Sport und Multiple Sklerose

Von Ibex @Patientensicht

Ist Sport bei einer Multiple Sklerose (MS) Erkrankung möglich? Ist es ratsam Sport zu treiben? Ist Sport bei MS schädlich oder hilfreich? Was sind die Erfahrungen?

Kurz: Sport ist bei MS möglich. Kein negativer Effekt ist zu befürchten. Auch intensive Belastungen wie Rennen sind möglich. Vom regelmässigen Training wird sogar ein positiver Effekt angenommen.

Früher galt bei MS die Devise „Ruhe“. Möglichst keine Bewegung. Schonung. Heutzutage hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass körperliche Betätigung bei MS einen positiven Effekt zu haben scheint. (Randomisierte doppelblinde Studien sind mir jedoch keine bekannt.) Der Gebrauch des Körpers erhält ihn. Muskeln, die nicht mehr gebraucht werden, verkümmern. Auch jene kleinen „unbekannten“ Rumpfmuskeln zur Stablilistation.

Die heutigen Diagnose Möglichkeiten (McDonald-Kriterien) erlauben frühe Multiple Sklerose Diagnosen. So kommt es häufig vor, dass MS bei praktisch gesunden Menschen entdeckt wird, z.B. einzig wegen temporären Sensibilitätsstörungen oder temporären Sehstörungen. Der Körper ist ansonsten noch voll funktionsfähig. Die Ursache und der Krankheitshergang von Multiple Sklerose sind noch nicht verstanden. Es ist eine langsame Krankheit. Über 30 Jahre treten sporadisch und stetig Verschlechterungen ein. Zu Beginn, in den ersten 10 Jahren geht es den vielen MS-Betroffenen noch recht gut. MS-Medikamente scheinen in der ersten Phase die Lebensqualität negativ zu beeinflussen. Die häufig verschriebenen Beta-Interferone verursachen beispielsweise jeweils Fieberartige-Symptome nach der Injektion. Ein langfristiger positiver Effekt wird von diesen Medikamenten erhofft. Wissenschaftlich ist ein solcher positiver Effekt nicht nachgewiesen.

Viele Ärzte kennen sich mit Sport und MS nicht speziell aus und raten deshalb zu einer defensiven Strategie. Doch dies ist nicht nötig. Ärzte mit Fachgebiet Rehabilitation beschäftigen sich mit dem Körper und verfügen über Erfahrungen. Die Rehabilitationkliniken Valens und Montana haben langjährige Erfahrung mit MS.

Fallbeispiele:

Jasmin Nunige

Jasmin Nunige (38) aus Davos zeigt eindrücklich was mit MS möglich ist. Jasmin Nunige war Langläuferin mit Olympia-Teilnahme und ist Ultra-Bergläuferin. Sie gewann den Swiss Alpine Berglauf bereits zum fünften Mal. Dreimal vor der Diagnose, zweimal nachher. Der Swiss Alpine ist 68km lang und über 2600 Höhenmeter sind zu überwinden. Das Teilnehmerfeld ist international besetzt. Noch nie hat eine Läuferin oder ein Läufer den Swiss Alpine in derart überlegener Manier gewonnen wie dieses Jahr Jasmin Nunige.

Nach Absprache mit ihrem Neurologen Prof. Kesselring von der Klinik Valens verzichtet sie auf die MS-Basistherapie.

Weitere Informationen zu Jasmin Nunige habe ich im Blogartikel zu ihrem 5. Swiss Alpine Sieg zusammengefasst.

Meine Erfahrungen

Vor meiner Diagnose habe ich als Hobbysportler intensiv Sport getrieben. Viele wunderschöne Ski-, Bergtouren und Biketouren, beispielsweise mehrtägige Biketouren nach Wien oder nach Nizza ans Meer. Auch kleineren Strassenläufen war ich nicht abgeneigt. Meine 10km Bestzeit ist 33:46, das entspricht 3min 24s für einen Kilometer.

Meine plötzlichen und deutlichen MS-Symptome vor etwa vier Jahren führten innerhalb von zwei Wochen zur MS-Diagnose. Im ersten Moment war ich bezüglich Sport ziemlich verunsichert. Bei mir schwand die Lust auf Sport. Ich wollte mehr wissen über die Krankheit und die Mechanismen. Gibt es wirksame Behandlungen? Was sind die Konsequenzen?

Ich reduzierte mein sportliches Pensum von fünf- auf viermal pro Woche. Zudem verzichtete ich auf zeitaufwändige Ganztages- oder Wochendtouren. Ebenfalls auf intensive Einheiten. In den letzten Jahren tastete ich mich wieder an eine intensivere Betätigung heran. Ohne negativen Effekte.

Dieses Jahr fuhr ich in einer Mehrtagestour mit dem Bike durch die Alpen an den Gardasee und unternahm über ein Dutzend Skitouren.

Skitour Pizol, Wildsee mit Spuren 18.02.2013 | CC BY-SA Patientensicht.ch

Skitouren1 ist etwas vom schönsten auf der Welt, das es gibt. Sonne, Natur und Stille. Freiheit.

Unter den gegebenen Umständen und dem unklaren Nutzen/Risiken-Verhältnis habe mich vorerst gegen Medikamente entschieden.

Ich habe eine sehr gute Kondition. Besser wahrscheinlich als die meisten Leute. Ein gutes Gefühl. Jeder entscheidet selbst wie viel er sich anstrengt.

Fazit

MS trifft auch sportlich aktive Menschen. Auch nach der MS-Diagnose kann und soll weiter Sport betreiben werden. Intensive Belastungen wie Wettkämpfe sind möglich.

Medikamente können durch Nebenwirkungen die Leistungsfähigkeit einschränken und behindern. Nutzen und Risiken müssen abgewogen werden.


  1. Beim Skitouren klebt man Felle unter die Ski und kann damit den Berg rauf laufen. Wenn man oben ist, nimmt man die Felle weg und fährt runter.
    Wo wir schon gerade dabei sind. Interesse an Skitouren? Ich bin immer interessiert an Skitouren. Kontakt am einfachsten über E-Mail. Material, Kondition und Kenntnisse sollten bereits vorhanden sein. Eine Skitour mit jemandem mit MS wäre eine Premiere. ↩