Steuersenkungen: Sag immer nie

Steuersenkungen: Sag immer nieIm Mai 2009 wusste es Frank Steinmeier noch ganz genau. „Höhere Steuern wären Gift für die Konjunktur, deshalb stehen sie nicht zur Debatte“, verkündete der bald wieder kommende Kanzlerkandidat der deutschen Sozialdemokratie. Steinmeier musste das sagen, weil er von Hause aus glaubt, dass hohe Steuersätze viel Steuern einbringen, niedrigere aber wenig.
Zwei Jahre nach seinem wie in Stein gehauenen Ausspruch war die weise Schneeeule der deutschen Linksmitte denn auch entgegengesetzter Meinung. Wenn der Staat mehr Geld brauche, um mehr Gerechtigkeit herzustellen, dürfe man nicht wie vom damaligen FDP-Chef Guido Westerwelle gefordert Steuern senken, sondern man müsse sie erhöhen. Sobald die SPD wieder regiere, werde der Spitzensteuersatz von 42 auf 49 Prozent hochgezogen, denn, das hatte schon der SPD-Altvordere Franz Müntefering erkannt, was der Staat kann, kann nur der Staat – und dazu braucht er Geld.
Je mehr, desto besser. Deshalb reicht es auch nie. Im Dezember vergangenen Jahres etwa sind die Steuereinnahmen nach einem Bericht des "Handelsblatts" um 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gestiegen. Sie liegen damit erstmals die Marke von 70 Milliarden Euro im Monat. Knapp sieben Mal mehr als Apple verdient.
Höchste Zeit, die Steuern zu senken, riefen die notorischen Anhänger der These, dass genug irgendwann genug sein müsse und auch der Staat nicht dauerhaft sparen könne, indem er seine Einnahmen durch neue Steuerarten und erhöhte Steuersätze vermehre. Wenn nun gerademal richtig viel in die Kassen komme, dann sei das doch ein guter Zeitpunkt, die vor der letzten Bundestagswahl versprochenen Steuersenkungen für Arbeitnehmer endlich in Angriff zu nehmen.
Aber nein, gar nicht, liest der Finanzminister daraufhin natürlich prompt aus dem Manuskript vor, das man ihm zugesteckt hat, als er ins Amt kam. Zwar sei derzeit viel Geld da, aber wer wisse schon, wie es morgen aussehe? Der Steuerboom werde zweifellos deutlich nachlassen, ließ Finanzstaatssekretär Thomas Steffen wissen. Zwar stiegen die Steuereinnahmen von Bund und Ländern immer noch , aber doch schon längst nicht mehr so schnell wie Anfang vergangenen Jahren: In den ersten drei Monaten 2011 seien die Steuereinnahmen noch um 10,8 Prozent gestiegen, im vierten Quartal habe der Zuwachs bei nur noch 6,1 Prozent betragen.
Auch die vielen neuen Steuern brachten nicht so viel wie erwartet: Die Luftverkehrsteuer, mit der Deutschland die Erdatmosphäre in den nächsten 10.000 Jahren grundreinigen wird, brachte statt der erwarteten Milliarde nur 905 Millionen Euro. Die Kernbrennstoffsteuer enttäuschte noch stärker: Statt 2,3 Milliarden blieben nur 922 Millionen Euro hängen, und auch die müssen vielleicht bald zurückgezahlt werden, weil die Energieversorger gegen die Erhebung klagen.
Es wäre also unverantwortlich, die Steuern zu senken, nur weil genug Geld dafür da wäre, weil man ja nicht weiß, ob das Geld bald noch da sein wird. Im Grunde ist das kein großer Unterschied zur Situation vor einem Jahr, als Steuersenkungen scheiterten, weil nicht genug Steuereinnahmen da waren.
Dauerhafte Lehre daraus: Steuersenkungen sind nicht möglich, weil einfach kein Geld da ist. Oder sie sind nicht möglich, weil Geld da ist.

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