Steinbachs Nazis wollten Versöhnung

Von Alexander Steinfeldt

Der Deutsche Bundestag feiert heute ein Dokument, welches von NSDAP- und SS-Eliten unterzeichnet wurde. Die Linke nennt das einen „Skandal“ und Volker Beck (Grüne) fragt vorsichtshalber noch nach, ob der Redner der CDU/CSU-Fraktion Deutschlands Ostgrenze zu Polen anerkennt.

Doch die Regierungsfraktionen sind weit davon entfernt, mit braunen Jacken und Armbinden ins Reichstagsgebäude einzumarschieren. Im Gegenteil: In ihrem Antrag fordern sie, „die Versöhnung mit den östlichen Nachbarn voranzubringen und sich … weiter für ein geeintes Europa einzusetzen.“ Wie passt also der Revisionismusvorwurf zu diesen hehren Zielen?

Es geht um die umstrittene Charta der Heimatvertriebenen. Sie wurde im letzten August 60 Jahre alt. Dies nahmen die Antragsteller zum Anlass, dieses Dokument zu würdigen und seinen historischen Hintergrund und seine tiefere Bedeutung für die Deutschen und Europa herauszustellen. Damals vor 60 Jahren verfassten die geflüchteten und vertriebenen Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten eine Charta, in dem sie sich von Rache und Vergeltung distanzierten und sich für eine Versöhnung und eine europäische Vision aussprachen. Erika Steinbach hält dies angesichts der Leiden, den diese Menschen erleiden mussten, angefangen von der Vertreibung aus der Heimat bis hin zu den unsäglichen Diskriminierungen und schlechten Lebensbedingungen noch bis nach 1950 in den Empfängerländern für eine „übermenschliche Handlung“.

„Uns bleibt auch gar nichts erspart!“, kommentierte ein Abgeordneter der Linken Steinbachs Intervention am Ende einer sehr emotionalen Debatte im Deutschen Bundestag. Tatsächlich eignet sich die Person Steinbach nur schlecht für die Verwirklichung von Versöhnung. Zu oft heizte sie kritische Debatten zur deutsch-polnischen Geschichte an. Doch der Antrag der Koalitionsfraktionen fokussierte eher eine Beschäftigung der Deutschen mit ihrer eigenen Geschichte. Im Antrag wird der Historiker Schlögel zitiert: „Wie spricht man über ein Großverbrechen im Schatten eines anderen, noch größeren Großverbrechens?“ Es geht um den Umgang mit einem Teil der eigenen Geschichte, die laut CDU/CSU und FDP nur unzureichend aufgearbeitet wurde.

Die Opposition hingegen konnte nicht verstehen, wie man dieses Dokument in den Kanon der „Gründungsdokumente der Bundesrepublik“ (Strobl, CDU) aufnehmen kann. In der von Nazis unterzeichneten Charta verzichteten die Vertriebenen „scheinbar großzügig“ auf Rache und Vergeltung, hieß es seitens der linken Abgeordneten Jochimsen. Wie könne man auf etwas verzichten, worauf man überhaupt kein Recht hat? Auch hier versucht Steinbach Verständnis zu schaffen. „Es gibt kein Recht auf Rache,“ richtet sie sich erstaunlich bewegt an die Opposition. Doch „in ganz vielen Menschen gibt es das Gefühl für Rache und Vergeltung.“ Dass die Vertriebenen so eindrucksvoll und eindeutig in dieser Zeit diesem Gefühl entgegentraten, ist eigentlich ihre bewundernswerte und zu würdigende Leistung.

Der angenommene Antrag strebt nun unter anderem einen deutschen Gedenktag am fünften August vor, um das Erinnern an die Vertreibung der Deutschen, aber auch an andere Vertreibungen lebendig zu halten. Er soll auch mahnend auf heutige Vertreibungen aufmerksam machen. Die östlichen Nachbarn Deutschlands wirken jedoch nervös. Wie wird sich dieser Entschluss auf das Verhältnis zu Polen, Tschechien und der Slowakei auswirken? Die Vergangenheit zeigte, dass vor allem Polen empfindlich auf Aktionen, die im Zusammenhang mit dem Bund der Vertriebenen stehen, reagierte. Vielleicht veröffentlicht das polnische Magazin „Wprost“ ja eine bissige Karikatur. Zum Beispiel Frau Steinbach mit Hakenkreuz-Armbinde.