Ein Unternehmen, welches in diesen Zeiten etwas auf sich hält, hat ein Call Center, das 24 Stunden erreichbar ist. Bis vor kurzem wurde dort noch im Schichtbetrieb gearbeitet, und oft saß der Gesprächspartner, der einen in der Muttersprache begrüßte, in einer anderen Zeitzone am anderen Ende der Welt (ohne, dass man das gemerkt hätte). Mittlerweile bedient man sich eines Sprachcomputers, der mit den Kunden spricht.
Ich habe vor kurzem die weitreichende Entscheidung getroffen, meine Bank in Dubai zu wechseln. Ein Grund war, dass meine alte Bank meine Anfragen ignoriert hat, egal wie ich sie kontaktiert habe. Und einen Besuch in einer Filiale will man hier tunlichst vermeiden, es sei denn, man hat Zeit und keinen Stolz, um eine Nummer zu ziehen und zusammen mit zig anderen Leuten zu warten, bis man an den Schalter treten darf. Also fülle ich den Kontoeröffnungsantrag im Büro aus und erhalte schon zwei Tage später ein Paket mit allem was man braucht. Na ja, fast allem. Ich finde heraus, dass ich, um meine Geheimzahl (PIN) zu bekommen, die Hotline anrufen muss. Das gleiche gilt für die Beantragung des Internetbankings. „Juchu!“ juble ich, „Kein Filialbesuch!“ Der Wechsel scheint sich gelohnt zu haben. Ich rufe also an und spreche mit einer (echten) jungen Dame, die mich allerlei Sachen fragt, wie z.B. Geburtsdatum, Telefon-Nummer, Gehalt, Kontostand, Pass-Nr. (da muss ich wörtlich passen), Arbeitgeber usw. Das alles, um sicher zu gehen, dass ich es auch wirklich bin. Sie erklärt mir die nachfolgende Prozedur, indem sie mir alle einzelnen Schritte vorbetet und mir sagt, welche Zahl ich jeweils eintippen muss. Ich kritzle eifrig mit, bin aber nicht so schnell. Als ich nachfrage, benutzt sie genau die gleichen Worte wieder und verbindet mich schließlich zu einem Computer, während sie in der Leitung bleibt. Wir haben also eine Telefonkonferenz zu dritt, und nur zwei von uns sind aus Fleisch und Blut. Ich gebe schließlich meine selbstgewählte PIN ein, und sie beendet die Telefonkonferenz. Und das war nur der Vorgang für die Telefon-PIN. Um Internetbanking zu beantragen, gibt sie mir eine andere Nummer, die ich doch bitte anrufen soll.
Damit ich die nächste PIN (für die VISA-Karte) beantragen kann verbindet sie mich mit der nächsten Maschine, nicht ohne mir wiederum die jetzt folgenden Schritte im Detail vorzubeten. Ich frage mich wirklich, warum es diesen Computer gibt, wenn sie sowieso alles Wort für Wort erklärt. Einen von beiden könnte man doch einsparen. Irgendwie habe ich wohl zwischendurch eine falsche Taste gedrückt, weil ich plötzlich wieder ganz am Anfang bin und dieses Mal mit einem jungen Mann spreche (der viel deutlicher spricht als seine Kollegin). Wieder stellt er mir Identitätsfragen, bis ich ihm sage, was ich will. Er bedauert, dass er mir damit leider nicht helfen kann, ich hätte wohl einmal eine 2 statt eine 3 gedrückt, und müsste jetzt die Nummer nochmals anrufen und mich durch die Menüpunkte hangeln. Auch er liest mir wieder alles vor und erklärt, was ich wann drücken muss. Bevor ich ihn entlasse, entlocke ich ihm noch den Tipp, dass ich mein Internetbanking online beantragen kann. Eifrig schreibe ich alles mit und bin sicher, das hinzubekommen.
Wieder in der Leitung kenne ich die Auswahlmöglichkeiten nun fast auswendig und muss gar nicht mehr abwarten, bis der Ton zum Klicken kommt. Zunächst werde ich darauf hingewiesen, dass ich meine PIN am Geldautomaten ändern müsse. Das ignoriere ich tapfer, obwohl 30 Sekunden irritierende Stille folgen, und ich finde auch die Kunden-ID-Nr. auf meiner Karte, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte, und tippe sie auf Anweisung ein (das hatte mir übrigens keiner vorhergesagt). Schließlich habe ich meine PIN erfolgreich beantragt.
Als ich dann auf der sehr unübersichtlichen Internetseite der Bank den Knopf für das Online-Banking gefunden habe, muss ich zur Registrierung drei vertrauliche Fragen auswählen und die Antworten speichern. „Das ist einfach“, denke ich, und wähle rot als Lieblingsfarbe. „Mäk!“ - das geht nicht, weil die Antwort mindestens vier Buchstaben haben muss! Dann lege ich einen weiteren Nutzernamen und noch ein Passwort (dieses Mal alphanumerisch) an. Für alle Änderungen, die ich mache, bekomme ich einen Transaktionscode per SMS auf mein Handy geschickt, den ich dann wieder auf der Internetseite eingebe. Das klappt alles ganz gut, setzt aber voraus, dass alle technischen Einrichtungen funktionieren.
Nach rund 1,5 Stunden habe ich endlich alles erledigt - und das ohne meinen Schreibtisch zu verlassen!
Etwas Pause gönne ich mir, bevor ich wieder zum Hörer greife, dieses mal rufe ich die Telekom an!
Und das können wir daraus lernen:
Computer ersetzen nicht automatisch Menschen - es geht auch umgekehrt.
Man kann Menschen genauso „programmieren“ wie Computer, und sie tun nur das, was man ihnen vorher gesagt hat.