Stille und spürbare Revolutionen

Der Mobilfunkmarkt bleibt in Bewegung. Teilweise durch Donnerschläge wie eine Allnet-Sprach- und Daten-Flat für nur 20 Euro/Monat, teilweise auch relativ unbemerkt.

Was darf eine Allnet-Flat kosten? (Quelle: TNS Infratest/Yourfone)

Was darf eine Allnet-Flat kosten? (Quelle: TNS Infratest/Yourfone)

Revolutionen finden oft im Stillen statt. Bei Vodafone ist gerade eine passiert, ein Prepaid-Tarif der eigenen Hausmarke “CallYa” für 9 Cent in alle Netze pro Minute und pro SMS. Mancher wird sich denken, das hätten sie schon viel früher machen sollen, aber die Kostenrechner zählten verzweifelt ihre Kunden, die zu teilweise noch uralten, teuren Gruseltarifen im Netz unterwegs sind und die muß doch nicht mehr als notwendig “erschrecken”…

Das revolutionäre bei D2 ist, daß im neuen “Talk & SMS Tarif” die Datenübertragungen ab Werk abgeschaltet sind! Damit kommt Vodafone den ganzen “ängstlichen Kunden” entgegen, die gar nicht ins Internet wollen, das für “Teufelszeug” und unnötiges Kostengrab halten und um Rat fragen, wie man das wirksam ausschalten könnte. Ist oft gar nicht so einfach bis unmöglich.

Wer mit dem Vodafone-Tarif ins Internet muß oder will, muß ganz ausdrücklich eine Option buchen, dann gibts Internet für einen Tag für 99 Cent und maximal 5 MB Volumen, danach ist offenbar wieder Schluß. Damit kann man eine der wenigen noch verbliebenen echten WAP-Seiten auf seinem Handy aufrufen oder seinem Navi erlauben, die Standort-Daten zu aktualisieren, bei einem Kartenupdate übers Mobilfunknetz wirds mit 5 MB schon verdammt eng.

Wer mehr will, soll bitteschön den “Smartphone Fun” Tarif von Vodafone buchen 10-15 Euro/Monat (je nach Alter des Kunden) für 200 MB und unlimited SMS plus 9 Cent/Minute. Einziger Wermutstropfen: Karte regelmäßig nachladen, sonst wird die Datenoption in dem Moment abgeschaltet, wenn das Restguthaben nicht reicht und man ist u.U. 1-2 Tage nicht richtig online, bis bei Vodafone alle Systeme wieder korrekt hochgefahren sind.

Der Telekom Discounter “Congstar” hat schon länger eine All-Net Flatrate. Sie startete mit 60 Euro, was dem Mutterkonzern schlaflose Nächte bereitete, sank schnell auf 50 und jetzt auf 40 (genau 39,99 Euro) und es sind sogar 200 MB an Daten mit drin. Ohne Aufpreis. Das hätten sich die Congstar Gründer auch gewünscht, sie wurden damals in Bonn barsch abgekanzelt, man wolle sich doch das Geschäft nicht kaputt machen lassen.

Telefonica/o2 versucht mit seinen Blue-Tarifen zu punkten. Sie sollen gut aussehen, aber noch genügend Geld in die Kassen spülen, damit die spanische Mutter wenigstens etwas Licht am Horizont erblickt, denn das Mutterland Spanien braucht dringend Geld.

Trotzdem dieser kleinen Revolutionen war die Mobilfunkwelt weitgehend in Ordnung, bis … na wer schon… E-Plus am gestrigen Dienstag (17.4.) wieder einmal einen neuen Akzent setzte. Eine Flatrate in alle Netze, also Festnetz, Telekom D1, Vodafone D2, E-Plus, o2 und die diversen virtuellen Anbieter (Telogic, Lycamobile etc.) dazu noch 500 MB Daten (danach “gebremst”) und das für locker flockige 20 Euro (genau 19,90) im Monat. Wie bitte? “Neunzehn-Neunzig”, man hörte die Manager aus Bonn oder vom Düsseldorfer Seestern im fernen Hamburg laut vernehmbar aufstöhnen.

GSM-Kunden der ersten Stunde, die noch Minutenpreise von gut 1 Euro/Minute im Kopf haben (Xtra oder CallYa starteten mit 1,99 DM pro Minute, als ziemlich genau 1 Euro) und jetzt gibts das alles für 20 – zwanzig Euro im Monat.

“Yourfone” heißt das neue Produkt, an den Start gebracht und geleitet von Hartmut Herrmann, der bei der Freenet-Gruppe (bekannteste Marke Mobilcom-Debitel), einst den Discounter Klarmobil gründete und später noch die Discounter Callmobile und Freenetmobile dazu erbte und integrierte. Herrmann hat fast sein gesamtes Team mit nach Hamburg Langenhorn in ein schick dekoriertes Industriegelände mitgenommen, wo auf verschiedenen Ebenenen in knapp 3 Monaten eine nagelneue Marke aus der Taufe gehoben und an den Start gebracht wurde. Der Werbungs-”Claim” “Mehr für Dich” wurde unter den Vorschlägen von Facebook Nutzern ausgewählt, Social Media 2.0 spielt eine wichtige Rolle.

