Ach, was hatte die Demokratie doch einst für illustre Feinde. Max Hölz und Hitler, Rudi Dutschke, Andreas Baader. Goebbels, Horst Mahler, Jörg Haider, Jean-Marie LePen, Schönhuber, Egon Krenz, Mielke, Schill und Geert Wilders! Namen wie Donnerhall von rechts und links, Gestalten, gehalten, das Volk aufzuwiegeln, es anzufixen mit den blutroten und bitterbraunen Ideen von soziopathischen Minderlingen, geschickte Demagogen allesamt, marktplatztauglich, hinterlistig, schlau und verbohrt. Doch immer hat die Demokratie entschieden dagegen gehalten. Sie hat sich gewehrt, sie hat sich gereinigt und ist gestärkt aus den Angriffen der Extremisten und Radikalen hervorgegangen.
Nun aber scheint sie doch noch zu scheitern, zumindest in Sachsen-Anhalt, dem westlichsten aller östlichen Bundesländer. Denn der neue Typus des Volksverderbers, der hier als Teufel in Schornsteinfegerfigur auftritt, ist extrem anders, auffällig unauffällig vor allem. Lutz Battke, bis vor vier Jahren ein über die Kleinstadtgrenzen der Gemeinde Laucha hinaus völlig unbekanntes Mitglied der gemeinsamen Stadtratsfraktion von Sportverein BC Laucha 99 und FDP, avancierte kurz vor Weihnachten 2007 zum Medienstar, als Reiner Haseloff, eigener Einschätzung nach der kommende Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt, dem kleinen Schornsteinfegermeisterlein die Kehrgenehmigung entzog. Grund: Battke hatte die Fraktion gewechselt, er saß jetzt für die rechtsextreme NPD im Kreistag.
Seitdem macht der Mann mit der nostalgischen Vokuhila-Frisur Schlagzeilen, indem er gar nichts tut. Zwei Prozesse hat das Landesverwaltungsamt im Auftrag von CDU-Wirtschaftsminister Reiner Haseloff, der vor allem aus Wahlkampfgründen zuständig ist, schon beim Versuch in den Sand gesetzt, den braunen Feger vom Dach zu holen. Die Begründung, Schornsteinfeger sei eine Art Beamtenjob, der besondere Verfassungstreue voraussetze, weshalb ein Berufsverbot dringend geboten sei, trug nur bis zur Tür des Ministeriums.
Zuletzt bescheinigte auch das Verwaltungsgericht Halle dem Wirtschaftsminister noch einmal eine irrige Rechtsauffassung. Die Rechtsstellung und die Aufgaben eines Bezirksschornsteinfegermeisters setzten keine Verfassungstreue voraus, weshalb fehlende Verfassungstreue den Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister wegen Unzuverlässigkeit nicht rechtfertige, entschieden die Richter.
Doch demnächst sind Wahlen im Land, und ein Lutz Battke als Staatsfeind Nummer eins und Symbol für den engagierten "Kampf gegen rechts" (Angela Merkel) ist besser als keins. Haseloff, ein Charismat mit der geheimnisvollen Aura öliger Machinenbauteile, hatte sich nach der erneuten Prozessniederlage vor drei Monaten noch beim Kommentieren vertreten lassen. Jetzt aber ist er wieder da: "Wir finden uns damit nicht ab und haben Berufung eingelegt", sagt er im Wissen, dass er die Prozesskosten ja nicht bezahlen muss. "Der Mann kann sich mit Hilfe der Polizei sogar Zutritt zu Wohnungen verschaffen, in denen vielleicht Menschen mit Migrationshintergrund leben. Da würde ich mich auch bedroht fühlen", so Haseloff, der entschlossen scheint, die Verfassung auch mal zu brechen, wenn er sie damit schützen kann. Haseloff lässt wissen, er hoffe, dass das "konsequente Vorgehen" gegen Battke auch in dessen Heimatort als "klare Ansage" verstanden werde.
Wird es mit Sicherheit - etwa im Sinne von "ihr da in Laucha seid alle rechtsradikal, wir hier in Magdeburg erziehen Euch jetzt mal um". Denn parallel zu den Bemühungen des Landes, sich per Berufungsantrag auch vom Oberverwaltungsgericht noch einmal in die grundsätzlichen Grundrechte einweisen zu lassen, die sich aus dem Grundgesetz ergeben, gilt es, Battke als Fußballlehrer zu eliminieren. Beim BC 99 nämlich arbeitet der braune Feger ehrenamtlich als Jugendtrainer. Im selben Verein aber spielte auch 19-Jähriger, der vor Monaten in Laucha einen israelischen Schüler schlug und als "Judenschwein" beschimpfte, obwohl dessen Bruder auch beim BC 99 kickte.
