Eine Gesellschaft, deren wirtschaftliches Betriebssystem auf der ungleichen Verteilung des Reichtums beruht (derzeit wird auch gern von „ungerechter Verteilung“ gesprochen), kommt auf die verrücktesten Ideen, um den auf diese Weise produzierten Armen und Schwachen zu „helfen“. Je verbissener Privateigentum (nicht nur Villen und private Golfplätze, sondern auch Banken und Produktionsmittel aller Art) geschützt und verteidigt wird, je mehr auf der einen Seite aufgehäuft wird, was denen auf der anderen Seite dann fehlt, desto größer wird der Bedarf an Wohltätigkeit.
Denn irgendwie kann man diejenigen, die auf der Verliererseite stehen, ja nicht einfach verhungern lassen. Wenn man will, dass die Verlierer auch morgen noch brav nach einem Billigjob anstehen, dann muss man ihnen helfen, wenn sie von allein gar nicht weiter kommen. Denn soviel ist inzwischen klar, es trifft nicht nur die Dummen, Faulen oder Schwachen, es trifft zunehmend auch die so genannte Mittelschicht, also die braven Bürger, die sich redlich bemühen und es immer häufiger trotzdem nicht mehr schaffen, den Urlaub, das Auto, das Haus zu bezahlen. Oder die Scheidung. Oder den Krankenhausaufenthalt. Gründe für den Abstieg gibt es immer mehr.
Seit dem Aufflammen immer neuer Immobilien-, Finanz-, Wirtschafts- und überhaupt Krisen seit 2008 hat sich die schon jahrzehntelang zu beobachtende Entwicklung rasant beschleunigt: Der Reichtum sammelt sich bei wenigen ganz oben, immer mehr bekommen gar nichts mehr ab, so sehr sie sich auch bemühen. Selbst hartgesottenen Milliardären wurde diese Entwicklung langsam so peinlich, dass sie beschlossen haben, die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden: Microsoft-Bill und Investment-Warren haben eine Reihe ihrer superreichen Kumpels überzeugt, dabei mitzumachen. Ob und wofür tatsächlich gespendet wurde, ist allerdings weniger bekannt.
Aber man muss kein Milliardär sein, um Gutes zu tun: Derzeit wirbt die größte US-Kaffee-Kette Starbucks für eine besonders originelle Spenden-Aktion: Die Leute sollen für neue Arbeitsplätze spenden! Unter dem Motto Create Jobs for USA können Kunden direkt nach dem Kaffeetrinken in den 6 800 Filialen der Kette und natürlich auch im Internet ihren Beitrag für eine bessere Welt leisten.
Wer mindestens fünf Dollar spendet, bekommt nicht nur ein gutes Gewissen, sondern auch ein schickes Gummiarmband. Das Geld fließt in einen von der US-Regierung zertifizierten Fonds, wo durch die Wunder der höheren Finanzwirtschaft aus den 5 Dollar dann jeweils 35 Dollar gemacht werden. Hoffentlich löst das keine neue Finanz-Krise aus. Und wenn dann auf diese Weise genug Geld zusammen gekommen ist, werden Jobs daraus gemacht. Denn das ist ja, was die Leute vor allem brauchen: Eine Chance, einen schlecht bezahlten Job zu bekommen, damit ihr Leben durch die Würde der Arbeit einen Sinn bekommt.
So sieht die neue Wohltätigkeit aus! Praktisch, quadratisch, wirtschaftlich.
Man fasst es nicht: Jetzt wird nicht mal mehr für arme Negerkinder, niedliche Tierchen oder die Sanierung der Grundschule im sozialen Brennpunkt nebenan gespendet, sondern für Arbeitsplätze! Das ist wirklich verrückt: Wir arbeiten alle zusammen für mehr Arbeit.
Ich brauche überhaupt nicht mehr Arbeit, ich brauche mehr Geld! Und ich wette, dass es den meisten Leuten, ob nun hier oder in den USA, genauso geht. Langsam sollten die Leute doch kapieren, dass dieses System am Ende ist. Occupy Starbucks!