“Was ist eigentlich Dein Problem mit Weihnachten?” fragte mich der Mann vor ein paar Tagen.
Ich war gerade dabei, nach Bildern von besonders hässlichen Weihnachtsbäumen im Netz zu suchen, um sie bei Facebook und Twitter als meinen auszugeben und zu gucken, wieviele Leute diese hässlichen Bäume trotzdem toll finden – und danach für mich selber über deren Gründe für ebenjene Tatsache zu philosophieren – Sehschwäche oder Mitleid?!
Eine gute Frage – also die des Mannes. Die andere auch. Egal.
Schauen wir zurück – ich werde meine persönliche Weihnachtsgeschichte mit Euch teilen.
Bis ich etwa 11 Jahre alt war, feierten wir (meine Eltern und ich) ganz normal zu Hause Weihnachten. Baum schmücken, ohne Lametta weil Umwelt, nicht das Wohnzimmer betreten dürfen bis das Glöckchen klingelte, Geschenke, zu essen gab es immer Ragout Fin in Blätterteigpasteten.
Dann wurde mein Onkel krank und starb, im darauf folgenden Jahr meine Tante, beide Geschwister meiner Mutter, beide lebten in Kiel, wir in Bonn, fortan wurde jedes Jahr zur Familie nach Kiel zum feiern gefahren. Ich habe ziemlich viele Cousins und Cousinen, die zu einem Großteil auch immer mitfeierten.
Großes Haus, voll mit Kindern, Stimmung awesome. Es gab Mockturtle mit kleinen Brötchen und Blätterteigmonden, und an den folgenden Tagen “Puti” – ein Riesenvogel.
Mein Großvater las eine Weihnachtsgeschichte auf platt vor, bei der es um irgendein Schaukelpferd ging. Geschenke gab’s damals von ihm schon nur noch, wenn man sich konkret etwas wünschte – fühlte sich eher wie eine Bestellung an, denn wer sich nichts wünschte, bekam auch nichts.
Ich kann mich nicht mehr wirklich an weitere Weihnachtsfeste erinnern. Mit 14, 15, 16… keine Ahnung, wir waren vermutlich in Kiel, aber Weihnachten wurde für mich und mein Leben völlig irrelevant.
Man könnte nun nach Gründen suchen, die das von außen beeinflusst haben, die Scheidung meiner Eltern, weitere Todesfälle in der Familie, eine Art Entwurzelung, weil ich mich 16 aufs Internat ging – aber ehrlich gesagt glaube ich, dass ich einfach nie wirklich ein Weihnachtsmensch war.
Ich habe irgendwann beschlossen, nicht mehr zu feiern. Als introvertierter Mensch habe ich es da sogar relativ leicht. Irgendwann, als ich Mitte 20 war, fand meine Mutter das plötzlich ganz besorglich, und sagte, ich solle doch bei einer Freundin mitfeiern, die mich eingeladen hatte.
Ich dachte mir, was kann’s schaden – und es hat nicht geschadet, aber so wirklich toll war’s auch nicht. Ein Haufen gestrandeter, die eine völlig im Weihnachtswahn, die andere desinteressiert, eine weitere hin und her gerissen dazwischen. Und um 19 Uhr war das ganze dann auch schon wieder gelaufen, weil einer der Gäste wieder zurück in den Psychoknast musste. Yeah.
Um dieses Fest rankt sich einfach zu viel Bullshit.
Wünsche an eine Phantasiefigur richten – ob nun Weihnachtsmann oder Gott – macht für mich keinen Sinn. Bäume aus dem Wald rausnehmen und sie in komischen Ständern ins Wohnzimmer stellen, wo sie langsam vor sich hin vertrocknen, mit Lichtern und Glitzerkram drangehängt, auch nicht.
Sich den totalen Stress mit Geschenken für andere machen, und am Ende nur noch in der Lage sein, dummsabbrig irgendwas von “Besinnlichkeit” zu faseln. Kein Wunder, dass man Weihnachten als ruhig und besinnlich empfindet, wenn man sich überlegt, wie kontrastreich stressig die Wochen davor waren.
Für mich wirkt diese Art, Weihnachten zu feiern, ein wenig wie die Art, an den Wochenenden die Sau rauszulassen. Wenn man auf St. Pauli wohnt, fällt einem das besonders auf. Es gibt eben diese zwei Abende (für manche ist es ggf. auch nur ein Abend) in der Woche, in denen man konzentriert den Stress der Woche ablassen muss. Mit Komasaufen und diversen anderen Ausfällen. Wie das so läuft, beschreibt Viktor Hacker übrigens allzu herrlich in seinen Berichten mit dem Titel “Schöner Türstehen“.
