Stillen in der Öffentlichkeit für Anfänger(innen)

Von Tinytraveler

Bauch rein, Brust raus, Spotlight an.

Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, durch das wie wild brüllende Baby ungewollte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen – dann soll ich auch noch vor versammelter Mannschaft meine Brüste hervorholen um das Baby zu stillen?! Nie im Leben!

So zumindest dachte ich beim ersten Kind.

Das erste Kind – ein missglückter Start und die Qualen des Stillens

Bei meinem Sohn habe ich das Stillen abgrundtief gehasst, vom ersten Moment an. Nach der nervenaufreibenden schrecklichen Geburt war ich endlos erschöpft und wollte einfach nur Eines: Ruhe! Stattdessen hatte sich ein merkwürdig dreinblickendes verschrumpeltes und blutverschmiertes Wesen an mir festgesaugt und tat mir dabei auch noch weh. Ich fand es schrecklich.

Auch die Wochen nach der Geburt wurde die Stillbeziehung zwischen mir und meinem Sohn nicht besser. Meine Brustwarzen taten höllisch weh. (Wer hat sich eigentlich dieses schreckliche Wort Brustwarzen ausgedacht?! Jedes Mal schäme ich mich, so etwas zu besitzen.) Aber am schlimmsten fande ich es beim Stillen dumm herumzusitzen und nicht aufstehen zu können, gefesselt an das Kind.

Daher habe ich ihn auch nicht sehr lange gestillt. Schon im Krankenhaus fragte ich in der zweiten Nacht, die ich eigentlich überhaupt nicht mehr dort sein wollte, nach Flaschennahrung für ihn, weil mir meine Brustwarzen so sehr weh taten und ich maßlos eifersüchtig auf meine Zimmernachbarin war, die seelenruhig in ihrem Bett saß und ihrem Baby ein Fläschchen gab. Zuhause habe ich angefangen, meine Milch abzupumpen und ihm die Milch in der Flasche zu geben. Auch das war ein nervenaufreibendes Prozedere, tat aber immerhin nicht weh. So konnte ich es mir auch relativ schnell erlauben, mehrere Stunden ohne Baby zu verbringen, denn mein Freund hatte mit der abgepumpten Milch keinerlei Probleme, unseren Sohn zu ernähren.

Eine Nacht, als mein Sohn etwa 6 Wochen alt war, war besonders schrecklich. Ich hatte kaum noch Milch und habe es tagsüber nicht geschafft, genug Milch für die Nacht abzupumpen. Mein Sohn wachte in der Nacht sehr früh auf und schrie vor Hunger. Ich versuchte ihn anzulegen, hatte sofort wieder höllische Schmerzen. Ich saß also weinend neben meinem schreienden Kind und versuchte panisch, noch etwas Milch abgepumpt zu bekommen und ihn irgendwie zu beruhigen. Beides scheiterte.

Seit der Nacht hatten wir also immer Notfall-Milchpulver im Haus. Und weil es so schön praktisch war, nicht mehr abpumpen zu müssen, versiegte meine Milch nach etwa zwei weiteren Wochen endgültig. Und ich war heilfroh darüber.

Jedes Mal, wenn ich eine stillende Mutter auf dem Spielplatz sitzen sah, hatte ich großes Mitleid mit ihr. Die Arme fühlt sich bestimmt gerade furchtbar.

Heute tut es mir sehr leid, dass ich damals mit dem Stillen mich und meinen Sohn so sehr gequält habe und nicht besser für ihn da sein konnte. Wir zwei hatten wirklich keinen leichten Start miteinander.

Das zweite Kind und das Glück des Stillens

Als ich zum zweiten Mal schwanger wurde, war mir sofort klar: Dieses Baby werde ich definitiv nicht stillen!

