Stop-Animation-Zombies in ParaNorman

Stop-Animation-Zombies in “ParaNorman”

© Universal Pictures International Germany GmbH / Grandma Babcock, Normans Eltern Sandra & Perry Babcock, Norman und seine große Schwester Courtney Babcock (v.l.n.r.)

Ein finsteres Haus in dem bedrohlich erscheinende Schatten in alle Ecken kriechen. Donner und Blitz lassen die Szenerie erbeben und erhellen phasenweise das unheimliche Dunkel. Eine Frau läuft orientierungslos und kreischend durchs Haus, ein Stöhnen ertönt. Dann tritt der Erzeuger dieser unangenehmen Stimme hervor, sein Gehirn entblößt, an seinem Mund hängen sabbernden Fäden die langsam zu Boden sinken. Die Frau schreit weiter. Der Zombie mit seinem halb zerfallenen Körper bewegt sich langsam auf sie zu. Sie könnte fortlaufen, wirkt aber wie erstarrt, ein Versuch aus dem Haus zu flüchten scheitert an der zugeschlossenen Tür, die sie in ihrer Panik nicht zu öffnen im Stande ist. Das sind die ersten Bilder in Laika Entertainments zweiten Stop-Animation-Film „ParaNorman“, der sich nach dem 2009er „Coraline“ von Regisseur Henry Selick („The Nightmare Before Christmas“) mit großen und hoffnungsvollen Erwartungen konfrontiert sieht. Kein Problem für den kleinen Norman, dessen Haare ihm dauerhaft zu Berge stehen, als stände er immer unter Strom. Wo andere Prequels, Sequels und vermeintliche Blockbuster dieses Sommers sich als Rohrkrepierer präsentierten, überzeugt Sam Fells und Chris Butlers „ParaNorman“ durch seine Geschichte ebenso, wie durch seine humorvoll in Szene gesetzten Figuren und die Detailfülle, durch die der Welt von „ParaNormen“ Leben eingehaucht wird.

Der Film erzählt von dem kleinen Norman, der abends mit seiner Oma vorm Fernseher sitzt und gruselige Zombiestreifen schaut, morgens fröhlich zur Schule spaziert und auf seinem Weg die unterschiedlichsten Stadtbewohner grüßt und sich mit ihnen über die Neuigkeiten des Tages unterhält. Nur sind sowohl seine Oma, als auch der Rest seiner Bekanntschaften bereits tot und er ist der einzige der sie sehen kann. Das wirkt auf sein lebendiges Umfeld natürlich höchst verstörend. Für die meisten ist Norman ein Fall für die Klappsmühle, weshalb er sich in der Schule als missverstandener Außenseiter den Erniedrigungen seiner Mitschüler aussetzen muss. Seine Gabe mit Toten reden zu können erweist sich allerdings als höchst praktisch, als sein Heimatstädtchen einem Fluch erliegt und von Zombies heimgesucht wird. Und urplötzlich wird er zum Helden. Um den Fluch und die Zerstörung der Stadt aufzuhalten, muss er sich nicht nur den Zombies entgegen stellen, die er sonst nur aus dem Fernsehen kennt, sondern auch einer Hexe, die sich an der Menschheit für die Grausamkeiten rächen möchte, die ihr vor langer Zeit angetan wurden.

 

Stop-Animation-Zombies in “ParaNorman”

Grandma & Norman

Über die Liebe, die offenbar in diesem Film steckt, muss man wohl keine Worte mehr verlieren. Jeder Filmemacher der sich an einen Stop-Animation-Film wagt, muss all sein Herzblut in den Film stecken, damit dieser überhaupt eine Kinoleinwand erfüllt. Die vielen kleinen Details die „ParaNorman“ zu bieten hat reichen vom Jugendzimmer des Hauptprotagonisten, gespickt mit zahlreichen Zombiefilm-Postern und Merchandise, bis hin zu einer verträumten Kleinstadt und einen unheimlich finsteren Wald. Die Zombies wurden der Zielgruppe entsprechend mit einer gewissen erheiternden Dummheit ausgestattet, die heutige Real-Zombiefilme vermissen, wo die Untoten immer intelligenter und schneller werden. Der klassische Zombie ist im modernen Realfilm ironischerweise bereits ausgestorben, wird in „ParaNorman“ aber noch einmal reaktiviert. Und da sieht man dann erst, welche Möglichkeiten es immer noch gibt, eine neue Geschichte zu erzählen, die sich nicht mit der kontinuierlichen Jagd der Zombies nach Frischfleisch beschäftigt. Hier ist die treibende Kraft eine böse Hexe, die Jahr um Jahr mit einem Märchen in den Schlaf gewiegt wird. Nur als der verrückt-stinkende Onkel Prenderghast das Zeitliche segnet und diese Aufgabe an Norman weitergibt, wird die Hexe um ihren Schlaf gebracht und ihr Zorn aus vergangenen Tagen entfaltet seine ganze Bandbreite.