Was das jetzt mit Weihnachten zu tun hat?
Wir sind so gestresst, das ganze Jahr. Weihnachten (und vielleicht bei einigen noch Ostern) sind die einzigen Tage im Jahr, an denen man quasi umgekehrt die Sau rauslassen kann. Da wird besinnlich existiert, da wird dekoriert, da wird beschenkt, bedacht, entschleunigt. Alles komprimiert in 3 Tagen. Da muss alles reinpassen.
All die Besinnlichkeit wird gnadenlos in diese Weihnachtsfeiertage gequetscht.
Wochen vorher werden bereits Weihnachtsbäume in den sozialen Netzwerken gepostet. Scheiss drauf, dass der Baum unscharf ist oder unterbelichtet. Es wird gnadenlos geliked, gefavt, geherzt und bewundert was das Zeug hält.
An Heiligabend wird dann nochmals der Baum gepostet, dann das Essen, dann der Schnaps.
Wie der genaue Ablauf sich von außen gesehen so darstellt, habe ich letztes Jahr in meinem Artikel “Weihnachten alleine“ beschrieben.
Zusammengefasst: Es wird nicht besser.
Und das ist so ein bisschen mein Problem mit Weihnachten. Die Penetranz, mit der mir dieses Fest aufgezwungen wird.
Ich bekomme von Menschen, die mich noch nicht so gut kennen, dann auch Nachrichten mit den Worten “Jaja, ich weiß, Du feierst nicht, trotzdem frohe Weihnachten!” und ich muss all meine Besinnlichkeit zusammensammeln, um demjenigen nicht virtuell fett eins in die Fresse zu hauen. Das läuft für mich unter dem gleichen Punkt wie Leute, die sagen “Ach komm, Du willst es doch auch!”
Meine Mutter, die sich seit Jahren mit ihrem Mann, dem Macbook, einer Mamma-Mia-DVD und einigen Kisten Rotwein in den Harz verzieht (so schlau!), überweist mir Geld mit dem Verwendungszweck: “Weihnachten
Mein Harz sollte vielleicht das konsequente Meiden aller sozialen Netzwerke sein. Guter Plan, um das nächstes Jahr mal zu versuchen. Internet-Fasten oder so.
Aber da kommen wir zu einem weiteren Punkt, der mir schon seit etwa 15 Jahren quer im Magen liegt: Der Austausch von Geld. Geld in Form von Spielekonsolen, die ja zum Glück beim Elektro-Megastore des Vertrauens über die Hausbank über die nächsten 24 Monate finanziert werden können, oder anderem Plastikschrott. Und wer nicht mithalten kann, fühlt sich schlecht.
Ich weiß das, weil ich das in meinen frühen Zwanzigern ein paar Mal versucht habe. Letztlich fand ich eine Liste mit Geschenken, die ich einigen Freundinnen zu Weihnachten machen wollte. Ich denke, der Wert aller Sachen auf dieser Liste betrug etwa 100 bis 150 Euro. Ich hatte zu der Zeit nach Miete und festen Kosten etwa 300 Euro zum Leben übrig im Monat.
Und je mehr ich mich dem Wettbewerb auf allen Ebenen meines Lebens entziehe, desto wichtiger ist es mir, auch in Bezug auf Geschenke einfach nicht mehr mitzuspielen.
“Aber man kann doch nicht mit leeren Händen…” Doch, kann man. Erst recht, wenn man nicht weiß, wie man nächsten Monat seine Krankenkasse bezahlen soll.
Wer sich aber nun immer noch dafür interessiert, wie wir Weihnachten verbringen: Genauso wie die letzten Tage. Heute sind wir etwas genervt, weil wir bis 14 Uhr einkaufen müssen. Deswegen bin ich auch schon wach. Dann gibts gegen 16 Uhr nen Snack, gegen 22 Uhr Abendessen (was? Kein Plan.) und noch ein paar Folgen How I met your mother.
Dazwischen daddeln wir so vor uns hin, schauen gemeinsam TED-Talks, unterhalten uns über Dinge, die uns wichtig sind, vielleicht sogar in der Badewanne. Vielleicht arbeiten wir auch ein wenig. Ich an meiner neuen Agenturseite (die wird toll!) und er an irgendwelchem Schatzmeister-Parteikram. Für Freitag hoffen wir, dass es nicht regnet, damit wir Critical Mass fahren können.
Und da ich keine sinnvollen Abschlussworte finde, müsst Ihr ohne auskommen.
Ach doch, vielleicht noch dies: Ich will immer noch niemandem sein Weihnachten kaputtschreiben, ich will einfach nur meine Ruh!