Hat sich der Sportjournalismus völlig vom Prinzip der Unschuldsvermutung verabschiedet? Glaubt er, dass mit vorauseilender Spekulation ordentlicher Journalismus zu machen ist? Moralische Beweislastumkehr, weil ein Radsportler zu schnell, zu kraftvoll, zu souverän war?
Diese Attribute sind übrigens Gerüchte, sind nicht auf Tatsachen gründende Vernebelungen. So omnipotent war Froome nämlich auch wieder nicht. Er fuhr nicht allen davon, wie man nun liest, er musste auf mancher Etappe etwaige Kontrahenten ziehen lassen. Froome hatte auch deutliche Augenblicke der Schwäche. Nur passen diese Augenblicke nicht in die Spekulation. Das Dopinggespenst braucht die völlige Dominanz zur Entfaltung seiner Absichten.
Kann sein, dass Froome gedopt hat. Nur warum spricht man schon jetzt von Doping, obgleich es keine Beweise außer die sportliche Leistung des Athleten dafür gibt? Die Unschuldsvermutung im Radsport erstickt an einem paranoiden Zeitgeist, der hinter jedem Parforceritt Doping wittert. Eine Presse, die kritischen Bericht mit der Bedienung von Spekulation und generellen Argwohn verwechselt, kommt über den Status gut bezahlter Tratsch- und Waschweiber nicht hinaus.
Solange es keine Anhaltspunkte, keine Belege für Doping gibt, sollte man darüber schweigen. Wenn aber die gute Leistung schon als Beleg gilt, dann entfesseln Journalisten einen inquisitorischen Esprit. Dann ist Leistung schon verdächtig und der Sieger schon ein Dopingsünder, bis es ihm gelingt, alle vom Gegenteil zu überzeugen. Froome hätte jetzt aber einfach nur ein grandioser Fahrer zu sein. Das wäre nur fair. Alles andere ist Hexenjagd und ungefähr so journalistisch, wie es die üblichen Verdächtigungen der Else Kling waren.