Nach Ansicht von Rainer Haseloff und den Landesextremismus-Experten Rüdiger Erben und Holger Hövelmann, die beide bei der NVA ausgebildet wurden, eine klare Folge der Training durch F-Jugend-Coach-Battke, der dem 19-jährigen Täter vor 12 Jahren die ersten Fußballschritte beigebracht und dabei den Hass auf alles Fremde injiziert hatte - seinerzeit noch getarnt als Demokrat aus der FDP-Fraktion im Stadtrat. Gut, dass nun die gesamte Zivilgesellschaft außerhalb des Burgenlandkreises Druck macht, den rechten Trainer, der bei einer Mini-WM im Weißenfels im Juni mit seinen Steppkes als Ghana die Stirn hatte aufzulaufen, sofort aus dem Verein zu entfernen. Das große Rad, es dreht sich: Der Deutsche Olympische Sportbund und Landessportbund fordern, "sofort sämtliche Verträge mit Battke zu lösen", der Wirtschaftsminister nimmt die seit Jahren unverantwortlich handelnden Eltern in die Pflicht: "Diese müssen sofort unterbinden, dass Battke ihre Kinder weiter trainiert." Sonst, so schwebt die Drohung mit, muss das wohl der Staat für Damen und Herren tun.
Es geht um Symbole, es geht um ein Bühnenstück, in dem alle ihren Text kennen, ohne ihn auswendig lernen zu müssen. In drei Jahren hat niemand mit Battke gesprochen, kein Politiker, kein Journalist, kein Sportfunktionär. Es niemand die Eltern befragt, deren Kinder der Hasstrainer ausbildet, es hat keiner nachgeschaut, wie Battke den Kreistagspolitiker spielt, welche Anträge er stellt, wozu er wie abstimmt, wie sehr sein Wirken über den Kreis seiner eigenen Gemeinde hinauswirkt. Battke, der nicht einmal eines der 200 NPD-Mitglieder im Landes ist, dient ausschließlich als Folie, auf der sich der Kampf gegen rechts wie im Sandkasten vorspielen lässt - sonst würde sich die Phalanx aus Phantomjägern in der Landespolitik wohl eher dem in Dessau als Rechtsanwalt praktizierenden DVU-Landesvorsitzenden Ingmar Knop widmen, der im Nebenjob "parlamentarischer Berater" der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen ist, oder gar Judith Rothe vornehmen, die nicht nur als NPD-Fraktionsvorsitzende im Mansfeld dilletiert, sondern auch noch Vize-Chefin des Rings Nationaler Frauen ist.
So aber dann doch lieber Battke, den Simpel vom Dach mit dem Schnäuzer aus dem Wendejahr. Jedes Land bekommt die Staatsfeine, die es sich sucht, dieses hier hat an der Kasse gefragt: Haben Sie es auch eine Nummer kleiner?
Vize-Regierungschef Jens Bullerjahn, bekennender Anhäger des Ritterkreuzsammlers Lemmy Kilmister, sieht in der Tatsache, dass in Deutschland jeder Fußballtrainer denken darf, was er will, "eine große Gefahr für die Außenwirkung des Landes". Kollege Wulf Gallert, Chef der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei Die Linke, findet nicht den Imageschaden schlimm, der dereinst eintreten wird, wenn erneut ein Gericht dem Land vorbuchstabiert, wie Grundrechte zu respektieren sind. Nein, sein "Problem ist, dass die gesellschaftliche Ächtung des Rechtsextremismus in breiten Bevölkerungsschichten nicht stattfindet." Seit Jahren gebe es "von allen demokratischen Parteien klare Ansagen gegen Rechts, aber es interessiert die Leute nicht", schimpft der selbsternannte kommende Ministerpräsident Nummer 2 und erkennt "ein generelles Problem in Sachsen-Anhalt, dass demokratische Institutionen und Parteien nur auf geringe Akzeptanz" stoßen. Veit Wolpert von der FDP, mit der Lutz Battke vor vier Jahren noch Schulter an Schulter Kommunalpolitik machte, findet es schwierig, "wenn Eltern trotz des Wissens um Battkes rechtsradikale Einstellung ihre Kinder zu ihm zum Training schicken".
Verbot tut not - als nächstes soll Battkes Sportverein per Weisung des Landessportbundes gezwungen werden, seine Vereinssatzung so zu ändern, dass Abgeordnete, die für die NPD Mandate wahrnehmen, kein Vereinsmitglied mehr sein können. Das wird zweifellos dazu führen, dass Laucha sich geschlossen vom rechten Feger ab- und den demokratischen Institutionen und Parteien zuwendet. Dann allerdings wird Lutz Battke klagen, gewinnen, sich vor Freude über die kostenlosen Schlagzeilen die Hände reiben und schließlich bei der Landtagswahl Quoten einfahren, die die gesamte Landespolitik mit verständnisloser Empörung zur Kenntnis nimmt.