Pilger zählt zu den Journalisten, die diesen Namen verdient haben, denn er sieht es als "seine journalistische Aufgabe" an, "den Menschen zu sagen, wenn sie betrogen oder wenn ihnen Lügen erzählt werden".
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In seinem neuesten Film »The War You Don’t See« (2010) untersucht er kritisch die westliche Medienberichterstattung über den Irakkrieg und den sogenannten »Krieg gegen den Terror« in Afghanistan. Pilger umschreibt das Thema des Films mit zwei Fragen: »Was ist die Rolle der Medien in Kriegen, die aus Habgier geführt werden, wie in Irak und Afghanistan? Warum rühren so viele Journalisten die Kriegstrommeln, ohne die Verlautbarungen und Lügen der Regierungen anzufechten?« Um Antworten auf diese Fragen zu erhalten, interviewt Pilger dann die Journalisten, die auch über die besagten Ereignisse berichtet hatten. Und deren Aussagen sind bemerkenswert:
So geht der von Pilger befragte BBC-Journalist Rageh Omaar, der im Frühjahr 2003 vom Fall Bagdads berichtete, hart mit sich selbst ins Gericht: »Ich habe meinen Job nicht richtig erledigt«, sagt er. »Ich bin den unbequemen Fragen nicht konsequent genug nachgegangen.« Auch der BBC-Nachrichtenchefin Fran Unsworth und dem Chefredakteur der britischen Nachrichtensendung ITV News, David Mannion, fühlt Pilger auf den Zahn. Beide geben zu verstehen, dass die vorherrschende journalistische Praxis es von ihnen verlange, die Meinungen der Eliten in den Vordergrund zu stellen. In einer der Schlüsselszenen des Films entlockt Pilger dann dem berühmten amerikanischen CBS-News-Nachrichtensprecher Dan Rather eine brisante Aussage: Der Krieg hat »Stenografen aus uns gemacht«, sagt Rather. »Hätten die Journalisten die Täuschungen hinterfragt«, erklärt Rather gegenüber Pilger weiter, »dann hätte die Invasion im Irak nicht stattgefunden.«
Herr Pilger, eine der charakteristischen Eigenschaften Ihres Journalismus ist es, dass Sie in Ihrer Berichterstattung die Urheber der Verbrechen und des menschlichen Leids namentlich benennen und beweisen. Sie haben oft die Außenpolitik westlicher Regierungen wie USA, Großbritannien oder Australien kritisiert. Dennoch wollen viele Menschen in der westlichen Welt nicht glauben, dass Demokratien wie die USA, Großbritannien oder Deutschland im Rahmen ihrer Außenpolitik schwere Verbrechen begehen. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum es in der westlichen Kultur so schwerfällt, Staatsverbrechen westlicher Regierungen auch als solche zu benennen?
Wir im demokratischen Westen sind gut darin trainiert, unsere Regierungen als wohlmeinend und »außergewöhnlich« zu betrachten, besonders die Amerikaner. Wenn wir die jüngste Vergangenheit Europas sowie Amerikas Eroberung des eigenen Landes betrachten, ist das ein bemerkenswerter Mythos. Lesen Sie die Dokumentation im Werk des amerikanischen Historikers William Blum: Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die USA fünfzig Regierungen gestürzt und zerschlagen, darunter viele Demokratien, und zahlreiche Befreiungsbewegungen zerstört. Denken Sie allein an Lateinamerika. Die Verbrechen sind keine Ansichtssache, sondern sind in Statuten in internationalen Gesetzen festgehalten, niedergelegt bei der UN, in Genf, Den Haag und natürlich Nürnberg. Doch sich über internationales Gesetz hinwegzusetzen ist das selbst verliehene göttliche Recht der Mächtigen, so zu handeln, wie sie wollen. Sofern Journalisten nicht Stenografen dieser Macht sind, haben sie, wie ich bereits sagte, die Pflicht, den Spiegel vorzuhalten und jene Geschichten zu entwirren, die unseren Lesern und Zuschauern sonst nicht erzählt werden, die niemals zu Schlagzeilen werden und die in einem sich selbst dienenden Mythos zugedeckt werden.
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Wegen Ihrer Kritik an westlichen Staaten sind Sie als »subjektiver« Journalist bezeichnet worden. Wie begegnen Sie einer derartigen Kritik?
Wir sind alle subjektiv, Wissenschaftler und Mathematiker eingeschlossen. Jedoch ist es meine Erfahrung, dass diejenigen, die mir abwertend das Label »subjektiv« aufdrücken, gewöhnlich ihre eigene ausgeprägte Subjektivität verbergen oder nicht erkennen können. Das Gleiche gilt für diejenigen, die ständig »Ausgewogenheit« preisen; ausnahmslos verstecken sie ihre eigene Unausgewogenheit oder sind sich ihrer nicht bewusst.
Die Ursache dafür ist, dass der überwiegende Teil des institutionellen Journalismus an einem etablierten Konsens festhält – der die Prioritäten des Staates mit umfasst – und deshalb sehr voreingenommen und, wenn Sie so wollen, »unausgewogen« ist. Wer sich weigert, zu dieser Mediengöttlichkeit zu stehen, ist ein Ketzer – doch eigentlich sprechen diese Ketzer die Wahrheit, denn sie sind nicht von den Anmaßungen und Vorurteilen sowie der Disziplin der Institution und deren oft schändlichen Beziehung zum Staat gefesselt. Sie sind die Agenten des Volkes, während institutionelle Journalisten – mit ehrenwerten Ausnahmen – Agenten der Macht sind...