Die Stadtversammlung der kreisfreien Stadt Cottbus hat beschlossen, die Gutscheine zum ersten Januar 2012 abzuschaffen und
Bargeld auszuzahlen!
Jetzt gibt es nur noch drei Landkreise, die weiter auf Gutscheinen bestehen. Unter anderem Hardliner Schröter in Oberhavel.
Dazu ein Offener Brief von Verdi an Landrat Schröder – Oberhavel
Umgang mit Asylbewerbern im Landkreis Oberhavel
Sehr geehrter Herr Landrat Schröter,
der ver.di Ortsverein Oberhavel im Bezirk Potsdam-Nordwestbrandenburg hat am 20. Oktober beschlossen, Ihnen diesen offenen Brief zu schreiben.
Die Gewerkschaftsmitglieder im Landkreis Oberhavel fordern Sie hiermit unmissverständlich auf, unverzüglich allen Asylbewerbern im Landkreis die vom Gesetz vorgesehenen Leistungen komplett in Bargeld auszuzahlen, die derzeit noch in Wertgutscheinen ausgereicht werden und nicht länger die Politik der diskriminierenden Gutscheine fortzusetzen. Weiterhin fordern wir Sie auf, wo nötig, auch durch die Kreisverwaltung den Asylbewerbern Hilfestellung zu leisten, um die Anträge aussichtsreich zu formulieren.
Wir Gewerkschafter nehmen seit mehreren Monaten wahr, dass Asylbewerber immer wieder auch vor der Kreisverwaltung gegen Ihre Gutscheinpolitik protestieren und unterstützen diese Proteste ausdrücklich. Der Kreistag hat Sie am 22. Juni 2011 aufgefordert, vom diskriminierenden Prinzip der Gutscheinpolitik abzugehen und die Leistungen bar auszahlen zu lassen.
Statt zu akzeptieren, dass die Abgeordneten eine gute und wichtige Entscheidung getroffen haben und diesen Beschluss umzusetzen, beanstanden Sie den Beschluss, weil Sie den Kreistag in dieser Sache für Unzuständig erklärten und hebeln den Willen der Abgeordneten aus. In einer politisch brisanten Sache den Willen des Kreistages mit solchen Begründungen aushebeln zu wollen sind, verehrter Herr Landrat, billige Taschenspielertricks, die nichts mit dem Legalitätsprinzip der Verwaltung zu tun haben.
Spätestens mit einer raschen Umsetzung des Beschlusses hätten Sie wirkliche Führungskompetenz gezeigt und gleichsam ein wichtiges politisches Signal an die betroffenen Menschen ausgesendet. Die Umstellung von diskriminierenden Gutscheinen auf Bargeld stellt keine Zusatzbelastung für den Haushalt des Kreises dar. Es geht hier schlicht darum, wie viel Menschlichkeit bringen wir Menschen entgegen, die hier auf die Bescheidung ihres Antrages – teilweise jahrelang – warten.
Selbst das Sozialministerium des Landes Brandenburg hat Ihnen mitgeteilt, dass einer Bargeldauszahlung rechtlich nichts im Wege steht, wenn der Landkreis seinen Ermessenspielraum ausschöpfen will.
Auch die Bitte des Parteivorsitzenden der SPD, Herrn Gabriel, an Sie, stieß auf Ablehnung. So wie in Oberhavel mit Asylbewerbern umgegangen wird, darf man nicht mit Menschen umgehen, Herr Schröter. Ihr Verhalten ist dazu geeignet, dass sich Asylbewerber auch bei uns diskriminiert und ausgegrenzt fühlen. Sie als höchster Repräsentant des Landkreises Oberhavel haben die Pflicht gegen solche Ausgrenzung und Diskriminierung Ihre Stimme zu erheben.
Wir fragen Sie ganz direkt: Können Sie sich überhaupt vorstellen, was es bedeutet, mit Wertgutscheinen in zugewiesenen Geschäften einzukaufen? Nicht alle Produkte kaufen dürfen, die Sie benötigen und an der Kasse, nach dem Sie bereits von anderen Kunden beäugt wurden, auch noch Verlust zu machen, weil sie Differenzen nicht vollständig als Wechselgeld erstattet bekommen und dass Gutscheine, die sie im zugewiesenen Zeitraum nicht ausgegeben haben auch noch verfallen? Reden Sie mit den Menschen, reden Sie mit den Asylbewerbern und machen sie sich ein reales Bild von deren Lage, statt Entscheidungen fern jeder Lebenswirklichkeit zu treffen.
Leider haben Sie bislang lieber die regelmäßigen Proteste in Kauf genommen und ließen mitunter sogar hochgerüstete Polizei vor dem Amtssitz aufmarschieren, als ob von den Protestierern eine Gefahr für Leib oder Sachen ausgehen würde. Schämen Sie sich wenigstens im Nachhinein dafür?
Warum ist es noch immer nicht möglich, im Sinne von mehr Menschlichkeit in Oberhavel umzusteuern und unkompliziert Bargeld auszuzahlen, obwohl es einen weiteren Beschluss des Kreistages hierzu vom 28. September gibt? Wenn Vizelandrat Hamelow sich dann auch noch zu dem Thema äußert kommt beim interessierten Bürger der Verdacht auf, in Oberhavel ist die Führung des Landkreises nicht nur ignorant und weltfremd sondern verhöhnt die Menschen auch noch obendrein. Wie ist sonst zu erklären, dass Herr Hamelow (CDU) sich auf das Bundesbankgesetz beruft und sagt, die Ausgabe von auf einen Monat befristet gültigen Gutscheinen ist im Sinne der Stabilität des Euro. Wenn das kein Hohn ist, ist es Dummheit.
Ist es Zufall oder politische Kontinuität, wenn der langjährige ehemalige Vizelandrat Ney (CDU) die Öffentlichkeit wissen lässt, dass er auch für Familienzusammenführung sei, aber bitte am Bosporus? Und eben dieser ehemalige zweithöchste Beamte des Landkreises fährt Verschwörungstheorien auf, dass „Multikulti“ die bürgerliche Gesellschaft stürzen will und jeder abgelehnte Asylantrag wieder einen reinen Wirtschaftsflüchtling entlarvte.
Neben der Auszahlung von Bargeld statt Gutscheinen erwarten die Gewerkschafter in Oberhavel von Ihnen, Herr Schröter, dass Sie die Asylpolitik – und auch die Abschiebepolitik in Oberhavel überdenken und im Sinne von mehr Menschlichkeit neu ordnen. Sie haben viele Handlungsspielräume, die sie eröffnen können, wenn Sie es wollen. Der notwendige Ermessenspielraum für eine Bargeldentscheidung ist Ihnen spätestens seit der Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1997 gegeben.
Anke Stahl
Vorsitzende des Ortsvereins OberhavelMarco Pavlik
Bezirksgeschäftsführer Potsdam-Nordwestbrandenburg
[übernommen von Flüchtlingshilfe Iran e.V.]