Sprachlos

Es gibt Momente, in denen bin ich einfach sprachlos, wenn ich merke, wie respektlos in unserer Gesellschaft teilweise öffentlich mit Kindern umgegangen wird.
Zwei Dörfer weiter war heute Kunsthandwerkermarkt. Wir waren letztes Jahr schon dort, allerdings kinderlos. Weil wir es toll fanden, hatten wir dieses Jahr die Kinder im Schlepptau und schlenderten an den Buden entlang, kosteten hier, staunten dort, sahen da bei der Herstellung zu und kauften auch das Eine oder Andere...
Es war ein echt toller Markt, auf dem es viel zu entdecken gab und die Kinder viel gelernt haben. Und ich bin bei solchen Events nicht knausrig, sondern kauf den Kindern gerne was, dessen Hintergrund und/oder Herstellung sie durch so einen Marktstandinhaber sie kennen.
Der geneigte Leser sollte vielleicht noch wissen, dass meine Kinder sehr gut erzogen sind und sich zu benehmen wissen. Wer meine Kinder kennt, bestätigt das sicher!
Wir schlenderten also auf einen Stand zu, an dem ein älterer Herr wundervolle Dinge aus Glas zauberte. Wir sahen ihm kurz zu und schauten dann, was für tolle Sachen zum Verkauf auslagen. Unter anderem gab es wirklich schöne Schreibgeräte aus Glas, ich glaube sie nannten sich Goethe-Federn. Sehr schön gearbeitet, tolle Farbspiele im Glas - ich steh auf schöne Schreibwerkzeuge und war versucht, tatsächlich eines zu kaufen.
Eine dieser Federn lag auf einem mit Kritzeleien beschmierten Block und diente ganz offensichtlich als Anschauungs- und Testobjekt. Eine Dame hatte gerade damit geschrieben und ging nun weiter. Meine Älteste (auch so ein Schreibgeräte-Junkie wie ich) staunte die Feder noch ehrfürchtig an, mein Sohn ist eher der Praktiker und griff zu....
...oder eher: wollte zugreifen, denn die Frau, die den Stand bewachte, hielt ihn davon ab und fragte erst einmal, wie alt er sei. Er musste kurz überlegen, auf diese Frage war er sicher nicht gefasst! Sie ließ ihn dann schreiben (mit knapp 10 war er wohl alt genug), aber die "Dame" fing an und wollte mir bei der Kindererziehung helfen. Man frage erst, ob man das benutzen dürfe... Ich raunte meinem Schatz zu, dass die Erwachsenen vorher doch wohl auch nicht gefragt hätten. Mein Sohn schrieb ein wenig und legte die Feder vorsichtig beiseite und wir wollten weitergehen, da sagte diese Aufsichtstante, man dage Danke, wenn man damit schreiben durfte - und die Mama müsse das wohl auch noch lernen.
Ich hab geantwortet, dass sie sich bei den Erwachsenen auch nicht so anstellt und dass diese weder fragen noch Danke sagen müssen.
Aber eigentlich war ich einfach nur sprachlos! Mich sieht die jedenfalls nicht wieder, ihr Geschäft hat sie sich damit auch versaut (eine Feder kaufen wollte ich danach natürlich nicht mehr) - und sollte diese Dame nächstes Jahr wieder auf dem Kunsthandwerkermarkt sein, werde ich nicht mehr so sprachlos sein. Ich hab jetzt ein Jahr Zeit, mir zu überlegen, mit welchen Antworten ich ihr kommendes Jahr helfe, ihre Kunden die mangelnde Erziehung nachholen zu lassen! Schliesslich helfe ich gerne, so wurde ich nämlich erzogen!
Dumme Nuss! Mit etwas Freundlichkeit wären das leichtverdiente 18 Euro gewesen. Pech für sie!
(c) blebt.blogspot.com

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