Kriminalpräventive Grünanlage oder gefährlicher Wildwuchs?
Stadterneuerung als Aufstandsbekämpfung und polizeitaktische Sanierungsmaßnahmen gelten eigentlich als Themen der historischen Stadtforschung: Im 19. Jahrhundert ließ Baron Haussmann breite Magistralen durch die Pariser Armutsquartiere schlagen um den Einsatz von Kanonen in der Stadt zu ermöglichen. Eine Stadtplanung nach militärisch-polizeilichen Vorgaben von Sichtachsen und Kontrollräumen schien seither der Vergangenheit anzugehören.
Schien. Denn wie die Hamburger Bürgerinitiative „Projektgruppe Stadtnatur“ zusammengetragen hat, versucht sich die Hamburger Polizei unter dem Stichwort der kriminalpräventiven Stadtplanung „verstärkt und strukturiert in die stadtplanerische Arbeit einzubringen“. Statt ganze Viertel zu planieren geht es heute erst einmal um die Begrenzung der städtischen Vegetation:
Die Polizei Hamburg beteiligt sich nach eigenem Bekunden seit mehreren Jahren „strukturiert“ und „regelhaft“ an der Stadtplanung in Hamburg. Aus kriminalpräventiven Gründen ist sie offenbar an einer Ausräumung von Bäumen, Sträuchern und Hecken aus dem öffentlichen Raum interessiert. Der seit einigen Jahren unbemerkt durchgeführte Einsatz von fliegenden Überwachungs-Drohnen in Hamburg könnte diese Bestrebungen zur „Entlaubung“ der Stadt noch verstärken.
Bereits seit 2001 verfolgt die Hamburger Polizeibehörde einen gezielten Kahlschlag von Grünanlagen. Im Handlungskonzept zur Verbesserung von Sicherheit und Sauberkeit werden unter anderem „strukturverbessernde Maßnahmen im Straßenbegleitgrün“ vorgeschlagen um die Sicherheit in der Stadt zu erhöhen.
Auch nach dem Ende des Schill-Sanats wurde diese Politik fortgesetzt. Im Polizeibericht 2009 skizzieren Michael Jasper und Michael Lehmann – beim LKA für Prävention und Opferschutz bzw. für die kriminalpolizeiliche Beratungsstelle zuständig – unter dem Titel „Sichere Stadtgestaltung. Kriminalprävention“ (S.88-93) wie eine Haussmann-Strategie in der Version des 21. Jahrhunderts aussehen könnte. Begründet mit der „Broken-Windows-Theorie“ (Wilson/Kelling 1982) und ausgestattet mit den umstrittenen Konzepten des „Defensible Spaces“ (Newman 1972) will auch die Hamburger Polizei „Tatgelegenheiten“ städtebaulich reduzieren. Die polizeilichen Stadtplanung beschränkt sich dabei offensichtlich nicht auf die öffentlichen Räume. Im Text heisst es:
Mit der städtebaulichen Prävention werden verantwortlichen Stadtplanern und Architekten der Kommunen und der freien Wirtschaft Empfehlungen und Vorschläge der Polizei zu geeigneten Präventionsmaßnahmen unterbreitet.
Rudolf Sergel, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Umwelt der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte hat einige der polizeitaktischen Aspekte der Hamburger Grünflächenplanung zusammengetragen und einer kritischen Bewertung unterzogen: „Von sozialen Freiräumen und ökologischen Funktionsflächen zu Arealen staatlicher Kontrolle?„