Splitter zu Gustav Klimt

Von Lyrikzeitung

ARTus-Kolumne »SO GESEHEN« 580

Von Walter G. Goes (Bergen/Rügen)

Das mit den Splittern war ein Einfall des Wiener Tarnkappen-Dichters Peter Altenberg (1859-1919). Was dem Meister der impressionistischen Kleinkunstliteratur im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Wien vor Augen kam oder sein launiges Nachdenken beförderte, das hat er für die wachsende Zahl seiner zeitgenössischen Leserschaft und Dichterfreunde (unter ihnen Berühmtheiten wie Karl Kraus und Gerhart Hauptmann, Arthur Schnitzler und Hermann Bahr) in faszinierenden, überaus kurzweiligen Bilderbögen zu Papier gebracht. Ich lese zu gern darin.

Zwei 1979 von Lothar Reher(!) vorbildlich bis zum Schutzumschlag gestaltete Bände aus dem Verlag Volk und Welt Berlin widmen sich dem Diogenes in Wien. Im Band 1 fand ich eine Altenberg-Eloge über Gustav Klimt. Altenberg schrieb sie 1908, nach dem Besuch der ersten von Klimt organisierten Kunstschau in Wien und veröffentlichte sie 1909 in den Bilderbögen des kleinen Lebens im Berliner Verlag von Erich Reiss.

Damals war solche Fürsprache Wagnis und Bekenntnis zugleich. Sie galt dem Solitär unter den Unbeugsamen, der – gerade im Zenit seines Schaffens stehend – mit sensiblen Porträts und lasziven Frauenfiguren im massiven Kreuzfeuer der Kritik stand.

Altenberg: »Wie Endgebilde der zartesten Romantik der Natur selbst sind diese Frauenporträts. Wie die Dichter sie sich erträumen, zarte, edelgliedrige, gebrechliche Geschöpfe für ihre zärtlichen Begeisterungen, die nie verklingen und nie Erlösung finden! Die Hände der Ausdruck einer anmutigen Seele, kindlich leicht beschwingt, vornehm und gutmütig zugleich! Alle befinden sich außerhalb der Erdenschwere, wie sie sich auch sonst stellen mögen im realen Leben des Tages und der Stunde. Alle sind Prinzessinnen für bessere, zartere Welten. Der Maler hat es erschaut, hat sich nicht irremachen lassen, hat sie gerechterweise erhöht, zu ihren eigenen, in ihnen singenden und klagenden Idealen!«

Altenberg mochte Klimt in seinem natürlichen So-Sein, in seiner Kompromisslosigkeit gegenüber den »Skeptiker(n) mit ihren trüben, freudelosen Augen! Gustav Klimt, ein mysteriöses Gemisch von Urbauernkraft und historischer Romantik, dir sei der Preis!«

Heute zählt er zu den Preistitanen seiner Zunft. Man schaue nach Wien. Es hat ihm längst verziehn und das mit Genuss. ARTus

Nachtrag zum 150. Geburtstag des Malers Gustav Klimt. Zeichnung: ARTus