Stifung Warentest “Aroma”: Wie Geschmack entsteht

Stifung Warentest “Aroma”: Wie Geschmack entsteht

Thomas A. Vierich /
Thomas A. Vilgis:
“Aroma – Die Kunst des Würzens”
Stiftung Warentest,
2. Auflage 2013
510 Seiten
ISBN: 978-3-86851-072-0 Preis 39,90 Euro

Schließen Sie bitte die Augen und stellen Sie sich eine Zitrone vor, eine schöne gelbe Ztrone. Stellen Sie sich nun vor, wie Sie ein Messer greifen. Sie schneiden die Zitrone in zwei Hälften. Sie sehen, wie ein wenig Saft austritt. Sie nehmen den feinen fruchtigen Geruch der Zitrone wahr. Nun führen Sie eine der Hälften langsam zum Mund. Ihre Zunge wandert über die frische, saftige Hälfte…

Was passiert gerade real in Ihrem Mund?

Und was passiert in Ihrem Gesicht?

Zitronen sind ein natürliches Säuerungsmittel, “sauer” ist eine der fünf Grundgeschmacksrichtungen, die jedem Menschen angeboren sind. Schon Babys stehen auf süß und reagieren mit einem Lächeln, bittere oder saure Lebensmittel erzeugen einen “gustofazialen Reflex”: sie verziehen ihr Gesicht in einer ganz charakteristischen Weise.

Der “gustofaziale Reflex” verzieht sich erst im Laufe der Zeit. Der Geschmack an Saurem oder Bitterem ist Gewöhnungssache. Er muss erst erlernt werden. Ein Grund, warum Kinder oft keinen Spinat mögen, ist der hohe Anteil an Oxalsäure, die dem Gemüse eine bittere Note geben kann.

Diese und andere lesenswerte Informationen haben die beiden Autoren in ihrem Buch “Aroma – Die Kunst des Würzens” zusammen getragen, das Anfang 2013 von der Stiftung Warentest in der zweiten Auflage herausgegeben wurde.

Thoma A. Vierich ist Journalist und leidenschaftlicher Koch, Thomas A. Vilgis Professor für Theroretische Physik an der Uni Mainz und Leiter der Arbeitsgruppe “Molekulare Lebensmittelwissenschaften” am Max-Planck-Institut für Polymerforschung – und ebenfalls leidenschaftlicher Koch.

Gewürze aus aller Welt sind für uns heute leicht zu bekommen. Doch wie passen sie zueinander? (Bild: Knut Koops)

Gewürze aus aller Welt sind für uns heute leicht zu bekommen. Doch wie passen sie zueinander? (Bild: Knut Koops)

Nun waren sich beide erst mal einig: Wir sind alle in der glücklichen Lage, auf sämtliche Gewürze, Kräuter, Samen und Früchte aus allen Ländern dieser Welt ganz schnell und einfach zugreifen zu können. Aber können wir auch damit umgehen? Woher soll man denn wissen, dass japanische Alge zu Schweizer Käse passt?

Also kam Vilgis mit seinem Wissen um die Kräuter- und Gewürzchemie um die Ecke und Vierich steuerte sein Schreibtalent dazu – heraus kam ein 510 Seiten schweres Geschütz. Das gewichtige Werk will “inspirieren, auf Grundlage von Erkenntnissen aus der Lebensmittelchemie eine ganz neue Intuition beim Würzen zu entwickeln”.

Dazu werden im Hauptteil 126 Kräuter, Gewürze und Würzmittel genauer betrachtet. Was in Deutschland nicht erhältlich oder chemisch nicht identifiziert ist, ist auch nicht dabei.

Ein durchgängiges Farbschema erleichtert das Erkennen von Harmonien und das Komponieren neuer “Geschmacksexplosionen”. Zu jedem  Beitrag gibt es ein kleines Rezept für zwei Personen, dass die Nuancen nachspüren lässt.

Um das Farbchema zu verstehen, muss man aber unbedingt die Einführungskapitel lesen: Welche Geschmacksrichtungen gibt es, welche Rolle spielt die Zunge und welche Rolle spielt die Nase bei der Wahrnehmung von Aromen, welche Zubereitungsarten  haben welchen Einfluss?

Dazu kommt eine kleine Geschichte des Würzens – hoch spannende Angelegenheit, die uns Leser vom Ende der Welt bis in den eigenen Garten führt.

Wissenswertes über Gewürzmischungen, Saucen und Pasten, Alkohole, Essige, Fette und Öle runden das Gesamtpaket ab.

Nun sind die zwei zwar leidenschaftliche Köche und erklären das Kochen und Würzen auch zu einem Fest der Sinne, und sie haben sich auch sehr bemüht, das Lesen zu erleichtern durch eine sehr gute Struktur, Farbschemen und Bilder.

Dass das Lesen dennoch nur ein sinnliches Vergnügen mit Abstrichen wird, liegt an der lebensmittelchemischen Bezeichnungen, welche das Buch eher in die Kategorie Sachbuch/Schulbuch rücken.

Aber wer seine Intuition und seinen Geschmack trainieren oder einfach nur stöbern will, kann sich mit diesem Buch eine unerschöpfliche Fundgrube in seine Küche holen, die auch das tägliche Kochen bereichert.

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