Leider wollte zuvor niemand auf Norman hören, obwohl er seine Mitmenschen schon früh versucht vor der drohenden Gefahr zu warnen. Bei einer Theateraufführung verwandelt sich um Norman die Bühne auf einmal in einen Wald, in dem er auf ein kleines Mädchen trifft, welches von sieben Männern zum Tode verurteilt wird. Sie sind auch hinter ihm her. Ein Alptraumszenario, bei dem er in die Fänge von lebendigen Bäumen gerät, die ihn mit ihren Ästen umschlingen und ihn so am davonlaufen hindern. Er kann sich losreißen, läuft los und fällt von der Theaterbühne, wofür er die strafend-unverständlichen Blicke der Zuschauerschaft und Mitschüler erntet. Sie nennen ihn „AbNorman“ und hören dem Jungen einfach nicht zu. Und genau darum soll es in „ParaNorman“ gehen. Niemand hört hier dem Anderen zu, nur der Außenseiter beschäftigt sich mit den Geistern, denen er die nötige Aufmerksamkeit zukommen lässt, damit diese sich nicht gänzlich allein fühlen. Das nicht Normale an Norman ist, dass er den Menschen oder Geistern in seinem Umfeld zuhört, was ihn von all den anderen Bewohnern der Stadt unterscheidet. Seine Eltern haben kein Ohr für ihn, wünschten sich dass er wie ein normales Kind im Garten spielen gehen würde. Seine Mitschüler, mit der Ausnahme des übergewichtigen Neil, der sich sehr darüber freut durch Norman mit seinem toten Hund sprechen zu können, schubsen ihn herum und ächten ihn strafender Blicke. Seine Schwester hängt lieber am Telefon, lästert über ihren kleinen, missratenden Bruder.

 

Stop-Animation-Zombies in “ParaNorman”

Norman & Neil in der Mitte, Schwester Courtney und Neils Bruder Mitch vorne und Schulrüpel Alvin hinten im Auto

Es ist aber auch eine Geschichte über die Schwere des Lebens als Außenseiter, als ein Leben voller Bullies, die für Angst und Schrecken im Alltag sorgen können. „ParaNorman“ zeigt auf der einen Seite Norman, wie er sich insbesondere von Alvin herum schubsen lässt, der mit seiner Anhängerschaft durch die Schulflure zieht und das niedere Volk – eigentlich also nur Norman – voll im Griff hat. Auf der anderen Seite sind dort dann aber auch die Zombies, die zuerst bedrohlich wirken, bis sie auf die Schrotflinten schwingenden Bewohner der Stadt treffen, die sich wie Bullies den Zombies annehmen, die herumgestoßen werden und selbst vor den Menschen flüchten müssen, die wie eine große, gemeine Masse an Rüpeln wirkt, so dass man selbst als Zuschauer irgendwann Mitleid mit den armen, untoten Kreaturen empfindet. Von Beginn an wird hier weder Norman noch das Übernatürliche als wahrlich Böse inszeniert, vielmehr ist es der Spiegel, der den Menschen vorgehalten wird und sie selbst als Zombie-ähnliche Kreaturen darstellt, fern jeden Verständnisses gegenüber nicht in die Masse passenden Menschen. Die Hexe, derer Auftritt zum Ende visuell stark inszeniert wurde, erweist sich nicht minder als Bullie wie die sieben Männer, die sie einst aufgrund ihrer abnormalen Fähigkeiten zum Tode verurteilt haben. Und so ziehen sich zwei Dinge durch „ParaNorman“, denen viele Kinder, wenn nicht auch Erwachsene, erlegen sind. Das Leben als Kind, wenn man niemanden hat, der einen ernst nimmt, wie auch der Ellbogen-Kampf unter Gleichaltrigen, der Survival-of-the-Dumbest, wie Normans Kumpel Neil es im Film nennt. Welch katastrophale Ausmaße ein solches Fehlverhalten hervorrufen kann, dass zeigt uns „ParaNorman“ in übernatürlicher Weise.

Aber das Schönste am Film ist dann doch die einfallsreiche Geschichte, dieser bisher einmalige Umgang mit den Zombies, die Vermischung von Grusel und Spaß, den die Stop-Animationsfiguren hier bieten. In bester Tradition von „Coraline“ und „The Nightmare Before Christmas“, aber auch „James und der Riesenpfirsich“ oder „Die Piraten“ und den „Wallace & Gromit“-Abenteuern erweist sich auch „ParaNorman“ als höchst amüsanter Film, der zugleich auch noch eine wertvolle Nachricht für Jung und Alt bereit hält.

Denis Sasse


Stop-Animation-Zombies in “ParaNorman”

“ParaNorman“

 


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