"Bitte warte auf die guten Gedanken und dann halte den Kopf still, damit sie nicht verwackeln"
Huch, Lyrik! Und dann auch noch so gegenwärtig gegenständlich. Staring Girl aus dem Norden Deutschlands (Hamburg, Kiel) sagen was sie denken und musizieren geschickt darum herum. Hat da jemand Kettcar gesagt? Oder Gisbert zu Knyphausen? Oder Moritz Krämer? Oder...? Wieder so eine schluffige Indie-Combo, die auf den Zug des melancholischen Popsongs aufspringt, ganz ordentlich aussieht und dabei Musik macht, die gleichermaßen nachdenklich und aufrüttelnd klingt?
Staring Girl können da doch schon eine ganze Menge mehr. Zum einen schmiegen sich die kleinen Songs wie Handschmeichler ganz nah an eigene Gewohnheiten heran und Sänger Steffen Nibbe mit dem, ja was wohl, zu-Knyphausen-Timbre durchleuchtet Regen und Nacht um eng und dicht heranzukommen, an die schon erwähnten guten Gedanken. Die bösen Worte stehen hinter seinen Zähnen schließlich Schlange, denn Nibbe ist keiner von den plaktiven Predigern, er ist realisitischer Feingeist und genau davon handeln auch die zehn kleinen Alltagsgeschichten auf "7 Stunden und 40 Minuten", die Anfang des Monats bei K&F Records eingefangen worden sind.
Momente, besser eingefangen als auf jedem Instagram-Schnappschnuss werden zu Geschichten, zu Gedankenspielen, die sich von den behaglichen Folk- und Alt-Country-Elementen im Indiepop der Hamburger Musiker einwickeln lassen. "Machen, tun, bewegen und eine Reihe Rücken am Tresen" heißt es in "Vorhänge" dass hiermit genau so ein Bild bereit hält sich genauso echt und realistisch anfühlt, wie es gemeint ist. Da werden "Cornflakes mit Milch" zum Symbol für Rhythmus und Melodie des Alltags, wieder ein Frühstück, wieder ein Tag, wieder zahlreiche Momente, unzusammenhängend und doch passend.
Staring Girl wagen sich allerdings kaum aus ihrem kleinen Diorama heraus. Manchmal möchte man Nibbe schütteln, am Schlaffittchen packen und ihm beim sich ewigen Zuhören stören: doch dann taucht auf einmal ein verhaltener Männerchor auf, "Vorhänge" wird zum beseelten Country-Shanty und lässt "7 Stunden und 40 Minuten" für einen kurzen Augenblick die Handbremse lösen. Doch schon beim folgenden "Mann Im Zimmer" fangen sich Musik und Sänger wieder, der schunkelnde Unterton verschwindet und die für einen Moment aufgerissenen Vorhänge schließen sich für mehr Intimität, die erneut tröstet und gut tut.
Es ist kein lautes und aufregendes Album geworden, trotz der etwas unruhig startenden ersten Single "Türgriff abgebrochen" und doch ist es von einer filigranen Spannung durchzogen, die von der ebenso behutsamen, jedoch genauso interessanten Instrumentierung unterstützt wird. Wenn, wie in "Kaltes Haus" erst ein beseeltes Akkordeon für Stimmung und dann die jangelnde Gitarre für Gefühl sorgt oder die zarten Mundharmonikatöne in "Jeder Geht Allein" einen schütteren Americana-Moment hervorzaubern.
Wahrscheinlich war der lyrische Einstieg bei Nibbe und seinen Mannen Programm: Hier wackelt nichts und somit ist "7 Stunden und 40 Minuten" voll von lyrischen, behaglichen, angehnehmen, einnehmenden und vor allem guten Gedanken.