Aber wie es nunmal so kommt, verläuft im Leben ja oft Vieles anders als geplant. Nach der Geburt hatte ich meine Tochter auf meiner Brust liegen, als sie anfing nach der Brust zu suchen. Na gut, einmal Stillen zum Kennenlernen, und weil sie ja noch soooo klein ist. Aber danach ist Schluss. Sie zuppelte und wir schliefen gemeisam ein. Das Gleiche dachte ich mir auch beim zweiten, dritten, zehnten Stillen. Bis mir auf einmal auffiehl: Hey, ich mochte plötzlich das Stillen!

Im Gegensatz zum Stillen bei meinem Sohn tat es bei meiner Tochter kein bisschen weh. Wieso, weiß ich bis heute nicht. Ich genoss die Zweisamkeit mit meiner Tochter, wenn sie sich zum Stillen an meinen Bauch kuschelte und von unten zu mir herauf blickte.

Wir wurden ein seeliges Stillteam und nicht eine Sekunde dachte ich daran, ihr statt Muttermilch Flaschennahrung zu geben. Die Milchpumpe stand einsatzbereit in der Küche und wurde doch nur gelegentlich verwendet, um meinem Freund eine Notfallration Milch zu bereiten, wenn ich einen Abend in der Woche zu meinen Chorproben ging. Aber nicht als Stillersatz.

Während ich bei meinem Sohn jedes Mal, wenn wir draußen waren, ein Arsenal an Fläschenzubereitungsutensilien mitgeschleppt hatte, brauchte ich das nun bei meiner Tochter nicht mehr. Trotzdem war mir bei dem Gedanken, in der Öffentlichkeit zu stillen, noch immer etwas mulmig zumute. Denn ich möchte mich ja schon nicht vor aller Welt entblößen. In der Hinsicht bin ich wohl etwas prüde und peinlich berührt.

Stillen in der Öffentlichkeit: Ich habe es geschafft!

Ja, ein Baby zu stillen ist seine natürliche Nahrungsquelle. Trotzdem habe ich mich am Anfang noch schwer damit getan, meiner Tochter auch in der Öffentlichkeit ihren Zugang zu ihrer natürlichen Nahrungsquelle zu ermöglichen.

Die ersten Tage mit meiner Tochter war ich schon alleine wegen meiner körperlichen Verfassung kurz nach der Geburt nicht lange mit ihr draußen. So konnten wir die Zeit zwischen den Mahlzeiten für Spaziergänge nutzen, ohne in der Öffentlichkeit stillen zu müssen. Aber natürlich ist das nach der ersten Erholungsphase vor allem mit großem Geschwisterkind nicht immer möglich und war von mir sowieso nicht gewünscht. Ich möchte nicht an meine Wohnung gefesselt sein, nur weil meine Tochter Hunger bekommen könnte.

Daher habe ich mich nach ein paar Tagen Überlegen getraut. Und – es war überhaupt nicht schlimm!

Mit der Zeit wurde es immer normaler für mich, überall zu stillen, wenn meine Tochter danach verlangt. Ich bin froh über die Freiheit, die mir das gibt. Mittlerweile stille ich überall – im Park, im Restaurant, im Bus, …

Ich habe übrigens noch nie abwertende Kommentare oder böse Blicke dafür geerntet. Ein paar Mal ist es mir passiert, dass sich Leute ein Stück weit von mir weggesetzt haben, als ich zu Stillen begonnen habe. Das habe ich aber weder abwertend oder komisch empfunden. Wenn sie nicht neben mir sitzen wollen, ist das schließlich ihr gutes Recht. Oft sprechen mich allerdings ältere Frauen an und freuen sich, dass ich das Baby so selbstverständlich stille. Schließlich sei es ja das Beste für das Kind.

