Steve McCurry - "Im Fluss der Zeit"

Steve McCurry, Fotograf mit Weltruf, Ausstellung in Wolfsburg 2013 - "Im Fluss der Zeit", Bilder aus Asien

Steve McCurry, längst weltberühmt, in Deutschland noch zu wenig bekannt: Diese Ausstellung im Kunstmuseum Wolfsburg in der ersten Jahreshälfte 2013 wird das ändern. Zum ersten Mal wird in Deutschland im musealen Rahmen ein Überblick über das Werk des US-amerikanischen Fotografen (geb. 1950 in Philadelphia) gezeigt - in weiser Beschränkung auf die Fotografien aus Asien 1980 bis 2011. Damit wird die Reihe mit Werken wegweisender Fotografen, von Man Ray (1994) bis Cartier-Bresson (2011-12), fortgesetzt, erstmals mit einem lebenden Fotografen - und zugleich setzt das Kunstmuseum Wolfsburg damit seinen "interkulturellen Dialog" fort.

Was mich am meisten fasziniert hat bei meiner Besichtigung: dass Steve McCurry es sowohl versteht, das Spirituelle eines Ortes zum Ausdruck zu bringen, als auch den spirituellen Untergrund in einem menschlichen Gesicht. Deshalb zeige ich hier die beiden berühmten Fotos, die diese beiden Seiten zum Ausdruck bringen.

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Dieses Foto zeigt den Goldenen Felsen von Kyaiktiyo in Burma (1994 aufgenommen). Für Buddhisten ist das ein Heiliger Ort, Shwe Pye Daw. Pilger bringen Goldplättchen mit, die angeheftet werden. Oben auf dem Felsen gibt es eine Pagode. Der Legende nach wird der Fels nur von einem Haar Buddhas festgehalten, das in der Pagode aufbewahrt wird. Alljährlich wird dort das Pagodenfest der neuntausend Lichter gefeiert (darüber kann man unter "10. November" hier nachlesen). Pilger nehmen den beschwerlichen Aufstieg zu dem Heiligtum in 1100 Meter Höhe auf sich und bringen Öllämpchen, Kerzen und Blumen mit, die sie Buddha opfern. "In der Vollmondnacht erstrahlt der goldene Fels im märchenhaften Glanz von 'neuntausend' Lichtern, ein fast überirdischer Anblick". Das Besondere an Steve McCurrys Foto: Er hat das überirdische Licht einfangen können und hat dazu, wie er erzählt, lange auf den richtigen Augenblick gewartet - ein Moment war der richtige! Er wählt den Ausschnitt so, dass die Pagode gar nicht, aber einige betende Mönche zu sehen sind.
Der Fotograf möchte Geschichten erzählen - das gilt auch für die Porträts. Weltweit bekannt wurde sein Foto von einem zwölfjährigen afghanischen Mädchen in einem Flüchtlingslager in Pakistan (1984).

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18 Jahre später ist der Fotograf mit einem Team der Fortsetzung der Geschichte nachgegangen: Das Bild der erwachsenen, frühzeitig gealterten Frau (das ich hier nicht zeigen kann) ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen - beide Fotos können unmittelbar verglichen werden -, außerdem ein Foto, auf dem sie verhüllt ist und das frühere Bild in den Händen hält.

Zwischenbemerkung: Diese Fotos können hier aus rechtlichen Gründen nur bis zum Ausstellungsende sichtbar bleiben. Ersatzweise zeige ich einige "Installationsansichten" der Ausstellung in Wolfsburg.

