Sterbehilfe und die Medizin – Dürfen Ärzte töten?

Mit Ingrid Matthäus-Maier und Uwe-Christian Arnold

Bald wird der Bundestag über eine Neuregelung der Sterbehilfe entscheiden. Gesundheitsminister Hermann Gröhe fordert, jede Form der organisierten Selbsttötung gesetzlich zu verbieten. Doch die Mehrheit der Deutschen spricht sich für Sterbehilfe aus. Für die meisten ist dabei der Arzt derjenige, an den sie sich mit ihrem Todeswunsch wenden wollen. Sollte der Arzt nicht nur Leben retten, sondern auch den Tod bringen? Bei Tacheles gingen die Meinungen dazu auseinander.

Viele Menschen möchten im Falle einer unheilbaren Krankheit ihr Lebensende selbst bestimmen und hoffen dabei auf die Hilfe ihres Arztes. Das belegt die Tacheles-Umfrage im Vorfeld der Aufzeichnung: 58 Prozent der Befragten sprachen sich dafür aus, dass der Arzt aktiv ein Leben beenden darf, wenn der Patient dies verlangt.

Uwe-Christian Arnold hat schon mehr als 200 Menschen beim Sterben geholfen: “Die Menschen vertrauen ihrem Arzt. Sie wollen, dass er ihnen auch in dieser Situation beisteht. Und das tue ich”, sagte der Mediziner bei Tacheles. Er bewege sich mit seinem Tun im legalen Bereich. “Ich schwatze niemandem etwas auf, ich verführe niemanden. Die Leute kommen mit ihrem Anliegen zu mir.”

Der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm sieht darin eine gefährliche Tendenz. Für ihn als Christ sei das Leben ein Geschenk Gottes und damit unverfügbar. Bedford Strohm befürchtet, eine Lockerung des Tötungsverbots werde die Gesellschaft verändern: “Was rechtlich festgelegt ist, entfaltet eine Signalwirkung”. Der Druck auf alte und schwache Menschen werde sich erhöhen, warnte der Bischof. Viele stellten sich dann die Frage, ob es richtig sei, anderen noch zur Last zu fallen. “Die öffentliche Botschaft wäre, dass es zum Normalen gehört, sich töten zu lassen.”

Dem widersprach die Juristin und SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier. Für sie stehe die Würde des Einzelnen im Vordergrund. Wer beschließt, sterben zu wollen, brauche manchmal nur die Gewissheit, dass es einen Ausweg gibt, wenn es schrecklich wird. Die Entscheidung über das Lebensende liege dabei aber immer bei dem Einzelnen. “Wer soll sonst entscheiden, ob es meiner Würde, meinem Wertgefühl entspricht?”

Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender der Ärztevereinigung Hartmannbund, sieht das Problem eher im fehlenden Wissen um die Möglichkeiten der Palliativmedizin. Die Menschen hätten Angst vor dem Sterben, “weil ihnen nicht bekannt ist, was es an Hilfe gibt.” Die meisten wüssten beispielsweise nicht, “dass der behandelnde Hausarzt in einer solchen Situation in Kauf nehmen darf, dass sich ihr Leben verkürzt, wenn er ihnen Morphin in hohen Dosierungen verabreicht”. Dies sei ein rechtlich legitimes Verfahren, betonte Reinhardt.

Einig war sich die Runde darin, dass vor allem die Palliativmedizin weiter ausgebaut werden müsse, um das Leiden von mehr Schwerkranken zu lindern. “Ich habe Situationen erlebt”, so Bischof Bedford-Strohm, “wo es gelungen ist, durch eine liebevolle Begleitung und eine gute Schmerztherapie selbst bei einer schlimmen Krankheit in Würde zu sterben.”


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