Sprache, Literatur, Kultur – Zwischenbilanz meines Studiums

Von Wortgalerie

Blick auf den Campus des Philosophikums der JLU

Zu Studieren ist mein persönliches Privileg, weil ich mich erst nach drei Jahren in der Arbeitswelt dazu entschieden habe. Zuvor dachte ich, dass ich eine Geisteswissenschaft mit solch schlechten Berufsaussichten unmöglich studieren darf – obwohl es doch immer mein größter Wunsch war. Doch genau deshalb habe ich mich dazu entschieden, weil mich der Wunsch nicht losgelassen hat und weil ich beruflich ohne akademischen Abschluss an meine Grenzen gestoßen bin.

Da ich die Hälfte meines Studiums hinter mir habe, ziehe ich eine Bilanz. Weil mich manchmal das Gefühl beschlich, kaum etwas Neues zu lernen, ist es an der Zeit, mein Studium zu reflektieren und vielleicht hilft dieser Beitrag denjenigen, die sich für meinen Studiengang interessieren, bei einer Entscheidung.

Kurzvorstellung meines Bachelor-Studiengangs

Der ewige Student – Ein Mythos der JLU Gießen

Mein Studiengang heißt Sprache, Literatur, Kultur und wird an der Justus-Liebig-Universität in Gießen angeboten. Ich habe mich für die 3-Fächer-Variante entschieden, d.h. ich studiere im Hauptfach Germanistik mit dem Schwerpunkt Literatur, im 1. Nebenfach Anglistik und im 2. Nebenfach Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung/Weiterbildung.

 

Bisherige Erfahrungen mit Inhalten und Methoden

Ich habe den Eindruck, dass ich durch mein Studium die meisten Erfahrungen im Recherchieren, im Umgang mit Texten und konzeptionellem Denken sowie im (schnellen) Verarbeiten von Informationen gesammelt habe. Inhaltlich habe ich am meisten von kulturwissenschaftlichen Seminaren und Texten profitiert, da sie in ihrer Wissenstradition und den Konzepten, auf die sie sich beziehen, anspruchsvoll und gleichzeitig grundlegend sind. Mit diesen Konzepten konnte ich Zusammenhänge herstellen und mich gedanklich innerhalb meiner drei Studienfächer vernetzen – wodurch ich das Gelernte auch wirklich behalten habe.

Literatur aus meinem 2. Semester

Hier ein Beispiel: Innerhalb einer Woche habe ich unabhängig voneinander dreimal von Foucault und dem Panoptikum gehört: Das erste Mal haben wir in einem Germanistik-Seminar darüber gesprochen und die Hintergründe geklärt, weil ein Text darauf referiert hat. Das zweite Mal wurde es in einem Anglistik-Seminar kurz erwähnt und ich konnte es einordnen und das dritte Mal kam nur der Begriff in einem literarischen Text vor, den ich außerhalb der Uni gelesen hatte, und ich wusste genau, worum es ging.

Leider ist es nicht immer so. Die Themen und die Qualität ist stark abhängig von den Lehrenden und ob es sich um eine Vorlesung oder ein Seminar handelt. In einem Literaturseminar musste ich feststellen, dass meine Aufzeichnungen, Fragestellungen und Informationen aus der Abiturzeit und dem Leistungskurs deutlich umfangreicher waren, als das, was wir an der Uni behandelt haben.

…für meine Hausarbeit über den künstlichen Menschen in der Literatur

Es gilt also auch hier, dass ich am meisten lerne, wenn ich etwas selbst erarbeite, so zum Beispiel in Hausarbeiten. Im Umgang mit und in der Verarbeitung von Literatur hilft es mir am meisten, Rezensionen für meinen Blog zu schreiben und so das Gelesene für mich einzuordnen. Bei zeitgenössischer Literatur gelingt mir das problemlos, doch nicht bei solcher aus anderen Jahrhunderten oder der Kanonliteratur. Ich habe das Gefühl, dass mir das nötige Wissen und die Urteilsfähigkeit fehlt, das Werk aus dem Kontext seiner Zeit zu betrachten, es für das heutige Verständnis zu aktualisieren und es literarisch zu würdigen. Mein Epochenwissen ist auf dem Abiturstand stehen geblieben und sehr allgemein, nur in wenigen Seminaren konnte ich das spezialisieren.

