-Terroristen übernehmen, damit diese nicht entkamen, lehnten die Xenophoben aus Washington das natürlich ab. Auch die EU tat, was sie am besten tat: Sehr besorgt aussehen und nichts tun.
Es kam, wie es kommen musste. Von ihren Verbündeten verraten und unter Beschuss, sorgte Erdogans Attacke direkt dafür, dass der Großteil der 800 schlimmsten Gefangenen entkommen konnte. In der Region wurden bereits die ersten ISIS-Flaggen gehisst.

Putins Lächeln

Der große Gewinner dieses Debakels ist Wladimir Putin, der wahre Autokrat, an dem sich alle seine Epigonen messen lassen müssen. Seit 2012 unterstützt der Kreml offen Assads Gewaltherrschaft in Syrien. Zwar hat sich das russische Engagement wesentlich auf das Bombardieren der syrischen Rebellen beschränkt, aber die russische Luftwaffe war sich sicherlich nicht zu fein, auch gelegentlich die Kurden mit Bomben made in Russia zu belegen.
Verraten von den USA, ignoriert von der EU und von Erdogan mit Völkermord bedroht, blieb den Kurden nur eine Wahl: Sie wandten sich an Putin als Vermittler, der nur allzugerne ihre vollständige Kapitulation gegenüber Assad in die Wege leitete. Unterstützt von Russlands Luftwaffe, die eine No-Fly-Zone über Rovaja ausrief, marschierte die syrische Armee in die Region ein und brachte damit Erdogans verbrecherisches Abenteuer zu einem ebenso kurzen wie kläglichen Ende, sofern nicht durch einen dummen Fehler irgendeines Kommandeurs im Feld nicht der Konflikt zwischen einem NATO-Mitglied und russischen Truppen eskaliert, was man auch nie ausschließen kann.
Putins Position mit Russlands einzigem Verbündeten außerhalb der GUS ist damit massiv gestärkt. In einem einzigen Streich haben die USA ihre komplette Position in der Region verloren (die türkische Basis Incirlik, in der die USAAF einen Stützpunkt unterhält, ist praktisch wertlos), ihren besten Verbündeten aufgegeben und zusätzlich Streit mit einem NATO-Mitglied. Da dürften die Sektkorken knallen.

Strategischer Bankrott

Erdogan hat damit eine ganze Menge Porzellan zerschlagen. Nicht nur hat er sich gegenüber den USA als Verbündeter von bestenfalls zweifelhaftem Wert erwiesen. Er hat auch die kurdische Demokratie zerstört, zahlreiche Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen begangen und dafür gesorgt, dass der eigentlich längst erledigte IS einen ordentlichen Anschub bekam - und das alles nur aus dem Ur-Hass gegenüber den Kurden. Die ganze Region wurde einmal mehr schlimmer gemacht.
Aber die Türkei selbst steht ebenfalls dumm da. In den vergangenen Jahren hat Erdogan die Waffenbeschaffung der türkischen Armee von amerikanischen Waren weg hin zu russischen Systemen orientiert. Die komplette türkische Luftabwehr besteht aus russischen Systemen, was erst kürzlich Anlass für heftigen Streit in der NATO war. Die Türkei ist damit nicht im gemeinsamen Luftabwehrsystem (die Systeme sind erstens nicht kompatibel und zweitens nicht sicher) und ist damit für die anderen NATO-Staaten ohnehin nicht von einem Drittstaat zu unterscheiden. Nachdem sich die Türkei so und durch ihre aggressiven Handlungen von den anderen NATO-Staaten entfremdet hat, schaffte sie es nun, in Syrien von Putin ausmanövriert zu werden - von dessen Goodwill sie für das Funktionieren ihrer eigenen, für zig Millionen angeschafften Systeme abhängig ist. Erdogan ist nicht gerade ein strategisches Genie, um es kurz zu machen.
Damit befindet er sich in guter Gesellschaft. Während Trump wenig am grundlegenden Dilemma der zwischen kurdischen und türkischen Interessen eingeklemmten US-Außenpolitik kann, war sein Verhalten gegenüber Erdogan mehr als ungeschickt. Zuerst machte er sich zum Spießgesellen des autokratischen Mörders, indem er ihm vor aller Welt den Freibrief zum völkerrechtswidrigen Angriff gab (Profis machen so etwas hinter den Kulissen und verurteilen die Taten dann rhetorisch).
Danach, von allen Seiten (erstmals auch unisono von der eigenen Partei) für diesen gewaltigen strategischen Fehlgriff unter Beschuss geraten, vollzog er eine 180-Grad-Wendung und tat, was er am besten kann: massig heiße Luft produzieren. Er und seine Sykophanten füllten die Kanäle mit markigen Ansagen. Man könne jederzeit die türkische Wirtschaft komplett zerstören, ließ das Weiße Haus verlauten. Eiligst wurden irgendwelche wirkungslosen Sanktionen beschlossen, die bestenfalls in einigen Monaten greifen und bis dahin nur die Hinwendung Erdogans an Putin beschleunigen werden.
Kurz, Trump schaffte es meisterhaft, Erdogan erst alles zu geben was er wollte, ohne eine Gegenleistung zu bekommen, sich dann vorführen zu lassen und dann leere Drohungen auszustoßen, die sofort als solche enttarnt wurden. Ein meisterlicher Verhandler und Deal-Maker, fürwahr. Falls noch einmal jemand einen Beleg dafür braucht, dass man Amateure nicht Außenpolitik machen lassen sollte, hier ist er.
Aber auch die EU hat sich nicht mit Ruhm beklettert. Aus Brüssel ist praktisch überhaupt nichts zu hören, was angesichts dessen, dass sich das alles an unserer Südostflanke abspielt und die nächste Flüchtlingswelle auslösen könnte, nicht unbedingt als ein Zeichen weiser Selbstbeschränkung gewertet werden muss.
Erdogan drohte der EU gar unverhohlen, "die Tore zu öffnen" und Millionen Flüchtlinge auf die Balkanroute zu schicken. Nur falls irgendjemand noch der Überzeugung war, dass man mit irgendeinem dieser Autokraten verhandeln und Kompromisse schließen könnte. Offener hätte der Despot Merkel ihren Flüchtlingsdeal nicht um die Ohren hauen können.

