Hey :)
Manchmal muss man den Sprung ins Ungewisse wagen.
Ich wurde immer wieder gefragt: "Wie hälst du das aus?"
"Das ist doch kein Leben mehr."
"Ich hätte an deiner Stelle schon längst aufgegeben."
"Du liegst im Sterben, merkst du das denn nicht?"
"Ich habe gedacht das wars jetzt als ich dich so sah"
Es ist nicht leicht zu kämpfen, das unmögliche möglich zu machen und es gehört schon eine Menge Hoffnung und Kraft dazu um wirklich über Wasser zu bleiben.
Bei mir wurde die Operation nach Janetta durchgeführt. Das heißt es wurde ein Teflonschwämmchen zwischen den Trigeminusnerv und eine Ader gelegt, damit diese nicht mehr auf den Nerv drücken kann. Bei mir war es nämlich so, dass ich durch den Nerven-Gefäß-Kontakt kein Sport mehr treiben oder den Kopf nach vorne lehnen konnte ohne stechende/einschießende Gesichtsschmerzen zu bekommen. Aber auch Essen und Trinken war zeitweise unmöglich und da die Tabletten nicht geholfen hatten, habe ich auch die Schmerzen im vollen Ausmaß mitbekommen. Durch den Kontakt werden die Isolationsschichten des Nerves beschädigt und deshalb entstehen diese Schmerzen. Um überhaupt an die Stelle vom Nerv zu kommen wird ein kleiner Teil des Schädel entfernt und Teile vom Gehirn werden auf Seite geschoben, da dieser im Kleinhirnbrückenwinkel liegt. Die Gefahr dabei einen Schlaganfall zu erleiden ist eigentlich sehr gering, aber man sollte sie trotz allem nicht unterschätzen.
Am 25.7.2016 wurde ich operiert und wiedergeboren und wenn ich zurückblicke auf die letzten drei Jahre war das alles nicht leicht. Ich war mir nur vor der OP bei einem sicher: Auf der anderen Seite warten Menschen auf mich, die trotzallem die ganze Zeit bei mir waren. Mir war von Anfang an klar, dass die OP keine Heilung verspricht. Ich habe auch nie erwartet an dem Punkt anzukommen, an dem ich jetzt stehe. Aber jetzt stehe ich hier, habe das Ruder wieder in der Hand und bin bereit auch auf den letzten paar Meter zukämpfen. Ich habe schon einmal den Ärzten bewiesen, dass Zukunftsprognosen nichts bringen. Und ich werde es wieder tun. Das Bild oben ist übrigens nach der OP im August entstanden: Da war ich es erste Mal alleine(!) unterwegs und habe es etwas übertrieben mit dem hin- und hergehen in der Stadt. Davor war ich nur im Park oder den Weinbergen unterwegs und ich hatte den Stadtbummel vollkommen unterschätzt. Aber es war eine ganz neue Erfahrung für mich: Im Mai hatte ich zuletzt einen richtigen Stadtbummel gemacht und da lag ich danach mit starker Migräne im Bett und hatte nur gedacht: "Das wars jetzt. Du stirbst". Ich hatte und habe ja schon viel mit Migräne/TN zu tun gehabt, aber der Tag hatte mir wirklich Angst gemacht. Und an dem Tag im August hatte ich zwar Schmerzen, aber es war weder Migräne noch TN. Das war nur mein Kopf der zu mir meinte: "Hey, ich brauch ne Pause".
Was hat mich zu diesem Sprung letztendlich wirklich bewegt? Für mich war das einfach kein Leben mehr und ich habe auch viel über den Suizid zu der Zeit nachgedacht. Und ich hatte bewusst keine psychologische Hilfe in Anspruch genommen, da diese einem die Nervenschmerzen nicht nehmen kann. Ich hatte verzweifelt versucht Schmerztherapie zu bekommen und wurde immer wieder abgewiesen, dass heißt ich wurde in eine Ecke gedrängt und hatte letztendlich keine Wahl mehr außer die OP oder den Tod. In den Berichten von den behandelnden Ärzten taucht davon nichts auf, da sich kein Arzt diesen Schuh anziehen will. Ich habe in der Zeit wirklich viele Ärzte gesehen und immer wieder hieß es, dass die Diagnose entweder nicht stimmte, eine Operation aussichtslos ist oder ich halt mit diesen Schmerzen leben muss. Und selbst wenn die Diagnose nicht in Frage gestellt wurde, wurde ich weiter geschickt. Aber wie ich die Zeit bis zu einem weiteren Arzttermin durchstehen sollte war den Ärzten im Grunde egal. Allein auf den MRT-Termin in der Neuroradiologie durfte ich über 2 Monate warten und als ich dann den Brief vom Neurochirurgen hatte waren fast 4 Monate um. Der Radiologe von einer anderen Uniklinik hatte mir schon ein ganzes Jahr zuvor eine OP nahe gelegt. Was diese Wartezeit ohne adäquate Behandlung für den Patienten bedeutet war den Ärzten vollkommen egal.
An manchen Tagen habe ich mir auch gewünscht, dass ich nach der Operation nicht mehr aufwache. Nervenschmerzen sind grausam und Nervenschmerzen im Gesicht sind einfach die Hölle! Und es ist traurig, dass auch Ärzte die Schwere dieser Erkrankung nicht anerkennen wollen.
Eigentlich hatte ich vorgenommen dieses Thema komplett außen vor zulassen auf meinem Blog, aber es gehört nun einmal zum Leben mit chronischen Nervenschmerzen dazu. Man kann halt nicht nur von den "guten" Seiten erzählen, wenn man die Mitmenschen darüber aufklären will.
Liebe Grüße