Dass es nach dem Krieg sicherlich auch im Westen Momente gegeben hat, in denen Kriegsverbrechen geschahen, darf man nicht leugnen. So geht es zu in Kriegs- und Krisengebieten. Man kriegt das nie unter Kontrolle. Deshalb ist Krieg ja so unmenschlich. Er macht alle zu Wesen, denen die Menschlichkeit abhanden kommt. Nur sind diese Eskapaden manchmal Produkt der Szenerie. Die Nazis waren aber nicht Opfer von Kriegseindrücken, sondern haben diese Szenerie selbst aufgezogen. Wenn ich als GI einen Wehrmachtssoldaten in Rage erschoss, dann war das Angst und vielleicht auch Rache - wenn Menschen dauerhaft im Blut waten, kommen solche Reaktionen zustande. Aber Menschen auf einem Fließband zur Vernichtung zu bringen, das ist schon eine ganz andere Liga und überhaupt nicht vergleichbar. Das ist nicht mal ein Vergleich zwischen Äpfel und Birnen, sondern eher so einer zwischen Odenwälder Äpfel und Mondkratern auf dem Marsmond Deimos.
Am Ende des Lehrstücks sagt Steinbach dann, dass solange es noch Überlebende des Holocausts gibt, es schwerfallen wird, eine allgemeingültige Definition der damaligen Ereignisse zu erwirken. Direkter gesagt klingt das so: Diese Holocaust-Überlebenden machen ihrer Definition von den Befreiern, die nicht befreiten, einen dicken Strich durch die Rechnung. Sie könnten nämlich widersprechen. Und tun dies im Regelfall auch. Die Überlebenden mögen nicht immer einverstanden gewesen sein mit dem, was die Befreier getan haben. Aber sie fühlten sich trotzdem befreit und in Sicherheit. Bei aller Kritik an den Alliierten und ihrer (späteren) Politik muss man das anerkennen. Sie waren sicherlich auch überfordert mit den Massen ausgemergelter Gestalten, die ihnen begegneten und wussten nicht immer, wie sie reagieren sollten. In »Band of Brothers«, eigentlich eine Verherrlichung der Kameradschaft unter Soldaten, gibt es eine treffliche Szene, in der die US-amerikanischen Befreier die Gefangenen zurück in ein Lager drängen und die Tore schließen. Die ausgehungerten Gestalten erspähten Lebensmittel und hätten sie sich auf sie gestürzt und in sich hineingestopft. Aber ihre Körper wären kollabiert so unterernährt wie sie waren. Die Aktion wirkte unglücklich und die Gefangenen mögen kurzzeitig gedacht haben, dass da die Nachfolger der Nazis wüten. Aber exakt so war es dann eben nicht.
Steinbach vermengt einfach Ereignisse und Motive. Und sie hadert, weil die Überlebenden die Objektivität vermissen lassen und ihre steilen Thesen nicht so stehen lassen. Dieses Interview wurde veröffentlicht, aber kaum jemand nahm davon Notiz. Das ist einerseits gut, denn das zeigt, wie unbedeutend diese Frau mittlerweile geworden ist. Dass man jemanden mit solchen Ansichten den Polen vor die Nase setzte, ausgerechnet jenem Volk, das so fürchterlich gelitten hat unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, zeigt aber nur, mit welchem Taktgefühl die deutsche Politik in Europas Porzellanladen stolziert.
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