Das Stillen in der Öffentlichkeit hat mir das Leben vereinfacht. Ich kann nun zeitnah auf die Bedürfnisse meiner Tochter reagieren. Das einzige, was ich zum Stillen brauche, ist eine geeignete Sitzgelegenheit. Ich muss nicht mehr panisch nach Hause rennen oder flaschenweise Milchpulver mit mir herumschleppen, wenn ich mit meiner Tochter unterwegs bin. Da ihr Hunger schnell gestillt werden kann, muss sie auch nie lange weinen. Meistens erkenne ich ihren Hunger schon bevor sie überhaupt weint, irgendwann kennt man ja schließlich auch die Rhythmen und die Zeichen des Kindes. Das macht sie zu einem sehr ausgeglichenen und fröhlichen Kind.

Das gemütlichste Stillen aller Zeiten in einem Hängestuhl während der ITB – danke für die Entspannung!

Tipps für erfolgreiches Stillen in der Öffentlichkeit

Wenn du dich auch noch wie ich am Anfang scheust, in der Öffentlichkeit zu stillen, dann versuche es doch mal mit diesen Tipps und gewöhne dich langsam und Schritt für Schritt an den Gedanken. Du wirst eine große Freiheit wiedererlangen, wenn du die Möglichkeit hast, dein Baby überall zu ernähren, wo du gerade bist.

1. Suche dir eine ruhige Ecke zum Stillen. Geeignet sind z. B. ruhige Ecken in Cafés, abseits gelegene oder sichtgeschützte Bänke in einem Park oder zur Not auch eine Umkleidekabine in einem Kaufhaus.

2. Verschaffe dir Sichtschutz. Arrangiere deinen Partner oder Freundinnen wenn möglich so, dass sie den Blick auf dich und dein Baby für Außenstehende verdecken.

3. Benutze ein Tuch oder einen Schal, um dich und dein Baby etwas zu bedecken. Meine Tochter hat sich darunter allerdings immer unwohl gefühlt oder hat es ganz heruntergerissen, daher habe ich es relativ schnell wieder aufgegeben.

4. Mach dich nicht verrückt. Beim Stillen ist es wie beim Fliegen. Der Start und die Landung sind am Schlimmsten. Beim An- oder Ablegen des Babys kann es in einem ungünstigen Moment  passieren, dass etwas von der Brust hervorguckt. Während des eigentlichen Stillens verdeckt aber der Kopf des Babys die Brust. Damit Jemand etwas sieht, muss derjenige aber schon ziemlich glotzen.

5. Ziehe praktische Oberteile an. Wenn du keine schönen Stilloberteile findest oder dir nicht extra neue Klamotten kaufen möchtest, kannst du dir auch ein Stilloutfit selbst zusammenstellen. Ich ziehe dafür unter ein normales T-Shirt die Bauchbänder aus der Schwangerschaft. So kann ich mein T-Shirt hochziehen, ohne dass dabei mein Bauch herausguckt. Oder ziehe Oberteile an, bei denen du die Brust oben rausstülpen kannst. Das ist allerdings nicht so mein Ding.

6. Kümmere dich nicht um die möglichen Blicke Anderer. Versuche ganz dich und dein Baby wahrzunehmen.

7. Orientiere dich an anderen stillenden Müttern. Zusammen und mit Vorbildern geht es immer einfacher als alleine. Auf Spielplätzen oder in Eltern-Kind-Cafés bist du bestimmt nicht die einzige Stillende vor Ort. Schau dir Sophies #Stillie an, das hat mich sehr motiviert. Bei Instagram findest du Bilder von stillenden Müttern unter dem nicht so ästhetisch klingenden Hashtag #Brelfie (=breastfeeding Selfie).

8. Trau dich! Es wird von Mal zu Mal normaler, du wirst routinierter beim An- und Ablegen des Kindes und auch das Auf- und Zuklipsen des Still-BHs geht schneller von der Hand.

Stillie in the sun – Wie man sieht, sieht man nix!

Wie stehst du zum Stillen in der Öffentlichkeit? Hattest du damit auch Probleme wie ich, oder hattest du überhaupt kein Problem damit? Oder findest du es sogar abstoßend, wenn du stillende Frauen siehst? Ich bin gespannt auf deine Meinung, schreib es mir in die Kommentare.

Christin