Es ist nur ein sehr dünnes Heft; ein sehr kurzer Aufsatz, den der 93-jährige Stéphane Hessel verfasst hat. Und doch macht er Furore und wird viel diskutiert. Weshalb? Weil er die Jugend daran erinnert, dass sie es ist, die aus der Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit Widerstand leisten muss. Friedlichen Widerstand.
Der Text spricht keine neuen Wahrheiten aus. Er benennt nichts revolutionär Neues. Und doch ist er einer der wichtigsten am Beginn des neuen Jahrtausends. Hessel blickt auf eine lange Geschichte zurück und ruft aus seinen Erfahrungen heraus die Jugend dazu auf, sich zu empören. Sich aufzulehnen gegen das neoliberale Wirtschaftssystem, das wenige reich, aber viel zu viele immer ärmer werden lässt.
Hessel gehört zu den Unterzeichnern der Charta der universellen Menschenrechte; er hat in der Résistance gekämpft. Aus dem Rückblick auf die Zeit des Nationalsozialismus entwickelt er die Notwendigkeit, dass heute auch wieder eine Empörung notwendig ist. „Die Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft, die Intellektuellen, die ganze Gesellschaft dürfen sich nicht klein machen lassen von der internationalen Diktatur der Finanzmärkte, die es so weit gebracht hat, Frieden und Demokratie zu gefährden.” (Seite 10) Beachtenswert seine Wortwahl! Er spricht von einer „Diktatur der Finanzmärkte“.
Und beachtenswert ist – was in keiner der vielen Rezensionen, die es zum Büchlein gibt, erwähnt wird – seine „Empörung in der Palästina-Frage“. Stéphane Hessel besuchte mehrfach den Gaza-Streifen. Das letzte Mal im Jahr 2009, nach der Operation „Gegossenes Blei“. Er schreibt einen Satz, den ich so selten bisher in deutschen Zeitungen las: „Selbstverständlich halte ich den Terrorismus [der Hamas] für inakzeptabel. Aber ist es wirklich realistisch zu erwarten, dass ein mit unendlich überlegebenen militärischen Mitteln besetzt gehaltenes Volk gewaltlos reagiert?“ (Seite17) Ein paar Zeilen später zeigt er auf, dass es – auch in Palästina – andere Wege, gewaltlose Wege des Widerstandes gibt, indem er auf die Menschen von Bil’in verweist, die jeden Freitag gewaltlos an der und gegen die Mauer, die das Land trennt, protestieren.
Es ist eine tiefe Menschlichkeit in den Worten des Textes. Hessel ist und bleibt Optimist. Er bekennt sich zu Martin Luther King und Nelson Mandela. „Es ist eine Botschaft der Hoffnung, dass die Gesellschaften unserer Zeit Konflikte durch gegenseitiges Verständnis in wachsamer Geduld werden lösen können – auf der Grundlage unabdingbarer Reichte, deren Verletzung [...] unsere Empörung auslösen muss.“ (Seite 19) Für Hessel führt diese Empörung schließlich zwingend zum friedlichen Widerstand gegen den/die Auslösenden der Konflikte. Und so endet der Text mit den (inzwischen vielzitierten) Worten:
„Neues schaffen heißt Widerstand leisten.
Widerstand leisten heißt Neues schaffen.“
Nic
Empört Euch! – Stéphane Hessel – Ullstein Buchverlag 2011 – ISBN 978-3-550-08883-4 – 3,99 Euro