Steinbrück: Geänderte Peerspektive

Steinbrück: Geänderte PeerspektiveEr hat den deutschen Sozialstaat umbauen geholfen, der West LB die Türen zum Weltfinanzmarrkt geöffnet, Verbriefungen und Zertifikate in Deutschland freigelassen, als Chef-Aufseher der Kreditanstalt für Wiederaufbau und der Bafin zugesehen, wie kleinere deutsche Staatsbanken Briefkastenfirmen im Ausland gründeten und als das Weltfinanzsystem ins Wanken geriet, wusste er genau, dass es sich bei alldem nur um eine "rein amerikanische Krise" handeln konnte. Schnell hat Peer Steinbrück, seit seinem desaströsen Scheitern als Kurzzeit-Ministerpräsident in NRW an Niederlagen gewöhnt, damals einen Feldzug gegen die Schweiz begonnen, die an allem Schuld war. So zwang er die Krise in die Knie, die die "größte seit 1929" (Angela Merkel) war. Er rettete noch schnell die deutsche Sozialdemokratie und ließ sich dann achtungsvoll "einer von den Stones" nennen.
Aber es half nichts. Steinbrück verlor den Job als Finanzminister, er verlor seine Sessel in den Verwaltungsräten der staatlichen Banken, die am dicksten im Dreck landeten, er verlor die Aufsicht über die Bafin, niemand hörte ihm mehr zu, wenn er wie im Oktober 2008 von einer "rein amerikanischen Krise" sprach oder inmitten einer Kreditklemme behauptete, es gebe keine Kreditklemme.
Die Achtung der Radiozuschauer und Fernsehhörer aber hat Peer Steinbrück nie verloren, das weiß auch die ARD. Um dem früheren Helfer bei der Verfüllung unendlich vieler Sendeminuten mit unendlich vielen nie eingetroffenen Prognosen beim Verkaufen seines ersten gnadenlosen Abrechnungsbuches zu helfen, übertrug der Gebührenfunk zur besten Sendezeit "Steinbrücks Blick in den Abgrund" (Filmtitel, ein "eitles Stück Kulissenfernsehen mit allerlei optischen Mätzchen, viel Pseudoauthentizität und politischen Allgemeinplätzen", wie selbst das Steinbrück-Fanmagazin Der Spiegel enttäuscht konstatieren muss. Dabei macht der ehemals Mächtige, was er soll: Unbelastet von seiner verheerenden Bilanz an falschen Einschätzungen und verkehrten Prognosen führt sich Steinbrück als Wirtschaftsvisionär vor, der den gerade Regierenden in der Maske eines jüngeren, aber mindestens ebenso weisen Helmut Schmidt Kopfnoten und die richtige Richtung gibt.
Die Peerspektive hat der einstige Arbeiterführer und heutige Thyssen-Aufseher geändert, die hanseatische Selbstgerechtigkeit ist geblieben. Kein Wort mehr zu den eigenen Verfehlungen, kein Wort dazu, dass die Wirtschaft längst wieder steigende Umsätze und wachsende Gewinne meldet. Peer Steinbrück, der sein Romandebüt nach einem Buch des Leipziger Karikaturisten Frank Ruddigkeit "Unterm Strich" genannt hat, nörgelt ein bisschen an der Rentengarantie, die er selbst mitbeschlossen hat. Bewusst gelogen aber habe er, sagt er, nie. Oder zumindest erinnere er sich nicht daran.
Alles andere, zitiert er Erich Honecker, war richtig und wenn es doch falsch war, dann wird es noch richtig werden. Oder er, Peer Steinbrück ändert eben einmal mehr seine Peerspektive: Dem Filmemacher Stephan Lamby skizzierte Steinbrück vor einem Jahr seine Prognose zum Krisenverlauf, damals eine Kurve wie ein "L" - tiefer Absturz, dann lange nichts. Inzwischen hat der Experte für Alles und vor allem für Nichts noch mal nachgemessen und es sich anders überlegt. Jetzt "spricht der streitbare Sozialdemokrat Klartext", knuddelt DerWesten den Taschenspieler überschwänglich. Steinbrücks Krisenkurve ist jetzt ein "W". Bis auf Weiteres.
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