Von Stefan Sasse
Peter Hahnes Talkshow hat gegenüber dem ganzen Rest der unsäglichen Bande einen entscheidenden Vorteil: öfter mal sitzen da nur zwei mit dem Moderator zusammen, was immerhin so etwas wie eine Diskussion ermöglichen könnte. Da hört das Positive aber auch schon auf. Nicht nur, dass Hahne genausowenig wie seine Kollegen darauf verzichten kann, jeden Gesprächsfluss mit Einspielfilmchen abzuwürgen, derer es absolut nicht bedarf. Er ist auch ein eitler Gockel, der sich selbst mit vollem Recht als privilegierten Gesprächsteilnehmer begreift. Das führt dann dazu, dass man zwar eine halbe Stunde irgendwie ein Thema beackert. Aber immer, wenn gerade jemand so etwas wie ein Argument auspacken könnte, das tatsächlich so etwas wie eine Diskussion in Gang brächte, mischt sich Hahne ein, um eine billige Anekdote einzubringen, die zwar Zustimmung des Zuschauers und ein gequältes Lächeln bei den Gästen hervorruft, aber jeden Versuch einer thematischen Auseinandersetzung beendet. Aktuelles Beispiel gefällig? "Was machen wir aus unserer Sprache?" lautet der Titel, und zu Beginn kündigt Hahne groß an, dass zwei Personen, die nie zuvor am selben Tisch saßen zusammengebracht wurden: Sascha Lobo und Bastian Sick. Auf der einen Seite das Aushängeschild von "das Internet", auf der anderen Seite die Heilsfigur der Sprachschützer und Grammatiknazis. Tatsächlich hätte das eine interessante Diskussion werden können, wenn da nur der Moderator nicht wäre.
Das geht schon bei der Vorstellung los. Hahne versucht nicht einmal, eine neutrale Moderatorfunktion einzunehmen. Wie immer bezieht er stattdessen deutlich Stellung, setzt schon von Anfang an den Ton und würgt ab was ihm nicht passt. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Journalisten und Moderatoren dürfen, ja sollen eine Meinung haben. Eine Diskussion aber macht nur Sinn, wenn man sie auch führt. Was bei Hahne passiert ist aber keine Diskussion, sondern ein reiner Flickenteppich von Soundbites, aus denen vor allem die Erkenntnis hervorgeht, dass Peter Hahne echt eine clevere Grinsekatze ist und Recht hat. Um was es genau ging - hey, wen interessiert es, hauptsache Moderator und Zuschauer konnten am Ende oft genug Zustimmung brummeln. Das Schlimme ist, dass im Gegensatz zu häufigen solchen Konstellationen - wenn etwa zwei Politiker dieser Couleur aufeinandertreffen - sowohl Lobo als auch Sick bereit schienen, trotz aller Selbstdarstellungsallüren die Argumente des anderen anzuhören und kontern zu wollen. Nur, Hahne verbot das. Sobald sich auch nur der anschein auftat, dass das Argument eines Teilnehmers diskutiert werden könnte, ging Hahne dazwischen. So viel jedenfalls zur Kritik an Hahne; kommen wir zum thematischen Aspekt der Sendung.
Lobo und Sick versuchten ja durchaus, ein interessantes Thema zu beackern, nämlich ob die deutsche Sprache schutzbedürftig ist und ob die vielen Anglizismen des Alltags nicht schädlich sind. Wenig überraschend nehmen die beiden Diskutanten dabei sehr konträre Positionen ein, schließlich verdienen sie ihr Geld mit diesen Positionen. Sick, der selbst ernannte "Deutschlehrer der Nation", verweist gerne auf irgendwelche alten Wörter und welche Bedeutungen irgendwelche Sachen früher mal hatten und spricht sich vehement für deutsche Ersatzwörter aus (Prallbeutel für Airbag beispielsweise). Lobo auf der anderen Seite ist ein großer Freund alles technisch-englischen Vokabulars und kreativer Neuschöpfungen. Für Bastian Sick ist die Sache relativ klar. Routiniert brachte er seine Beispielmaschine zum Laufen, bei der besonders die Deutsche Bahn mit ihren Service-Points mal wieder als Negativbeispiel herhalten musste. Anglizismen sind schlecht, verderben die Sprache und überhaupt, Grammatik kann auch kein Jugendlicher mehr richtig. Lobo auf der anderen Seite liebte es, die "alten Männer" zu zitieren, die sich über die Jugend von heute echauffieren und ließ auch das zugkräftige Argument nicht missen, dass solche Beschwerden schon in sumerischer Keilschrift überliefert sind.
