Stieg Larsson: Verblendung


Stieg Larsson: Verblendung
Zeit, die Hosen runterzulassen.
Star Wars habe ich noch nie gesehen. Rambo kenne ich nur aus Erzählungen. Und die Millennium-Reihe habe ich erst jetzt angefangen.
Nachdem ich meine akute Hype-Allergie überwunden hatte, wurde ich doch neugierig. Sprachliche Desaster wie Dan Brown (aber immerhin spannend) und in die Lächerlichkeit abdriftende Alien-Theorien von Frank Schätzing haben mich äußerst misstrauisch gemacht. Und erst diese Schweden-Euphorie. Wieso schmücken auf einmal schwedische Krimis noch und nöcher die deutschen IKEA-Regale? Da wittert man doch nicht gesunden Literaturverstand, sondern eher eine gut geölte Marketingmaschinerie.
Was mich mal wieder gekriegt hat, war der US-Filmtrailer. Daniel Craig ist für mich einfach die Reinkarnation des jungen Sean Connery. Aber in einen Film zu gehen ohne vorher das Buch gelesen zu haben, das passiert mir höchstens mal aus Versehen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als die Widerstandssegel zu streichen und die erste Seite aufzuschlagen.
Vermutlich bin ich der letzte Mensch, der das Buch gelesen hat, sollte wider Erwarten doch jemand von demselben fernen Planeten wie ich kommen, eine kleine Zusammenfassung.
Protagonist Nummer 1, Mikael Blomqvist, ist ein freier Wirtschaftsjournalist, mit Haut und Haaren seinem eigenen Magazin "Millennium" verpflichtet, das es sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Dunklen Seiten von Wirt- und Gesellschaft zu hinterleuchten. Kein Wunder, dass er gleich zu Beginn der Erzählung, in einem Prozess steckt, der ihn beinahe die Reputation kostet. Nicht, weil er im Unrecht war, sondern weil der angegriffene Magnat ihn hinterrücks auf eine falsche Fährte lockte.
So geschlagen, wird er von Henrik Vanger angeheuert, um den fast vierzig Jahre zurückliegenden Mord an seiner Großnichte Harriet aufzuklären. Hier kommt der klassische Krimi ins Spiel, denn zum Zeitpunkt ihres Verschwindens war die Insel von der Außenwelt abgeriegelt und der Verdächtigenkreis somit eingeschränkt. Vanger ködert Mikael mit dem Versprechen, ihm entscheidende Details für einen vernichtenden Schlag gegen besagten Wirtschaftstycoon an die Hand zu geben, wenn er ihm innerhalb eines Jahres den Mörder liefert.
Unter dem Vorwand, die Familiengeschichte in Prosaform zu fassen, beginnt "Kalle" Blomqvist vor Ort zu recherchieren. Damit setzt er die Sippschaft natürlich gehörig in Aufruhr und schon bald ist sein tatsächlicher Aufenthaltsgrund kein Geheimnis mehr.
Bald kommt Lisbeth Salander ins Spiel und komplettiert das Ermittlerteam mit ihren genialisch anmutenden Fähigkeiten. Doch natürlich ist Lisbeth keine anschmiegsame Romanfigur, nicht umsonst ist sie der Aufhänger der späteren Verfilmung. Als schwarzes Schaf einer ganzen Gesellschaft, mit dem Stempel der geistigen Unzurechnungsfähigkeit versehen steigt sie aus ihrer Opferrolle heraus, indem sie bei einem ihrer Peiniger den Spieß umdreht. Dass Lisbeth und Mikael in eine Beziehungskiste steuern, ist absehbar. Dass mit solchem Ausgangsmaterial kein Konflikt gescheut wird, auch. Leider ist auch das Ende nicht sonderlich überraschend, eigentlich fast eine der ersten Überlegungen, die man zu Beginn hat. Zu Larssons Verteidigung sei gesagt, dass dieses "Geschlossene Zimmer-Verbrechen" nur selten wirklich überraschend gelöst wird (brillantes Beispiel: Und dann gabs keines mehr von Agatha Christie).
Alles in allem gute Unterhaltung, in knappen Sätzen schafft Larsson eine düstere Kulisse, die gerade in der Winterzeit vor dem flackernden Kamin (eingebildet, in meinem Fall) kleine Spannungsmomente liefert. Aber dabei bleibt es dann auch. Der nächste bitte.
Fragt sich nun, worauf dieser Hype schon wieder beruht. Ist er auf die Posthum-Veröffentlichung? Die Moralität des Autors? Oder weil Nazi-Geschichten immer gehen? Vermutlich ist es wieder die gut gestrickte Vermarktungsmasche. Dazu kann ich nur sagen: Chapeau!
Zum Schluss noch ein Wort an die deutschen Verleger: Verblendung, ein furchtbarer Titel. Warum nimmt man so einen generischen Namen, wenn man bereits einen hat, der Bände spricht (Männer, die Frauen hassen)?


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