In meinem Artikel über Heyms “Lassalle” habe ich ja bereits auf dieses Buch hier hingewiesen.
Kaum Jemand kennt den Namen Karl Radek heute noch; er wurde im Stalinismus aus den Geschichtsbüchern gestrichen.
So wie Trotzki in der unter Stalins Ägide redigierten “Geschichte der KPdSU” nicht einmal erwähnt wurde, obwohl er der Oberbefehlshaber der Roten Armee war, war Radek Mitglied des Zentralkomitees der Partei und wird (wurde) nicht mehr erwähnt, wenn es um die Geschichte der Sowjetunion geht.
Vielleicht idealisiert Heym (wie im Wikipedia-Artikel angemerkt) tatsächlich die Figur des unsteten Karl Radek; aber scheint es mir, als würde das Buch das Flair der revolutionären Begeisterung einer ganzen hoffenden Generation ausdrücken.
Stefan Heym folgt in diesem … Roman den Spuren einer der schillernsten Gestalten der Dritten Internationale: Karl Bernhardowitsch Radek, in Polen geborener Jude, leidenschaftlicher Revolutionär und glänzender Journalist, Kommunist und Politiker von ganz eigenem Charisma, Weggefährte Lenins und Opfer der Moskauer Schauprozesse 1937. Aus dem Klappentext
Heym beschreibt unter anderem, dass Radek das Skript zu seinem Schauprozess selbst schreibt; also die Texte, die sowohl der Staatsanwalt(!) als auch er und die anderen Angeklagten zu reden haben. Das ist tatsächlich bezeugt. Wenn das nicht so abgrundtief traurig wäre, könnte man lauthals darüber lachen, dass der Angeklagte dem Staatsanwalt den Text schreibt, weil ihm dessen Anklage lächerlich vorkommt. Ich glaube, dass Ryklin darüber schrieb.
Es ist schwer zu sagen, was Stefan Heym dazu bewogen hat, sich der Figur Radek literarisch anzunehmen; aber ich vermuten, dass ihn die Konstellation gereizt hat, dass Radek in mehrfacher Hinsicht immer ein Außenstehender war: er war Jude, er war Pole und Kommunist (und damit in der gleichen Partei wie Rosa Luxemburg, mit der ihn eine gewisse Hass-Liebe verband), er war Jemand, der die Wahrheit auch dann aussprach wenn es nicht opportun schien, dies zu tun. Ich vermute, dass Heym einige Parallelen zwischen seinem und dem Lebenslauf Radeks sah (mit dem Unterschied, dass Heym das Glück hatte, alt zu werden). Aber ein Leben gegen die “eigenen Leute” war Stefan Heym so bekannt wie Radek; die langen Reisen und Fluchten verbinden Radek und Heym wie die politische Einmischung und die Kraft der Sprache.