Das gilt generell für mein gesamtes Studium: Ich studiere drei Fächer und fühle mich zwischen ihnen hin- und hergerissen. Jedes Fach verlangt Hingabe und beansprucht mich gleichermaßen. Ich kann mich auf nichts spezialisieren und da ich selbst meine Nebenfächer zusammen mit Hauptfach-Studenten belegen muss, findet keine Abstufung statt.

Anglistik-Bibliothek der JLU

Natürlich ist während des Studiums Eigeninitiative gefragt, ich kann meine Wissenslücken nicht auf die Studienpläne oder die Dozenten schieben, doch zeitlich lässt sich eigene Vertiefung nicht einrichten. In manchen Semestern kam ich kaum dem wöchentlichen Lesepensum hinterher, das vor allem für die Vorbereitung und das Arbeiten in den Seminaren wichtig ist. Trotzdem habe ich Kurse zusätzlich belegt und meinen Stundenplan vollgestopft: Sprachkurse, Kunstgeschichte, kreatives und journalistisches Schreiben… Aus Interessen, weil sie eine einmalige Gelegenheit sind und weil ich an später denke.

Mit dem Bachelor hört es für mich jedoch nicht auf, gerade aus der Erfahrung meines Kombinationsstudiengangs heraus möchte ich mich im Master unbedingt spezialisieren und mich auf nur ein Fach konzentrieren.

Schwächen des Studiengangs

  • Bei all der Themen- und Fächervielfalt ist keine vertiefte Beschäftigung mit den Themen möglich.
  • Es gibt keinen tatsächlichen Unterschied zwischen Haupt- und Nebenfächern.
  • Das Gefühl, in allem nur Grundwissen, aber kein Fachwissen zu besitzen.
  • Gemeinsame Seminare mit Lehramtsstudenten (Da sie mehr das Bedürfnis nach Didaktisierung haben, bin ich meist unfreiwillig oft damit konfrontiert. Aus Gesprächen mit ihnen weiß ich, dass ihnen dennoch die Übung und das Wissen darin fehlt, wie sie das Fachwissen konkret und geeignet im Unterricht vermitteln können; insofern wären getrennte Seminare aus meiner Sicht sinnvoll).
  • Da jeder Studierende meines Studiengangs eine andere Fächerkombination gewählt hat, ist es ein Kommen und Gehen, in jedem Semester sehe ich neue Gesichter, dauerhafte Kontakte zu knüpfen ist schwierig.
  • Keine Praktikumspflicht, stattdessen müssen 10 Credits über das Belegen fachfremder Seminare oder Vorlesungen erworben werden. Diese Kurse hätte ich so oder so unabhängig von der Pflicht belegt. Praxiserfahrung schätze ich dagegen viel höher ein, deshalb habe ich freiwillig ein Praktikum während der Semesterferien gemacht.
  • Die Qualität der Veranstaltungen hängt stark von den Dozenten ab. Viele konzipieren ihre Seminare leider so, dass die Studierenden in jeder Sitzung Präsentationen halten.

Stärken des Studiengangs

  • Ein breites und vielfältiges Überblickswissen.
  • Ich konnte meinen Schwerpunkt auf Literatur legen und musste mich abgesehen von den Sprach-Einführungsmodule nicht mit Sprachwissenschaft und Mediävistik beschäftigen.
  • Förderung von vernetztem und interdisziplinärem Arbeiten und Denken.
  • Die Möglichkeit, fachfremde Kurse zu belegen, Sprachen zu lernen und manchmal das Glück zu haben, in praxisorientierten Seminaren zu landen.
  • Große (Themen-)Auswahl an Seminaren und Freiraum beim Zusammenstellen des Stundenplans.