Stolz in Skopje

Von Alexander Steinfeldt

In Mazedonien ist Homophobie ein tief verwurzeltes Phänomen. Wenn sich dort Menschen zu ihrer Homosexualität bekennen, dann müssen sie mit Gewalt, Hass und Ablehnung aus allen Teilen der Gesellschaft leben. Gerade deswegen ist es diesen Leuten so wichtig, ihre Pride Parade zu organisieren und für ihre Rechte zu kämpfen. Zur Lage in Skopje.

LGBT United Macedonia – die Organisatoren der Pride Parade 2013 in Skopje – hier bei einer Straßenaktion im Stadtzentrum. Quelle: LGBT United Macedonia

Timotej* ist Mazedonier, 24 Jahre alt und studiert in Skopje Rechtswissenschaften. Und er ist schwul. Das macht schon den Unterschied aus – zu seinen Kommilitonen, zu den meisten Leuten in der mazedonischen Hauptstadt und generell in dem Land mitten im Balkan. Mazedonien, seit 21 Jahren unabhängig und seit 2005 offizieller Beitrittskandidat der Europäischen Union, hat noch Probleme bei der Umsetzung der gleichen Rechte von Schwulen und Lesben in seinem Land. Nicht nur in den öffentlichen Institutionen, sondern auch im Alltagsleben, in der Gesellschaft stößt die Homosexuellen-Problematik auf Ablehnung bis Hass.

“Das schwule Leben in Mazedonien ist ein Desaster”, meint Timotej. Homosexuellen in Skopje bleibt kaum eine Möglichkeit, um sich selbst auszudrücken, sich in ihrer Sexualität zu entfalten. Vor einigen Jahren gab es noch einen Gay Club in der Hauptstadt, heute treffen sich die Homosexuellen in kleinen Bars, die sich als “gay-friendly” ausweisen. Das alles ist von offizieller Seite auch so gewollt. Lizenzen werden entzogen, schwule Bars geschlossen.

„Die Sehnsucht nach Wandel ist unvergleichlich groß!“

Auch in den Familien sieht es für die Schwulen und Lesben in Skopje nicht besser aus. “Auch wenn meine Eltern mich in Freiheit und Demokratie erzogen haben, bleibt meine Sexualität ein Tabu.” muss Timotej auch hier von negativen Erfahrungen berichten. Es ist auch vorgekommen, dass Eltern ihre Kinder verstoßen haben. In der Gesellschaft ist ein Weltbild verankert, das Homosexuellen keinen Platz lässt – ein Problem auf dem ganzen Balkan.

Die Kirche, als dominierende moralische Instanz der Region, leitet ihre Abneigung traditionell aus der Bibel ab und beeinflusst somit das Wertefundament der Gläubigen nicht nur in Mazedonien. Patriarchalische Familienstrukturen und die Dominanz der Männer erlauben es meist auch nicht, aus diesen vorgefertigten Mustern auszubrechen. Andere Lebensformen außerhalb der Familie sind daher verpönt und werden als Schwäche ausgelegt. Während der Zeit der sozialistischen Republik Jugoslawiens galt Homosexualität sogar als kapitalistisch und westlich. Nur langsam löst man sich nun aus diesen Fesseln der Gesellschaft.

Vor zwei Jahren fand in der serbischen Hauptstadt Belgrad eine Pride Parade statt. In Deutschland hat man sich an die bunten Straßenumzüge – hier Christopher Street Day genannt – bereits gewöhnt. In Belgrad hingegen machte die Parade Rechtsextreme und Hooligans mobil, um mit Gewalt gegen die Selbstbehauptung dieser Menschen zu reagieren. Auch Vertreter der Kirche und der Politik argumentierten gegen den Lebensstil Homosexueller und gegen die Parade selbst.

Mit Alexander dem Großen fängt es an

Dies macht das Leben in Serbien oder Mazedonien nicht einfacher. Der Drang dieser Menschen, sich für die Rechte einer allein gelassenen Minderheit einzusetzen, ist aber ungebrochen. “Die Sehnsucht nach Wandel und die Hoffnung auf ein besseres Morgen sind unvergleichlich größer” beschreibt ein Sprecher von LGBT United Macedonia die Stimmung unter den Leuten, die im nächsten Jahr die erste offizielle Pride Parade veranstalten wollen.

Doch noch ist nicht klar, ob diese überhaupt stattfinden wird. Gut organisierte und gewaltbereite Fußballhooligans können schnell zur Gefahr werden. Homophoben Beamten liegt es in der Hand, die Parade kurzfristig abzusagen. Rechtskonservative Politiker machen Stimmung gegen die Parade. Sie alle könnten zum Problem werden, wenn die Parade am Hauptplatz gegenüber der Statue von Alexander dem Großen – dem bekanntesten Mazedonier und bisexuell lebenden Menschen – starten soll.

“Bei der Pride Parade in Skopje bin ich auf jeden Fall dabei!” ist Timotej trotzdem Feuer und Flamme für diese Idee. Er ist der Meinung, dass der Beitrittsprozess Mazedoniens zur EU der Schwulenbewegung einen großen Auftrieb verschaffen könnte. Schon jetzt spürt man, dass der Druck, die Parade stattfinden zu lassen, auf die Politiker gewachsen ist. Auch der Sprecher der LGBT United Macedonia hält politisches Lobbying, offizielle Unterstützung von der EU und die Wahrnehmung des Themas in Medien und der Gesellschaft für die besten Mittel, um der tief verwurzelten homophoben Kultur etwas entgegenzusetzen.

* Name von der Redaktion geändert.
Erschienen am 05. Oktober 2012 im move-Magazin unter http://www.move-magazin.eu/stolz-in-skopje