Ständige Meisterpräsenz im Handwerksbetrieb vor dem Aus!

© Jeanne Müller  / pixelio.de

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Ein auch in meiner Praxis nicht ganz seltener (und derzeit höchst aktuell mit dem Vdek diskutierter) Fall: Ein Unternehmen des (Gesundheits-) Handwerks unterhält mehrere Filialen und die Krankenkassen verlangen, dass praktisch in jeder Filiale ständige Meisterpräsenz gewährleistet wird.

Doch diese Vorgabe der Kassen dürfte aufgrund einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 17.07.2013 unter dem Az. I ZR 222/11) zumindest zu disktieren sein, wenn nicht sogar endgültig vor dem Aus stehen.

Es war mal wieder ein Hörgeräteakustik-Unternehmen, welches den Vorreiter gab und die Frage der ständigen Meisterpräsenz durch sämtliche Instanzen prüfen liess – allerdings nicht bzgl. eines Streits mit den Krankenkassen, sondern mit einem Mitbewerber. Beide Parteien sind auf dem Gebiet der Hörgeräteakustik tätig, bei dem es sich nach der Handwerksordnung um ein zulassungspflichtiges Handwerk handelt. Das beklagte Unternehmen betreibt ein Geschäft in Dillingen an der Donau, der klagende Mitbewerber im 26 km entfernten Günzburg, wo auch eine Schwestergesellschaft der Beklagten tätig ist. Die Beklagte beschäftigt in Dillingen einen Hörgeräteakustik-Meister als Betriebsleiter, der gleichzeitig Betriebsleiter im Günzburger Geschäft des Schwesterunternehmens tätig ist.

Wir haben es also in dem Rechtsstreit mit dem Klassiker zu tun, der derzeit von den Krankenkassen nicht gerne gesehen wird – um es mal vorsichtig auszudrücken: 1 Meister ist Betriebsleiter in 2 Betrieben, und diese Betriebe liegen so weit auseinander, dass der Meister nicht in wenigen Minuten von einem Betrieb in den anderen Betrieb fahren kann.

Nach Ansicht des klagenden Betriebes ist die Einsetzung eines gemeinsamen Betriebsleiters für die beiden Betriebe wegen Verstoßes gegen die Handwerksordnung und wegen Irreführung der Kundschaft unzulässig.

Und so sahen das auch noch die Vorinstanzen: Das Landgericht Augsburg und das Oberlandesgericht München hatten die Klage als begründet angesehen, wobei das Oberlandesgericht auf die Irreführung der Verbraucher abgestellt hat und die Frage eines Verstoßes gegen die Handwerksordnung offengelassen hat.

Doch der Bundesgerichtshof hat diese Entscheidung nun aufgehoben und die Klage abgewiesen: es sei weder irreführend noch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Meisterpräsenz nach der Handwerksordnung , wenn der Meister in einem Hörgeräteakustik-Unternehmen nicht ständig anwesend, sondern noch für einen zweiten Betrieb in einer benachbarten Stadt zuständig ist, so die Richter am BGB.

Eine Irreführung scheidet – so der Bundesgerichtshof – im Streitfall aus: Zwar vermittelt ein Unternehmen, das eine Dienstleistung anbietet, dem Verbraucher grundsätzlich den Eindruck, dass die Dienstleistungen in seinem Geschäftslokal während der Geschäftszeiten für Kunden unmittelbar erbracht werden können. Die Verbraucher stellen aber auch die Art der von ihnen nachgefragten Dienstleistung sowie die Üblichkeiten im Geschäftsverkehr in Rechnung. Sie berücksichtigten daher, dass es in bestimmten Bereichen und insbesondere dort, wo die Erbringung der Dienstleistung in Form einer Beratung oder Behandlung längere Zeit in Anspruch nimmt, häufig üblich ist, dass eine solche Beratung oder Behandlung auch dann, wenn das Geschäftslokal geöffnet ist, nur nach vorheriger Terminvereinbarung erfolgt. Sie werden daher nicht irregeführt, wenn die durch einen Meister vorzunehmenden Untersuchungen im Betrieb der Beklagten in Dillingen nur nach Terminabsprache angeboten werden.

Auch einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Handwerksordnung hat der Bundesgerichtshof verneint. Allerdings ist bei Gesundheitshandwerken, von engen Ausnahmefällen abgesehen, für eine Betriebsstätte ständige Meisterpräsenz zu verlangen. Daraus folgt aber nicht, dass der Betreiber eines Hörgeräteakustik-Unternehmens sein Ladenlokal nicht offenhalten darf, wenn der Meister im Geschäftslokal nicht anwesend ist. In dieser Zeit können etwa Termine mit ins Ladenlokal kommenden Kunden vereinbart, Ersatz- und Verschleißteile wie etwa Batterien für Hörgeräte abgegeben und ähnliche Leistungen erbracht werden, die keine Anwesenheit eines Meisters erfordern. Unzulässig wäre es zwar, wenn ein Meister nur ganz gelegentlich in dem Betrieb zur Verfügung stünde, etwa weil er eine Vielzahl von Betrieben oder weit voneinander entfernt liegende Betriebe zu betreuen hätte. So verhält es sich im Streitfall aber nicht. Nach den getroffenen Feststellungen war der Hörgeräteakustik-Meister jeden Tag zur Hälfte im Betrieb der Beklagten in Dillingen und im Übrigen im Betrieb der Schwestergesellschaft in Günzburg tätig und dort ohne weiteres erreichbar.

(Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 222/11)

Es bleibt festzuhalten: die Entscheidung bezieht sich zunächst einmal nur auf das Wettbewerbsrecht und die Handwerksordnung – aber sie liefert die Vorgabe für die Gestaltung einer gesetzeskonformen Meisterpräsenz in zunächst einmal 2 Betrieben durch 1 Meister:

  • Regelmässige Präsenz des Meisters in beiden Betrieben und nicht nur gelegentliche Besuche in einer der Filialen
  • ständige Erreichbarkeit des Meisters durch den Einsatz moderner Kommunikationsmittel

Der Bundesgerichtshof definiert nämlich insoweit den Begriff der “ständigen Meisterpräsenz” nicht als körperliche Anwesenheitspflicht. Und mit dieser Argumentation dürften es auch die Krankenkassen schwer haben, weiterhin für jeden Betrieb ständig einen “Meister vor Ort” zu fordern.

Es bleibt abzuwarten, ob insbesondere die Interessenvertretungen der Gesundheitshandwerke jetzt offensiv auf die Krankenkassen zugehen und verbindliche Regelungen unter Berücksichtigung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes für die Meisterpräsenz einfordern. Vielen Betrieben jedenfalls würde dies helfen, ihre derzeitige Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Und diese Rechtsunsicherheit besteht, wenn man sich mit Blick auf die Meisterpräsenz die Vereinbarung gem. §126 Abs.1a SGB V über das Verfahren zur Präqualifizierung von Leistungserbringern vom 29.03.2010  und die Richtlinien und Empfehlungen des GKV-Spitzenverbandes ansieht.

Photo: www.pixelio.de


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