Sternekoch Paul Ivic im Gespräch: „Ich habe Großes vor!“

Von Franz Bernthaler

Nur vier vegetarische Restaurants gibt es weltweit, die mit vegetarischer Küche einen Michelin-Stern erkocht haben. Eines davon ist das TIAN Restaurant Wien. Wir haben uns mit Geschäftsführer und Küchenchef Paul Ivic zum Interview getroffen und nicht nur Spannendes über kommende Projekte mit Heinz Reitbauer erfahren, sondern auch einen kleinen privaten Einblick bekommen. Außerdem: warum das im Winter mit der Kreativität so eine Sache ist und was der Top-Koch für „Bullshit“ hält.

Irrglaube, Fleisch sei teurer als Gemüse

Als wir uns mit dem sympathischen Tiroler Paul Ivic treffen, der in diesen Tagen 5 Jahre TIAN feiert, werden wir überaus freundlich empfangen und gehen gleich in medias res: Warum ist denn das TIAN das einzige Restaurant Österreichs mit einem Stern in vegetarischer Küche? Ivic überlegt kurz und erklärt sich den Umstand schließlich damit, dass noch kein anderes vegetarisches Restaurant in diesem Metier „solche Ambitionen gezeigt hat wie wir“. Es erfordere „sehr viel Mut und Entschlossenheit, das in unserem Segment betreiben zu wollen.“ Ivic führt aus, dass „es im europäischen Bereich schwierig ist, ein Gourmetrestaurant auf rein vegetarischer Ebene zu betreiben“. Warum? „Die Bereitschaft der Kunden zu zahlen, was die Produkte wirklich wert ist“, sei noch nicht ausreichend gegeben.

Wobei, in Skandinavien, Italien, Frankreich oder auch der Schweiz sei man da schon weiter als in Deutschland und Österreich. In vielen Köpfen herrsche immer noch der Irrglaube, „dass Fleisch teurer sei als Gemüse“. Qualität koste aber nun mal ihren Preis. Zudem gehe es ja nicht nur darum, was auf dem Teller liegt – „und das ist bei uns sehr viel“. Man müsse ja auch die Kochkunst, Miete und Mitarbeiter bedenken.

„Die Leute sind bereit, 6 Euro für einen Verlängerten zu zahlen, aber 8 Euro für ein Mittagessen ist ihnen zu viel“, zitiert Paul Ivic Heinz Reitbauer senior. Essen darf nichts kosten, „das kann ich mir nicht leisten“, heißt es dann. Ivic dazu: „Ich kann es mir nicht leisten, Bullshit zu essen.“

Auf der Suche nach dem perfekten Geschmack

Ivic sehnt sich danach, dass Lebensmittel ihre Bedeutung wieder zurückerlangen. Es gehe darum, dass die Produkte wieder so produziert werden, dass man „davon und damit leben kann“. In unserer Gesellschaft gebe es „viel zu viel Massenkonsum“, der Einsatz von Hormonen und Antibiotika sind dem Koch ein Dorn im Auge. Ob Veganer, Vegetarier oder nicht, sei da zweitrangig. Was Ivic als das gemeinsame Ziel ansieht, ist die Zurückbesinnung zur Natur und der Genuss natürlicher Produkte.

TIAN (c) Ingo Pertramer

In diesem Sinne ist Ivic ständig auf der Suche nach dem perfekten Geschmack. Wobei es im Winter natürlich schwieriger sei, kreativ zu sein, da im Sommer die Vielfalt an frischem Gemüse einfach ungleich höher ist. Aber man sorge vor und kaufe im Sommer große Mengen an unterschiedlichem Gemüse in hervorragender Qualität, um dieses einzulegen. „Wir fermentieren viel, haben aber auch Öle und Essige gemacht“, freut er sich und hebt stolz die Kreativität seiner Mannschaft hervor, die mit Produktkenntnissen und Freude am Experimentieren Außergewöhnliches kreiert. „Da entstehen die tollsten Sachen“, zeigt sich Ivic begeistert.

Paul Ivic privat – Ein Blick hinter fremde Kühlschranktüren

Was er in seinem eigenen Kühlschrank hat, wollen wir wissen. Auf jeden Fall frische Rohmilchbutter, denn die ist unpasteurisiert, unbehandelt. Niemals Margarine! Denn die enthält Stoffe, die der Körper nicht abbauen kann. Außerdem Dauergast in seiner Küche sind „gute Gewürze, denn Gewürze machen das Leben aus“. Gute Lein- und Olivenöle „Und frische Lebensmittel, am besten biodynamisch“, ergänzt er lächelnd. Als global denkender Mensch sehe er Essen als Völkerverbindung an, weswegen er auch Produkte aus verschiedenen Regionen Italiens schätze, wo er gute Freunde hat.