Tatsächlich hat Lobo einfach Recht: Sprache ist kein geschützter Raum, kein starres Wesen, sondern in einer ständigen Entwicklung, auch und gerade durch junge Menschen. Neue Wörter sind nicht per se gut oder schlecht. Was in der Diskussion letztlich völlig ausgeklammert wurde war der Selbstreinigungsprozess von Sprache, da Hahne die erste echte Auseinandersetzung um die Frage, ob ein Einzelner überhaupt Einfluss auf Sprachentwicklung hat sofort abwürgte. Es setzen sich schließlich nicht willkürlich alle Anglizismen durch, sondern nur bestimmte. Nach welchem Muster sie dies tun, und wie der kollektive Entscheidungsprozess abläuft wäre eine interessante Fragestellung gewesen, aber das war Hahne wohl bereits ein Zuviel an Niveau. Letzten Endes ist der Versuch, Sprachschutz zu betreiben, zum Scheitern verurteilt. Sowohl Hahne als auch Sick erwähnten die französische Sprachschutzbehörde als positives Beispiel. Es fehlte aber jeglicher Hinweis darauf, dass nicht nur die Franzosen weltweit (zu Recht) die Einzigen bleiben, die eine solche Behörde unterhalten, noch dass sie auf den tatsächlichen Sprachgebrauch der Franzosen außerhalb der kontrollierten, weil veröffentlichten Sprache keinen Einfluss ausübt. Sprachneuschöpfungen wie "ordinateur" für Computer haben sich auch in Frankreich nie vollständig gegen "Computer" durchsetzen können, und der von Hahne und Sick so konsequent promotete "Klapprechner" als Ersatz für den Laptop wurde von Lobo zu Recht damit gekontert, dass er den Nutzer solcher Begriffe einfach nur auslachen würde.
Interessanterweise ebenfalls völlig im Sande verlief die ambivalente Widmung von Lobos neuestem Buch, das er dem jahrhundertealten Schaffer von deutschen Ersatzworten widmete, der gegen das damals stark einflussreiche Französisch vorging (niemand weiß heute mehr, dass "Auf Wiedersehen" eine Neuschöpfung war, um "Au revoir" zu verdrängen). Tatsächlich könnte der nachhaltige Erfolg dieses Mannes ja gerade ein Beispiel sein, dass solche Ersatzworte auf lange Sicht erfolgreich sind. Für Hahne natürlich irrelevant, weil möglicherweise in einer ernsten Beschäftigung mit dem Gegenstand mündend. Das Beispiel des Französischen, das das Deutsche für Jahrzehnte stark beeinflusste, ist in der Tat interessant. Für gebildete Europäer war Frankreich der Nabel der Welt, die Beherrschung dieser Sprache elementar für Teilhabe am gehobenen Leben (so wie heute Englisch). Nur, der Niedergang dieser Einflüsse und ihre Ersetzung durch deutsche Neuschöpfungen kam nicht durch eine generelle Erkenntnis, dass es eines Schutzes der Sprache vor fremden Einflüssen bedürfe. Es kam mit dem Aufstieg eines dumpfen Nationalismus und einem grassierenden Franzosenhass. Und in genau dieselbe Kategorie passen auch die heutigen selbst ernannten "Sprachschützer". Sie sind konservativ bis reaktionär und mögen viele Entwicklungen der modernen Welt nicht. Englisch ist ihnen dabei nur das Mittel zum Zweck. Stets kommt auch ein großer Kulturpessimismus zum Ausdruck, und es ist kein Zufall, dass gerade die NPD zu den stärksten Verfechtern von Sprachschutz gehört.
Letztlich ist es immerhin gut zu sehen, dass sowohl Lobo als auch Sick der Meinung waren, dass der Staat in dieser Sprachfindung nichts verloren habe und die Forderung nach Deutsch im Grundgesetz keine Berechtigung hat. Es ist ein totalitärer Schritt, wenn der Staat in Sprache herumfuhrwerkt, und solche gilt es zu vermeiden. Ich bin der Ansicht, dass Sprache sich mit ihren Nutzern entwickelt. Es hat seine Gründe, dass Anglizismen eine solche Verbreitung haben, und das ist nichts per se Schlechtes. Oft genug spielen Ressentiments gegen die USA und, in schwächerem Maße, Großbritannien eine entscheidende Rolle bei der Ablehnung von Anglizismen. Der "Sprachschutz" ist nur ein bequemes Gewand, um die ollen Kamellen von deutscher Kultur und angelsächsischer Zivilisation wieder aufkochen zu können. Sprache findet immer ihren Weg, und alles was übereifrige Sprachschützer oder Beförderer tun können ist Abartigkeiten zu erzeugen, ob das nun in missglückten "Service Points" liegt oder im "Prallbeutel" und "Klapprechner".