Die Mutter E-Plus huldigt wieder dem “divide et impera” Prinzip, eine neue Marke für eine Zielgruppe, am allerliebsten neue Kunden, die bislang noch bei Telekom D1, Vodafone D2 oder o2 telefonieren. Derzeit hat E-Plus 21 Millionen Kunden (genauer SIM-Karten) und Hartmut Herrmann hätte nichts dagegen, wenn es 31 Millionen werden. Sein “Chef” Thorsten Dirks stellt klar: Falls bestehende Kunden verschiedener E-Plus-Marken mit ihrem laufenden Angebot nicht mehr zufrieden sein sollten, können sie gerne zum neuen Yourfone Angebot wechseln, aber: “Es gibt keine Sonderbehandlung!” Also schön Kündigungszeitraum abwarten, Kündigung abschicken und dann passend zum neuen Produkt/Anbieter wechseln. Falls man seine Rufnummer mitnehmen will, dürften beim bisherigen Anbieter die tariflich vereinbarten rund 25 Euro fällig werden, die erstattet einem Yourfone dann als extra Start-Guthaben zurück.

Yourfone gibts nur Online und es ist kein Prepaid-Produkt, sondern ein echter Laufzeitvertrag. Der läuft normalerweise 24 Monate und verlängert sich automatisch um 1 Jahr, wenn man nicht rechtzeitig 3 Monate vorher gekündigt hat. Oder man schließt ihn auf 1 Monat ab, zahlt dann aber 5 Euro im Monat mehr, hat aber die “Freiheit” zu wechseln, wenn irgendwo anders ein besseres Angebot daher kommt oder Yourfone nicht den eigenen Anforderungen entsprechen sollte.

Nun stellen sich die Manager und die Branchenkenner die Frage, ob Yourfone wie ein Magnet 1000e oder 100.000e oder gar Millionen bislang von ihrem jetzigen Anbieter frustrierter Mobilfunkkunden anziehen könnte?

Die Antwort ist nicht so ganz einfach. Sortieren wir einfach mal die Fakten.

Yourfone ist ein Laufzeitvertrag. Die sensationell günstigen 20 Euro (im Idealfall) im Monat sind zu bezahlen, ob man die Karte nutzt oder nicht. Somit macht Yourfone insbesondere dann Sinn, wenn man sich auf eine Karte konzentrieren und nicht mehr Geld aus unbedingt notwendig ausgeben will. Wenn man überwiegend mit Smartphone Nutzern kommuniziert, kann man vielleicht weitgehend auf SMS-Nachrichten verzichten, die bei Yourfone “ab Werk” absolut faire 9 Cent kosten. Ab 56 SMS im Monat lohnt sich für 5 Euro Aufpreis eine echte SMS-Flatrate in alle Netze oder man behilft sich mit Alternativen wie “whatsapp”, die Zahl der erreichbaren Mobilfunkkunden steigt stündlich.

Reichen die im Yourfone Paket enthaltenen 500 MB ungebremstes Datenvolumen pro Monat nicht aus, könnte man ein Datenupgrade für weitere 5 Euro buchen, aber aufpassen: Gebuchte Optionen bleiben für die Vertragslaufzeit fest gebucht, das können 24 Monate sein!

Wem das zu unsicher ist, der muß weitere 5 Euro im Monat einkalkulieren, um monatlich kündigen zu können. Macht also 24,95 für den Monats-Vertrag mit Sprache und Daten, 5 Euro 1 GB und vielleicht noch 5 Euro für die SMS-Flat sind wir also bei 34,95 Euro. Immer noch ein Hammerpreis.

Kundenservice kostet extra, der Anruf zur Hotline über eine netzinterne Kurzwahl (11413) oder eine 0900 Rufnummer schlägt mit 99 Cent pro Anruf (Dauer beliebig) zu Buche. Man wird den Kundenservice dann eher per e-mail kontaktieren, falls erforderlich. Da das Produkt “einfach” gehalten ist, sollte das hoffentlich nicht oft vorkommen.

Cooler Preis, aber…

Viele Fans da draußen finden den Tarif cool, zucken aber beim Netz “E-Plus” sofort zusammen. Wird E-Plus den möglichen Kundenansturm verkraften? Werde ich überall da, wo ich unterwegs bin “Netz” haben oder werden meine Daten stecken bleiben?

