Strafrecht: Als Zeuge lügen lohnt sich nicht!

Strafrecht: Als Zeuge lügen lohnt sich nicht!

© Gerd Altmann / pixelio.de

Eine abendliche Party in einem Mehrfamilienhaus. Laut und feucht ging es zu, und dies nicht zum ersten Mal. Der Mieter in der unter den Partyräumlichkeiten liegenden Wohnung war zum wiederholten Mal nicht besonders amüsiert. Er rief den ebenfalls im Haus wohnenden Vermieter zu Hilfe mit der Bitte, doch für Ruhe zu sorgen. Als dieser versuchte, die alkoholisierten Partygäste zu beruhigen, stellte sich jemand ans Fenster und brüllte übelste Beleidigungen gegen den gestörten Mieter in die Welt hinaus – der daraufhin die Polizei rief.

Als diese kurz darauf erschien, beendete sie die Party – und nahm am nächsten Tag die Anzeige des Mieters auf, der in aller Öffentlichkeit beleidigt worden war. Dieser gab allerdings zu Protokoll, er wisse nicht, wer ihn beleidigt habe, auch andere Anwohner, die die Beleidigungen gehört hatten, könnten zur Identität des Täters nichts sagen; aber der Vermieter sei doch in der Wohnung gewesen, er müsse es wissen. Die Polizei befragte darauf hin den Vermieter, wer denn die Beleidigungen vorgenommen hatte. Dieser tat unwissend: er sei zwar in der Wohnung gewesen und habe die Beleidigungen sehr wohl gehört, aber wer da jetzt beleidigt habe, das wisse er nicht; es sei wohl eine Frau gewesen, schon etwas älter, nur den Namen kenne er nicht, ihr Spitznamen sei allerdings “Susi”. Ansonsten könne er leider nicht weiterhelfen.

Die Ermittlungen der Polizei verliefen aufgrund dieser höchst bemerkenswerten Aussage zunächst im Sande – doch nach einigen Wochen meldete sich ein Zeuge: ja, er wisse, wer die Beleidigerin sei, und durch seine Angaben konnte die Polizei sie nun doch ausfindig machen.  Diese wiederum war sehr überrascht, denn eine Anzeige hätte sie doch erwartet, deswegen habe sie dem Vermieter sofort noch in der Nacht ihre Daten gegeben, um zu signalisieren, dass er dann nicht ohne Unterstützung dastehe, wenn die Polizei ihn befragen würde.

Nun, die Sache könnte jetzt ziemlich dumm für den Vermieter laufen. Ich habe ihn jedenfalls in der Beratung darauf hingewiesen, dass da für ihn durchaus das Risiko besteht, wegen Strafvereitelung gemäss §258 StGB belangt zu werden. Sicherlich, sieht man sich einmal den Strafrahmen der Beleidigung an und die übrigen Voraussetzungen, unter denen diese verfolgt wird, dann war  die Gefahr einer empfindlichen Sanktion für die Beleidigerin von Anfang an relativ gering. Und so könnte man durchaus annehmen, eine solche “Vergesslichkeit” im Rahmen der Zeugenaussage während der Ermittlungen werde schon nicht so schlimm sein – zumal dann, wenn selber der Meinung ist, der Beleidigte solle sich nicht so anstellen, solche Beleidigungen seien doch heute gang und gäbe.

Aber die eigentlichen moralischen Vorstellungen eines Zeugen sind eben das Eine, und die Rechtslage das Andere: auch die §185ff. StGB sind Ausgangsdelikte für das Anschlussdelikt des §258 StGB, und wenn im Nachhinein der Täter des Ausgangsdelikt ermittelt wird und dieser dann frank und frei aufklärt, dass der angehörte Zeuge ziemlich auffällig von nicht nachvollziehbare und deswegen äusserst unglaubwürdiger Vergesslichkeit gepeinigt wird, dann kann das schon mal zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Denn strafbar gemäss §258 StGB ist die absichtliche oder wissentliche Vereitelung der Bestrafung eines Täters oder eines Teilnehmers einer rechtswidrigen Tat, wobei diese Vortat noch nicht einmal vorsätzlich, sondern sogar auch nur fahrlässig begangen worden sein kann. Geschützt wird durch §258 StGB die Strafrechtspflege in ihrer Aufgabe, Strafen zu verhängen und zu vollstrecken. Und weil es bei einer solchen Strafvereitelung um den Schutz eines Rechtsgut geht, das nicht zuletzt die öffentliche Sicherheit und Ordnung betrifft, ist die Strafandrohung durchaus höher als bei einer Beleidigung, nämlich immerhin Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Oder, um es plakativ zu sagen: die Strafrechtspflege schätzt es nicht besonders, wenn nicht sie über die Strafverfolgung oder Strafvollstreckung entscheiden kann, sondern sich ein Anderer anmasst, durch sein Tun (oder Nichttun) darüber zu befinden, ob eine Straftat verfolgt wird – oder ob er aus welchen Gründen auch immer (und halte er sie auch für noch so moralisch gerechtfertigt) eben vereitelt.

Dem Vermieter ist jedenfalls inzwischen ziemlich unwohl in seiner Haut – und ich hoffe für ihn, dass die Strafverfolgungsbehörden beide Augen zumachen und übersehen, wie “vergesslich” er bei seiner Aussage war… ich allerdings kann jedem in einer solchen Situation nur raten, spätestens dann, wenn er als Zeuge angehört wird, lieber bei der (vollen) Wahrheit zu bleiben – und seine eigenen moralischen Wertungen aussen vor zu  lassen.

Photo: www.pixelio.de


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