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Steve McCurry war aus Anlass der Eröffnung am 19. Januar in Wolfsburg anwesend. Wie er es macht, wurde er natürlich gefragt. Mensch braucht ihn nur persönlich zu erleben, dann versteht man es. Mit freundlicher Ausstrahlung hat er in den Gesprächen auf jede Frage ruhig geantwortet, und wenn ihm eine nicht so gefiel, auf humorvolle Weise mit einem längeren Umweg seine Sicht vermittelt. Steve McCurry inszeniert (fast) nicht, er wartet auf den richtigen Moment. Er arbeitet nicht nach einem festen Schema: "Ich komme aus der Tür und fange an zu arbeiten". Er beginnt mit ruhiger Freude, die oft einen meditativen Charakter hat. Es gibt keine tägliche Routine, höchstens einen Rhythmus: Günstig ist es, früh zu beginnen, damit noch das weiche Licht da ist ("so wie jetzt in Wolfsburg, das wäre ein perfektes Licht"). Er spricht die Menschen nicht verbal an, aber nimmt doch mit ihnen Kontakt auf: "Ich begegne ihnen mit Respekt, normalerweise warte ich einfach ab, sie bekommen ein Gespür von dem, der da steht und wartet, und ich wäge ihre Empfindung und bringe sie mit meinem Gespür ins Gleichgewicht (Versuch einer sinngemäßen Übersetzung "I usually wait, they have a sense, i can weigh the sense").

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"Im Fluss der Zeit": Die Ausstellung zeigt, dass McCurry den überdauernden Geist des Landes sichtbar macht und zugleich oft den Moment des Wandels erfasst (der "Verwestlichung", wie man oft sagt), die Nahtstelle zwischen Alt und Neu. Ein gutes Beispiel ist das Bild aus Kabul von fünf Frauen in Burkas verschiedener Farben - nur von hinten zu sehen - beim Einkauf moderner Turnschuhe. Andere Beispiele sind die traditionell geschminkte und gekleidete Geisha, die in Tokio die Treppe der U-Bahn hinaufsteigt; der indische Schneider, der in den Fluten nach einem Monsunregen seine Pfaff-Nähmaschine zu retten versucht, seine ganze Existenzgrundlage; der junge Straßenverkäufer, der ein ausgebranntes Auto mit Schusslöchern als Verkaufsstand für seine Apfelsinen nutzt (Afghanistan).

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Steve McCurry sieht sich vorwiegend als Dokumentarfotograf - nicht aber als Kriegsfotograf. Wenn er in kriegerischen Zeiten fotografiert hat, dann hat er die Momente zwischen und nach den Kriegshandlungen ins Bild zu bringen versucht; und die Art und Weise, in der die Menschen trotzdem im Alltag mit ihrem Leben zurechtzukommen versuchen. Von Asien ist Steve McCurry, wie er sagt, deshalb besonders fasziniert, weil dort sich das Leben vorwiegend auf der Straße abspielt und sakrale Räume darin integriert sind; das Profane verschmilzt auf eine selbstverständliche Weise mit dem Religiösen.

Die Ausstellung in Wolfsburg im Kunstmuseum vermittelt einen hervorragenden Einblick. Ich empfehle, sich für den Ausstellungsbesuch ruhige Zeiten auszusuchen und sich dann in einzelne Bilder ganz zu vertiefen. Die Gestaltung (umsichtig-liebevolle Kuratorin Uta Ruhkamp) ermöglicht das. Die Ausstellung dauert noch bis zum 16. Juni 2013.

Text: Dr. Helge Mücke, Hannover; die Bilder von oben nach unten: Goldener Fels. Shwe Pye Daw, ein heiliger Platz. Kyaiktiyo, Burma. 1994. © Steve McCurry / Magnum Photos; Afghanisches Mädchen. Peshawar, Pakistan. 1984. © Steve McCurry / Magnum Photos; Installationsansicht “Steve McCurry – Im Fluss der Zeit. Fotografien aus Asien 1980-2011, Kunstmuseum Wolfsburg 19.01. – 16.06.2013, Afghanisches Mädchen – Sharbat Gula. Peshawar, Pakistan. 1984.© Steve McCurry / Magnum Photos; eigenes Foto während der Pressevorstellung - Quellenangabe: © Dr. Helge Mücke, Hannover; Installationsansicht “Steve McCurry – Im Fluss der Zeit. Fotografien aus Asien 1980-2011, Kunstmuseum Wolfsburg 19.01. – 16.06.2013 © Steve McCurry / Magnum Photo.


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