Links: Sprachlog zum Thema Deutsch ins GG
Peter Hahnes Talkshow hat gegenüber dem ganzen Rest der unsäglichen Bande einen entscheidenden Vorteil: öfter mal sitzen da nur zwei mit dem Moderator zusammen, was immerhin so etwas wie eine Diskussion ermöglichen könnte. Da hört das Positive aber auch schon auf. Nicht nur, dass Hahne genausowenig wie seine Kollegen darauf verzichten kann, jeden Gesprächsfluss mit Einspielfilmchen abzuwürgen, derer es absolut nicht bedarf. Er ist auch ein eitler Gockel, der sich selbst mit vollem Recht als privilegierten Gesprächsteilnehmer begreift. Das führt dann dazu, dass man zwar eine halbe Stunde irgendwie ein Thema beackert. Aber immer, wenn gerade jemand so etwas wie ein Argument auspacken könnte, das tatsächlich so etwas wie eine Diskussion in Gang brächte, mischt sich Hahne ein, um eine billige Anekdote einzubringen, die zwar Zustimmung des Zuschauers und ein gequältes Lächeln bei den Gästen hervorruft, aber jeden Versuch einer thematischen Auseinandersetzung beendet. Aktuelles Beispiel gefällig? "Was machen wir aus unserer Sprache?" lautet der Titel, und zu Beginn kündigt Hahne groß an, dass zwei Personen, die nie zuvor am selben Tisch saßen zusammengebracht wurden: Sascha Lobo und Bastian Sick. Auf der einen Seite das Aushängeschild von "das Internet", auf der anderen Seite die Heilsfigur der Sprachschützer und Grammatiknazis. Tatsächlich hätte das eine interessante Diskussion werden können, wenn da nur der Moderator nicht wäre.
Das geht schon bei der Vorstellung los. Hahne versucht nicht einmal, eine neutrale Moderatorfunktion einzunehmen. Wie immer bezieht er stattdessen deutlich Stellung, setzt schon von Anfang an den Ton und würgt ab was ihm nicht passt. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Journalisten und Moderatoren dürfen, ja sollen eine Meinung haben. Eine Diskussion aber macht nur Sinn, wenn man sie auch führt. Was bei Hahne passiert ist aber keine Diskussion, sondern ein reiner Flickenteppich von Soundbites, aus denen vor allem die Erkenntnis hervorgeht, dass Peter Hahne echt eine clevere Grinsekatze ist und Recht hat. Um was es genau ging - hey, wen interessiert es, hauptsache Moderator und Zuschauer konnten am Ende oft genug Zustimmung brummeln. Das Schlimme ist, dass im Gegensatz zu häufigen solchen Konstellationen - wenn etwa zwei Politiker dieser Couleur aufeinandertreffen - sowohl Lobo als auch Sick bereit schienen, trotz aller Selbstdarstellungsallüren die Argumente des anderen anzuhören und kontern zu wollen. Nur, Hahne verbot das. Sobald sich auch nur der anschein auftat, dass das Argument eines Teilnehmers diskutiert werden könnte, ging Hahne dazwischen. So viel jedenfalls zur Kritik an Hahne; kommen wir zum thematischen Aspekt der Sendung.
Lobo und Sick versuchten ja durchaus, ein interessantes Thema zu beackern, nämlich ob die deutsche Sprache schutzbedürftig ist und ob die vielen Anglizismen des Alltags nicht schädlich sind. Wenig überraschend nehmen die beiden Diskutanten dabei sehr konträre Positionen ein, schließlich verdienen sie ihr Geld mit diesen Positionen. Sick, der selbst ernannte "Deutschlehrer der Nation", verweist gerne auf irgendwelche alten Wörter und welche Bedeutungen irgendwelche Sachen früher mal hatten und spricht sich vehement für deutsche Ersatzwörter aus (Prallbeutel für Airbag beispielsweise). Lobo auf der anderen Seite ist ein großer Freund alles technisch-englischen Vokabulars und kreativer Neuschöpfungen. Für Bastian Sick ist die Sache relativ klar. Routiniert brachte er seine Beispielmaschine zum Laufen, bei der besonders die Deutsche Bahn mit ihren Service-Points mal wieder als Negativbeispiel herhalten musste. Anglizismen sind schlecht, verderben die Sprache und überhaupt, Grammatik kann auch kein Jugendlicher mehr richtig. Lobo auf der anderen Seite liebte es, die "alten Männer" zu zitieren, die sich über die Jugend von heute echauffieren und ließ auch das zugkräftige Argument nicht missen, dass solche Beschwerden schon in sumerischer Keilschrift überliefert sind.