Wichtig sei aber nicht nur, „was man isst, sondern auch wie man isst“. Wenn ihm der Sinn beispielsweise nach Schokolade steht, gönnt er sich sie auch und genießt sie. Meidet aber Firmen, deren Produkte „Bullshit wie Invertzucker enthalten“, denn der kann vom Körper nicht verarbeitet werden.

Wie steht Paul Ivic denn zu Food Bloggern, wollen wir wissen. Nicht ganz vorbehaltlos, denn „manche sind Experten für alles“. Aber jene findet er gut, die anderen wieder Lust machen, zu Hause zu kochen. Denn: „Nur wer selbst kocht, wird sich früher oder später mit den Produkten, ihrer Qualität und Herkunft befassen.“ Verfolgt er denn auch selbst Blogs? Da muss er grinsen – ja, das tue er und zückt sogleich sein Handy, um nachzuschauen, wie denn der eine konkrete Blog heißt. Trois Étoiles ist es übrigens, „das ist ein Typ, der seinen eigenen Stil hat, immer in Sternerestaurants geht, sich aber nie einladen lässt“, erklärt Ivic. Kritisch sieht er das Thema allerdings, wenn Leute im Internet Restaurants „in der Luft zerreißen“, denn das könne unter Umständen Arbeitsplätze kosten.

TIAN als Marke & Essen, das Spaß macht

„Das TIAN soll eine Marke werden“, verrät Ivic, „da haben wir noch viel vor“. Er habe das TIAN noch nicht da, wo er es sehen will. Wo will er es denn sehen, haken wir nach. Die Leute sollen das Restaurant „damit verbinden, dass man bei uns ausgezeichnet essen und sehr viel Spaß haben kann. Es soll zu den Top-Restaurants weltweit gehören“ und in diesem Sinne „gewinnbringend für Österreich sein“. Die österreichische Kulinarik hält er für eine der „besten weltweit“, sie habe „wahnsinnig viele tolle Köche“, erfahre „international aber noch nicht die Anerkennung“, die ihr gebührt. Genau da wolle man mit dem TIAN ansetzen und mit dem Konzept größere internationale Aufmerksamkeit erlangen.

Pläne, Pläne, Pläne! Heinz Reitbauer, Juan Amador, ein Buch und ein Schiff!

Hilfreich ist da sicherlich auch die Tatsache, dass Ivic im März im Ikarus im Salzburger Hangar 7 ein Monat lang als Gastkoch tätig sein wird. Zusammen mit Heinz Reitbauer vom Steirereck, Markus Mraz vom Restaurant Mraz & Sohn sowie Silvio Nickol vom Palais Coburg wird er mit spannenden, mehrgängigen Genüssen in Dietrich Mateschitz‘ Kult-Restaurant ein Monat lang Wien vertreten.

Am World Food Programme nimmt Ivic heuer auch teil. Das hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 keine Hungersnot mehr zu haben. Auch ein Kochbuch über Winterküche für zu Hause bringt der ambitionierte Paul Ivic dieses Jahr noch heraus. Auch zu TV-Projekten hat er Pläne, in etwa wie jenes mit dem ORF über den ökologischen Fußabdruck. Außerdem wird das TIAN-Konzept in sehr naher Zukunft auch auf ein Schiff kommen. Ein Plan, das neben seiner täglichen Führung von 35 Mitarbeitern volle Aufmerksamkeit erfordert.

Zu guter Letzt spricht Ivic noch die Veranstaltung TIAN Evolution an. Hierzu lädt Ivic mit Juan Amador, Stefan Langmann, Stefan Heilemann und Harald Irka zu sich ins TIAN Restaurant in die Himmelpfortgasse ein, um zusammen ein mehrgängiges Menü zu kochen. Dieses Projekt will er auch in den kommenden Jahren fortführen, um bessere Verbindungen zu schaffen, dass Österreich international mehr wahrgenommen wird internationale Spitzenköche nach Wien zu holen.

Man darf also gespannt sein, wie der Tiroler die Welt der Kulinarik noch auf den Kopf stellt!

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