"Der Schuster verspricht dem Dorf einen Brunnen, wenn er zum Bürgermeister ernannt wird", fasst Amitz Dulnikker den Stand der Demokratisierungsbemühungen in Kimmelquell auf Seite 64 der 72er Ausgabe von Ephraim Kishions Klassiker "Der Fuchs im Hühnerstall" zusammen. "Aber in den Bergen gibt es unterirdisch doch keinen Tropfen Wasser", wendet ein Kleingläubiger ein. Vergebens. Dulnikker, von Kishon angelegt als geschwätziges, selbstbezogenes Abziehbild eines altgedienten Politikers, hat so viel von der Welt und vom Leben mitbekommen, dass er weiß, das eines nichts mit dem anderen zu tun hat: "Meine Herren, er verspricht nicht Wasser, er verspricht einen Brunnen!"
Es geht darum, die Demokratie denen zu bringen, die glaubten, sie könnten ohne sie auskommen. Angesiedelt im Israel der 60er Jahre ist Kishons Miniatur in ihren schönsten Momenten aussagekräftig bis in die Gegenwart. Etwa, wenn der provisorische Dorfrat, vom im kleinen Kimmelquell zur Kur weilenden Großpolitiker Dulnikker als Reaktion auf den regierungslosen Zustand begründet, zusammenkommt, um die Zukunft zu beraten. "Da wir nun die Machtbefugnisse des Bürgermeisters definiert haben", leitet der erfahrene Verwaltungsmann Dulnikker die erste Sitzung ein, "können wir zur Klärung der Einzelheiten fortschreiten."
Die erste Frage eines Dorfratsmitgliedes, das die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat, lautet nun natürlich "Ich wollte schon lange fragen - wozu brauchen wir einen Bürgermeister?"
Um eine Antwort ist der Sitzungsleiter aus der Hauptstadt keinen Moment verlegen. "Eine der Pflichten des Bürgermeisters wird es sein, die Einhebung von Steuern zu planen und zu überwachen". Die gegenwärtiger Laxheit auf diesem Gebiet, es gibt in Kimmelquell nämlich keinerlei Steuern und Abgaben, könne nicht so weitergehen. "Jeder Bürger des Dorfes muss nach Maßgabe seiner Mittel zum Budget beitragen."
Die böse Frage folgt auf dem Fuße. "Wozu brauchen wir ein Budget?", fragt der Frager von vorhin. Dulnikker versteht das nicht. Man könne mit dem Budget doch "etwas bauen". Genau, findet die Frau des Bürgermeisters de facto, die schon gut zurechtkommt mit der neuen Würde: "Ich schlage vor, ein Büro für den Bürgermeister zu bauen."
Der Schuster aber ist selbstverständlich für seinen Brunnen. Im Rahmen eines Arbeitsbeschaffungsprogrammes, so glaube er, könne das Bohren eines Brunnens die Beseitigung der Arbeitslosigkeit im Dorf möglich machen.
Nun fragt Dulnikker, die Verhältnisse noch nicht so gut kennt. "Wie hoch ist denn die Zahl der Arbeitslosen im Dorf?
Es gibt keinen, bescheiden ihn die Räte de facto, keinen einzigen. So dass nun die große Frage steht: "Wie können wir Arbeitslosigkeit im Dorf schaffen?"
Die Logik ist zwingend, auch bei der Frage, wie die notwendigen Mittel hereinkommen sollen. Weil die Räte de facto die Steuern, die sie beschließen, nicht gern selbst zahlen wollen müssen, sind sie sich schnell einig: Steuern soll nur der bezahlen müssen, der einen dreitürigen Kleiderschrank besitzt. Weil das aber niemand ist, wird eine spätere Zusammenkunft die Steuerschätzung erfinden: "Es kommt schließlich nicht darauf an, wer einen Kleiderschrank hat", erläutert der Staatsmann aus der Hauptstadt, sondern darauf, "wer einen solchen haben könnte".
Da alle im Dorf gleich reich sind, werden zwölf Steuerpflichtige per Losentscheid ermittelt, Als diese sich mit Rufen wie "Wer braucht hier einen Dorfrat" und "Was für ein Schrank" weigern, zu zahlen, findet sich schnell eine Ausgabemöglichkeit für die Einnahmen, die es noch gar nicht gibt: Ein Polizist muss her, der den Willen der Staatsmacht durchsetzt. Die Demokratie, sie ist auf einem guten Wege in Kimmelquell. Bald wird der Ort eine Kulturhausruine bekommen, es wird verheerende Wahlkämpfe geben, Gewalt und Korruption. Ganz zum Schluß weiß auch der weise Kishon nicht mehr weiter. Er lässt eine Sturmflut alles wegspülen.