Tatsächlich hat Lobo einfach Recht: Sprache ist kein geschützter Raum, kein starres Wesen, sondern in einer ständigen Entwicklung, auch und gerade durch junge Menschen. Neue Wörter sind nicht per se gut oder schlecht. Was in der Diskussion letztlich völlig ausgeklammert wurde war der Selbstreinigungsprozess von Sprache, da Hahne die erste echte Auseinandersetzung um die Frage, ob ein Einzelner überhaupt Einfluss auf Sprachentwicklung hat sofort abwürgte. Es setzen sich schließlich nicht willkürlich alle Anglizismen durch, sondern nur bestimmte. Nach welchem Muster sie dies tun, und wie der kollektive Entscheidungsprozess abläuft wäre eine interessante Fragestellung gewesen, aber das war Hahne wohl bereits ein Zuviel an Niveau. Letzten Endes ist der Versuch, Sprachschutz zu betreiben, zum Scheitern verurteilt. Sowohl Hahne als auch Sick erwähnten die französische Sprachschutzbehörde als positives Beispiel. Es fehlte aber jeglicher Hinweis darauf, dass nicht nur die Franzosen weltweit (zu Recht) die Einzigen bleiben, die eine solche Behörde unterhalten, noch dass sie auf den tatsächlichen Sprachgebrauch der Franzosen außerhalb der kontrollierten, weil veröffentlichten Sprache keinen Einfluss ausübt. Sprachneuschöpfungen wie "ordinateur" für Computer haben sich auch in Frankreich nie vollständig gegen "Computer" durchsetzen können, und der von Hahne und Sick so konsequent promotete "Klapprechner" als Ersatz für den Laptop wurde von Lobo zu Recht damit gekontert, dass er den Nutzer solcher Begriffe einfach nur auslachen würde.
Interessanterweise ebenfalls völlig im Sande verlief die ambivalente Widmung von Lobos neuestem Buch, das er dem jahrhundertealten Schaffer von deutschen Ersatzworten widmete, der gegen das damals stark einflussreiche Französisch vorging (niemand weiß heute mehr, dass "Auf Wiedersehen" eine Neuschöpfung war, um "Au revoir" zu verdrängen). Tatsächlich könnte der nachhaltige Erfolg dieses Mannes ja gerade ein Beispiel sein, dass solche Ersatzworte auf lange Sicht erfolgreich sind. Für Hahne natürlich irrelevant, weil möglicherweise in einer ernsten Beschäftigung mit dem Gegenstand mündend. Das Beispiel des Französischen, das das Deutsche für Jahrzehnte stark beeinflusste, ist in der Tat interessant. Für gebildete Europäer war Frankreich der Nabel der Welt, die Beherrschung dieser Sprache elementar für Teilhabe am gehobenen Leben (so wie heute Englisch). Nur, der Niedergang dieser Einflüsse und ihre Ersetzung durch deutsche Neuschöpfungen kam nicht durch eine generelle Erkenntnis, dass es eines Schutzes der Sprache vor fremden Einflüssen bedürfe. Es kam mit dem Aufstieg eines dumpfen Nationalismus und einem grassierenden Franzosenhass. Und in genau dieselbe Kategorie passen auch die heutigen selbst ernannten "Sprachschützer". Sie sind konservativ bis reaktionär und mögen viele Entwicklungen der modernen Welt nicht. Englisch ist ihnen dabei nur das Mittel zum Zweck. Stets kommt auch ein großer Kulturpessimismus zum Ausdruck, und es ist kein Zufall, dass gerade die NPD zu den stärksten Verfechtern von Sprachschutz gehört.
Letztlich ist es immerhin gut zu sehen, dass sowohl Lobo als auch Sick der Meinung waren, dass der Staat in dieser Sprachfindung nichts verloren habe und die Forderung nach Deutsch im Grundgesetz keine Berechtigung hat. Es ist ein totalitärer Schritt, wenn der Staat in Sprache herumfuhrwerkt, und solche gilt es zu vermeiden. Ich bin der Ansicht, dass Sprache sich mit ihren Nutzern entwickelt. Es hat seine Gründe, dass Anglizismen eine solche Verbreitung haben, und das ist nichts per se Schlechtes. Oft genug spielen Ressentiments gegen die USA und, in schwächerem Maße, Großbritannien eine entscheidende Rolle bei der Ablehnung von Anglizismen. Der "Sprachschutz" ist nur ein bequemes Gewand, um die ollen Kamellen von deutscher Kultur und angelsächsischer Zivilisation wieder aufkochen zu können. Sprache findet immer ihren Weg, und alles was übereifrige Sprachschützer oder Beförderer tun können ist Abartigkeiten zu erzeugen, ob das nun in missglückten "Service Points" liegt oder im "Prallbeutel" und "Klapprechner".
Links: Sprachlog zum Thema Deutsch ins GG