Ich habe gestern mit einem halbwegs aktuellen HTC Desire S und einer Simyo-Karte auf der Reise nach und von Hamburg ausgiebig im E-Plus Netz gesurft. Mein subjektiver Eindruck: Datenübertragungen brauchen bei E-Plus einfach ihre Zeit und können auch einmal stecken bleiben, selbst bei vollem Netzpegel. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Das Netz selbst geht öfter und weiter als man denkt, auch unterwegs im Zug! Yourfone Chef Hartmut Herrmann immer wieder an seine markige Kritik am E-Plus-Netz auf teltarif.de erinnert, räumt ein, “das Netz ist inzwischen besser als ich je gedacht hätte” und Thorsten Dirks bestätigt, daß der Netzausbau bei E-Plus weiter auf vollen Touren läuft und langsam spürbar wird. Womit er zweifelsohne Recht hat, wenn immer öfters nicht nur “3G” sondern sogar “H” (für HSPA) im Display auftaucht.

Was tun? Ein paar praktische Tipps und Entscheidungshilfen.

Wenn Sie noch nie im E-Plus-Netz unterwegs waren, tun Sie folgendes: Bestellen Sie eine SIM-Karte entweder bei SIMYO (für 4,90 Euro inkl. 5 Euro Startguthaben) oder bei Blau (für 10 Euro inklusive 10 Euro Startguthaben) und probieren Sie es in aller Ruhe aus.

Wie stark werden Sie die Karte nutzen? Simyo und Blau bieten ein Tarif-Komplettpaket für 16,90 Euro im Monat an, das 200 Minuten, 200 SMS und 500 MB an Daten enthält. Wenn Sie dauerhaft unter 200 Minuten / SMS bleiben sollten, sparen Sie gegenüber Yourfone rund 3 Euro im Monat und Sie können jederzeit die Option abbestellen (sie läuft dann bis zum Gültigkeitszeitraum und schaltet sich ab) oder auf eine kleinere Option 100 (100 Minuten 100 SMS 200 MB Daten) für nur 9,90 Euro im Monat downgraden.

Haben Sie ein Smartphone und telefonieren eigentlich kaum, könnte die kleinste Internetflat mit 100 MB an Daten zu 4,90 Euro im Monat schon reichen.

Sind Sie hingegen ein Power-User und telefonieren, simsen und surfen, was das Zeug hält, würden Simyo und Blau bei frühestens 39 Euro/Monat eine Art “Flat” wirken lassen (Kostenstopp/Kostenschutz), da ist Yourfone eindeutig viel viel günstiger.

Und schließlich: Ist die Netzversorgung von E-Plus bei Ihnen ausreichend oder sogar besser als Ihr bisheriges Favoriten Netz? (Ja: Auch das gibt es!)

Wenn Sie so nach diesen – sagen wir 1-2 Monaten – Tests ein gutes Bauchgefühl haben, dann bestellen Sie bei Yourfone. Eine “schöne” VIP-Rufnummer gibts für einmalig 20 Euro dazu oder Sie bringen Ihre bewährte und bekannte alte Rufnummer mit. Die 25 Euro, die der alte Anbieter üblicherweise nimmt, bekommen Sie als Gutschrift auf die künftige yourfone Rechnung.

Wer technisch interessiert ist: Yourfone läuft auf der Postpaid-Plattform von E-Plus, d.h. Anrufumleitungen können Sie nach Lust und Laune ein und ausschalten (z.B. zur Mailbox) und “Anklopfen” oder “Makeln” oder “Konferenzen” sind auch kein Fremdwort. Das kann die Prepaid-Plattform von Blau oder Simyo nämlich derzeit gar nicht. Da das Original-EPlus-Fre&Easy-Prepaid-System zwar etwas angejahrt ist aber noch bestens läuft, dürfte dort ein “Update” so schnell auch nicht zu erwarten sein.

Stellen Sie am Ende der 1-2 Test-Monate fest, daß das E-Plus-Netz Ihre Anforderungen oder Erwartungen nicht erfüllt, dann ist für Sie nicht viel Schaden enstanden. Sie können die Discounter-Karte leer telefonieren, sms-en oder surfen und legen Sie in die Schublade (Vorher auf die Mailbox eine “Abwesenheitsansage” mit neuer Rufnummer aufsprechen!) und spätestens 2 Monate und 2 Wochen nach dem unter 1155 Menü 1 angesagten Ablauftermin ist die Karte “aus” und alles erledigt.

Oder Sie besorgen sich ein Mobil-Telefon für 2 SIM-Karten (“Dual-SIM”) und können die grusligen Tarifkomponenten Ihres bisherigen Anbieters durch gezielte Nutzung der E-Plus-Discounter-Karte lächelnd umgehen.

Oder einfach warten?

Wann beispielsweise D1 oder D2 eine Alle-Netze-Flatrate für 20 Euro anbieten werden? Man soll nie nie sagen, aber das kann doch noch eine ganze Weile dauern. Bis dahin könnte E-Plus schon einen neuen Knüller gezündet haben.

Und er kommt bestimmt.

Tags: All-Net-Flat, Blau, Congstar, divide et impera, E-Plus, E-Plus-Netz, Hartmut Herrmann, Netzqualität, Simyo, Thorsten Dirks, Yourfone


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