Was nun?

Gute Optionen gibt es, wie in jeder außenpolitischen Krisensituation, nicht. Man kann nur dem Himmel dafür danken, dass es drei Jahre dauerte, bis Trump zum ersten Mal eine Krise zu bewältigen hatte und dass es sich um eine so verhältnismäßig kleine handelte. Nicht auszudenken, wenn wirklich große Einsätze in der Waagschale lägen.
Aber besonders für die EU hat die ganze Geschichte einige unangenehme Lehren parat.
Erstens ist der Aufschwung Russlands als Machtfaktor in der Region ein anhaltender Trend. Putin stellt uns nicht nur in Osteuropa, sondern auch im Nahen Osten vor Herausforderungen und versucht, dort Einfluss zu gewinnen. Während auf weiten Teilen der Linken, der FDP und in der kompletten AfD über eine Verständigung mit dem Kreml-Despoten schwadroniert wird (siehe meinen Artikel hier), schickt dieser sich an, Stückchen für Stückchen Einflusssphären zu gewinnen. Eine Antwort der EU ist nicht auch nur ansatzweise ersichtlich.
Zweitens zeigt sich, dass der anhaltende Trend der USA zur Lösung aus der europäischen und nahöstlichen Politik nicht bloße Rhetorik ist. Die unter Obama begonnene Abwendung hat sich unter Trump massiv beschleunigt. Wo Obama noch mit ruhigem Tonfall aufforderte, Verantwortung für den eigenen Laden zu übernehmen, hat sich das unter Trump in krude Schutzgelderpressung gewandelt.
Drittens lautet die Erkenntnis, dass auf solche Schutzgelderpressung einzugehen von keinem Autokraten, ob Trump im Weißen Haus, Erdogan in seinem abgeschmackten Palast in Ankara oder Putin im Kreml, eine nachhaltige Politik ist. Die Despoten fühlen sich allesamt nicht an ihre Versprechungen gebunden, daran hat sich seit den Tagen des Appeasement nichts geändert, und gegenüber einem zahnlosen Tiger wie der EU haben sie dafür auch noch weniger Anlass als ohnehin. Völkerrecht gilt ihnen nichts, und Ehre haben sie ohnehin keine.
Viertens muss die EU, wenn sie nicht auf Gedeih und Verderb vom Handeln irgendwelcher Westentaschendiktatoren abhängig sein will, endlich die viel beschworene gemeinsame Außenpolitik auf die Füße stellen. Die Bedrohungen sind an allen drei Flanken der EU mittlerweile unübersehbar; man kann gottfroh sein, dass auf der vierten ein Ozean liegt.
Ich bin nicht gerade optimistisch, dass sich aus diesem Debakel irgendetwas Positives ergeben wird. Das Beste, was derzeit aus den USA zu erwarten ist, sind leere Drohung; Gott steh uns bei wenn Trump je auf die Idee kommen sollte, sein eigenes Geschwätz für bare Münze zu nehmen. Die EU ist auf sich allein gestellt, und angesichts der Desintegration im Nordwesten (Stichwort Brexit) und im Osten (Polen, Ungarn) sowie der schlechten Lage in Italien auch gar nicht in der Lage, groß Energien auf die Außenpolitik aufzuwenden. Es sind düstere Zeiten.    

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