Steffen Kverneland: Munch. Graphic Novel

Zu Edvard Munch passt diese Skizze der norwegischen Jazz-Sängerin Silje Nergaard, skizziert in Wien, 2011.

Zu Edvard Munch passt diese Skizze der norwegischen Jazz-Sängerin Silje Nergaard, skizziert in Wien, 2011.

Eine anspruchsvolle Graphic Novel über einen Maler – in diesem Fall Edvard Munch – kann nicht einfach sein Leben von der Geburt bis zum Tod erzählen, das ist klar. Steffen Kverneland, der Autor und Zeichner, beginnt daher mit einem ausführlichen Gespräch zwischen sich und seinem Freund Lars Fiske, in dem die beiden die Idee zu der Graphic Novel entwickeln. Sie soll praktisch nur mit Texten von Munch und seinen Zeitgenossen versehen sein, aber keine „fiktiven“ Texte enthalten. Die „Handlung“ ist in drei, vier Schwerpunkte gegliedert, die nicht unbedingt chronologisch ablaufen müssen.

So sieht man Munch zunächst in Berlin, wo er in der Berliner Bohème verkehrt, sich dem Alkohol ergibt, mit allerlei Freunden aus Skandinavien, allen voran mit August Strindberg, Nächte durchdiskutiert und durchsäuft, dazwischen „Weibergeschichten“ anfängt, wenn auch eher glücklos, mit der Tante, die ihm Mutter-Ersatz ist, korrespondiert und: malt, malt, malt. Seine Ausstellungen geraten zu Skandalen, von Kunst-Insidern werden sie allerdings hymnisch gefeiert.
Die Handlung springt dann nach Oslo zu den Anfängen seiner Malerei, wo das Gemälde „Das kranke Kind“ (von dem es, wie von vielen anderen, mehrere Versionen gibt) im Mittelpunkt steht. Er selbst ist auch ständig krank, entwickelt aber dennoch eine zähe Natur, sodass er schließlich ein hohes Alter erreicht. Sein Vater wurde nach dem frühen Tod der Mutter zu einem bigotten Frömmler, der ob der freizügigen Lebensweise seines Künstler-Sohnes schier verzweifeln will. Erst als Edvard die Nachricht vom Tod des Vaters erreicht, bedauert er, nie ein besseres Verhältnis zu ihm aufgebaut zu haben.
Lars Fiske und Kverneland tauchen zwischendurch immer wieder auf, zum Beispiel besuchen sie den Strand, wo Munch jahrzehntelang in einer Hütte den Sommer verbrachte und viel malte, unter anderem eine ganze Serie von Bildern, die einen „Lebensfries“ bilden sollten. Gelegentlich sind die beiden auch in Fotos zu sehen, in die Sprechblasen eingezeichnet sind.
Ein großer Abschnitt ist Munchs Aufenthalt in Paris gewidmet, ein weiterer großer Abschnitt der Entstehung des berühmtesten Gemäldes, des „Schrei“.
Munchs Werke sind natürlich auch immer wieder ganz oder in Ausschnitten zu sehen, und zwar in der zeichnerischen Darstellung durch Kverneland, die immer sehr gut gelungen ist.

Drei Ebenen
Auch die Figuren sind interessant gestaltet. Es gibt nämlich sozusagen drei unterschiedlich gezeichnete Ebenen:
Die Gegenwart mit Kverneland und Fiske, die mit feinem, geschmeidigem, realistischem Strich gezeichnet ist, aber oft auf Farbe verzichtet.
Den alten Munch, der sozusagen über sein Leben spricht und in dieser Form ganz realistisch, aber nur in Grautönen, gemalt ist.
Und schließlich die Hauptsache: der Ablauf des Lebens Munchs, der in einer eckigen, fast kubistischen Manier gezeichnet und großteils sehr kontrastreich in Braun-, Blau- und Rottönen koloriert ist. Es ist hier erstaunlich, wie expressiv diese eckigen Gestalten werden, und wie leicht erkennbar sie trotzdem sind. Munch selbst ist an seinem gewaltigen Kinn sofort identifizierbar, doch auch die anderen Figuren haben typische Merkmale, an deren sie leicht erkannt werden können. Ein expressives, der Handlung entsprechend häufig überhitztes Minenspiel prägt die Gesichter.
Gewisse comic-typische Dinge wie Geräuschwörter oder Bewegungslinien gibt es dagegen praktisch nie, sehr wohl aber „Wut-Zeichen“ in Sprechblasen, wenn es einmal turbulent hergeht.

Auch wenn sich das ganze natürlich nicht so flott liest wie ein Asterix-Heft, weil es sich um eine viel gewichtigere Sache handelt, ist das ein überaus gelungenes Werk.

Steffen Kverneland: Munch. Avant-Verlag, Berlin, 2013. 280 Seiten.



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