Schallende Ohrfeige: Der Discount-Provider Blau marschiert in bisherige Vodafone-Only-Domänen von Rossmann und Edeka ein.
Relativ spät war die Drogerie Tiefstpreiskette Rossmann in das Mobilfunkgeschäft eingestiegen, indem sie die “Trümmer” des gescheiterten Drogerie-Ketten-Händlers Schlecker mit Namen “Smobil” kurzerhand in Rossmann-Mobil umgewandelt und übernommen hatten, dieses im Netz von Vodafone (D2).
Nachdem die Rewe-Group schon lange mit Telekom (D1) zunächst über Drillisch und später über Congstar unterwegs war, zog die Edeka-Gruppe mit “Edeka-Mobil” ebenfalls im Netz von Vodafone (D2) nach.
Liest man einschlägige Foren, soll der Kundenservice bei Edeka-Mobil lange “unterirdisch” gewesen sein. Eigene Erlebnisse in einem Edeka Markt, wo eine Kundin schlicht eine neue SIM-Karte für ihr Handy wollte, belegen, dass es bei Edeka wohl zunächst versäumt wurde, das Verkaufspersonal über das Produkt wenigstens rudimentär aufzuklären.
Das rächt sich jetzt bitter und darf als schallende Ohrfeige für Vodafone gewertet werden: “Blau”, dieser einst aus dem Nichts entstandene Discount-Provider marschiert sowohl bei Rossmann, als auch bei Edeka ein. Als Blau gegründet wurde, gaben viele Branchenkenner dem Unternehmen nicht den Hauch einer Chance, denn Discount war bereits erfunden und im E-Plus-Netz galt einzig “Simyo” als “Everybodys Darling”. Die Blau Leute bekamen immer nur – etwas verzögert – das, was Simyo schon hatte, um ja keinen zu benachteiligen. Doch Blau marschierte in die Discountermärkte auf der grünen Wiese ein, war plötzlich im Kaufland, bei dm-Drogeriemärkten, an Tankstellen und nicht nur den “blauen” und etablierte ein eigenes Rubbelcode-System für seine Karten in enger Zusammenarbeit mit dem Kiosk- und Tankstellenlieferanten “Lekkerland”. Die von einem Freunde-Trio unabhängig gegründete “Blau-Mobilfunk” fand bald Gefallen bei den Netzbetreibern KPN-E-Plus und wurde in deren Gruppe eingekauft, die drei Blau-Gründer stiegen ins Venture-Capital-Geschäft um.
Und Blau entwickelte sich weiter. Als die E-Plus seine neue Haupt-Marke “BASE” schon einmal zur Disposition stellte, marschierte Blau in die E-Plus-Shops ein, ja erste “reine” Blau-Shops wurden gesichtet. Die Idee: Sollte die Marke BASE verloren gehen (BASE Belgien, wo die Marke ursprünglich herkommt, stand schon länger zum Verkauf), hätte man die Shops kurzfristig auf “Blau” umlackieren können, denn “E-Plus” wollte man nicht mehr als “Marke” verwenden.
Es kam ein bischen anders: E-Plus ging an die Telefonica (o2) und da passt die Marke “Blau” gut, denn die Hauptfarbe der o2 ist auch blau, wenn auch etwas dunkler.
Blau macht nicht alles Anders, sondern vieles richtiger und differenziert sich inzwischen vom “Original Simyo”, deren Konturen völlig verschwimmen und die in lauter Panik einen – vielleicht kaum noch genutzten, aber einst wegweisenden Zusatzdienst ihren Kunden binnen 11 Tagen kündigen und abschalten wollen, keine vertrauensbildende Maßnahme für Simyo-Fans.
Nun ist Blau bei Edeka und Rossmann und bringt seine eigene eingespielte Logistik mit, d.h. die Kunden kaufen die Karte im Markt, melden sich bei Blau an und es wird höchstwahrscheinlich funktionieren, möglicherweise reibungloser als bei den “roten” Marken der Lebensmittel und Drogerie Händler bislang.
In Düsseldorf, wo gerade ein Wechsel im Chefsessel von Vodafone Deutschland stattfindet, sollten die Alarmlampen hell leuchten. Nun ist es durchaus eine Prinzipfrage, ob Vodafone sich nicht aus dem Tiefstpreis-Discount Sektor vorsichtig zurückziehen und seine frühere Kernkompetenz “Privat, flexibel, zuverlässig, kundenorientiert” wieder stärken sollte, aber die Freischaltungszahlen werden sich bemerkbar machen. Wieviele bisherige smobil oder Rossmann-Mobile Kunden ihre Rufnummer zu Blau portieren werden, ist abzuwarten, eher kauft die Zielgruppe eine “neue” Karte mit “neuer” Rufnummer und defragmentiert so ihren Bekanntenkreis.
Blau funkte bislang im E-Plus-Netz. Seit der Netzfusion können deren Kunden auch o2 mitbenutzen. Blau-Kunden bekommen echtes Prepaid (wie bei Simyo), können aber auch “Laufzeitverträge” mit “Pseudo-Postpaid” wählen (wie bei Simyo), nur hat Blau diese schwierige Postpaid-Konstrukte nie so aggresiv beworben und fährt ganz gut damit. Blau hat mit Lebensmittelmärkten schon Erfahrung unter der Zweitmarke “nettokom” (Netto ist die Discount-Tochter der Edeka-Gruppe). Die Zweitmarke “Blauworld” war nie 100% zu Original-Blau kompatibel und wird inzwischen von Ortelmobile, der neuen E-Plus-Dachmarke für Ethno-Produkte organisiert.
Gespannt dürfen wir sein, ob Simyo-Kunden demnächst eine e-mail mit dem Schlagwort “Simyo powered by Blau” erhalten werden, und sich ihre Rufnummern und das bislang orangene Logo irgendwann “blau” verfärben werden. Hätte Telefonica die Idee gehabt, Simyo direkt zu Drillisch hinüber zu reichen, hätten wir davon wohl schon gehört. Bei Lichte betrachtet, ist dieser Wechsel eher unwahrscheinlich, da Drillisch bislang keinerlei echten Prepaid-Produkte im Portfolio hat und Simyo trotz einiger Laufzeitverträge nur auf dem E-Plus-Prepaid-System läuft.
In Abwandlung eines uralten Markenkonzeptes: “Die Zukunft strahlt und ist … blau.”(*)
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Fußnote (*)Das Original stammte von Orange UK und hieß “The future is bright – the future is orange” und hatte am Ende keinen Bestand. Orange UK gehört heute über “Everything Everywhere” (Deutsche Telekom + France Telecom) zur British Telecom.)
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