Stefan Luft: Die Flüchtlingskrise

Von Buchwolf

Angesichts der unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Reaktionen auf die vielen Flüchtlinge, die nach Österreich und Deutschland strömen, wollte ich mir ein wenig Hintergrundwissen verschaffen und las das jüngst erschienene Bändchen „Die Flüchtlingskrise“ von Stefan Luft aus der Reihe C. H. Beck Wissen.

Nach diesen 120 Seiten bin ich zwar noch lange kein Experte, aber immerhin um einige Eindrücke reicher:

Dschungel an Zuständigkeiten

Es gibt international, EU-intern und innerstaatlich eine geradezu unüberschaubare Menge an Institutionen, Regelungen und Maßnahmen im Zusammenhang mit Flüchtlingen und Migranten. Sie alle sind als Reaktion auf eine jeweils vorhandene Flüchtlings-Situation entstanden und führen offenbar zu einem Dschungel an Zuständigkeiten, der schwer zu entwirren ist. Ein Flüchtling, der nach Deutschland kommt (das Büchlein berücksichtigt praktisch ausschließlich die Verhältnisse in Deutschland, Österreich wird nur gelegentlich am Rande erwähnt), muss darauf vertrauen, dass er dort korrekt behandelt wird, denn er kann unmöglich wissen, welche Rechte und Pflichten er gemäß der vielen Regelungen eigentlich hätte.

Der Staat sollte eigentlich die Flüchtlingsströme bearbeiten und betreuen, er wird darin aber von vielen nichtstaatlichen Organisationen und Privatleuten unterstützt. Das führt zu einer paradoxen Situation: Im Chor öffentlicher Meinungsäußerungen übertönen die nichtstaatlichen Stimmen die des Staates, der aber eigentlich die Hauptstimme haben sollte. Stattdessen äußern sich Parteien aller Couleur, NGOs, Kirchen, etc. lautstark und oft kritisch gegenüber dem Staat.

Behörden unterbesetzt

Die Behörden, die sich mit den Flüchtlingen befassen, sind überfordert, da sie zu wenig Personal und zu wenig Geld haben. Das mangelnde Personal ist das Hauptproblem, denn auch wenn es aufgestockt wird, dauert es einige Monate, bis die neuen Mitarbeiter eingeschult sind und ihre schwierigen Aufgaben adäquat erledigen können.

Trotzdem hier bleiben

Deutschland bietet Flüchtlingen sehr gute Chancen, im Land bleiben zu können, sogar dann, wenn ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Denn der Flüchtling kann – auch hier wohl nur mit Unterstützung – gegen Bescheide Berufung einlegen oder Klage erheben, was zu Aufschub führen kann. Und sogar rechtswirksame Abschiebe-Bescheide werden oft nicht exekutiert, weil kein Personal da ist, das den Flüchtling abschieben könnte.

Das sind nur einige Aspekte. Sehr angenehm ist die Sachlichkeit und Objektivität, mit der der Autor – wie es für einen Wissenschaftler selbstverständlich ist – die Flüchtlingsproblematik behandelt.

Ergänzt wird der Band – ebenso selbstverständlich – durch ein Abkürzungsverzeichnis (wichtig angesichts der Fülle wenig geläufiger abgekürzter Bezeichnungen!), ausführliches Literaturverzeichnis und Register.

Nominalstil

Die Lektüre wurde leider durch den extremen Nominalstil des Autors erschwert. (Als Dozent an der Uni Bremen kann er wohl nicht anders…) Da hätte dem Buch ein gutes Lektorat sehr genützt, um es breitenwirksamer zu machen. Breite Wirkung hätte es nämlich verdient, da wohl nicht wenige Menschen in einer ähnlichen Lage wie ich sind und einen knappen und schnell aufnehmbaren Einblick in die „Flüchtlingskrise“ bräuchten.

Stefan Luft: Die Flüchtlingskrise. Ursachen, Konflikte, Folgen. C. H. Beck, München, 2016. Reihe: C. H. Beck Wissen. 128 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Sprachkurs für Flüchtlinge. Illustration, Tuschestift, 2015.