Alles auf einmal, alles ein bisschen viel, der Kitsch – vom Leben singen, zur Freiheit tanzen, die Läuterung, Versöhnung, die Reinheit und Ursprünglichkeit, die schöne neue Welt. Im Historienepos "Die Farbe Lila" bearbeitete Spielberg erstmals ein Sujet, in dem sich seine künstlicheren Ansprüche nie kohärent ergänzen werden, sondern voneinander abstoßen. Dazu zählt, dass er einen politischen Stoff ebenso eskapistisch beschwert wie kurzsichtig einer holzhammerhaften Identifikationssprache anfügt, und dies ist bereits hier unterschwellig wiederzufinden, in jener Farbe, die metaphorisch für Spielbergs überreizte Gefühlsmanipulationen steht.
Im Umgang, patriarchalische Machtstrukturen zu kritisieren, homoerotische Freundschaften zu streifen und die emanzipatorische Befreiung pathetisch zu glorifizieren, erlaubt sich Spielberg unangenehme Angriffsflächen, die ihn im reflektierenden Geschichtskino noch mehrfach gemacht werden sollten. Ob Spielberg exemplarisch dafür unbedingt auf trotteligen Slapstick zurückgreifen hätte sollen, um sowohl die Unfähigkeit des schwarzen Mannes (beim Kochen) als auch der weißen Frau (beim Autofahren) zu überspitzen, bleibt ein Geheimnis des Regisseurs, und es drängt sich eher der Verdacht ideologischer Rückwärtsgewandtheit auf.
Dieses Melodram als tränenüberfülltes Drama oder schlicht als grobgestrickten Klamauk zu sehen, fällt daher schwer, weil Spielberg beide Richtungen merkwürdig gespalten zusammenführt, als wäre dies eine Entscheidung, für dessen zwei Möglichkeiten er sich nicht entscheiden könne. Vielleicht liegt in dieser Homogenität, die keine ist, auch eine Stärke, wenn eine dritte Ebene dem Werk hinzugefügt wird – eine Ebene der parteiischen Voreingenommenheit. Denn irgendwann zu Beginn wechselt die Perspektive der Kamera in die subjektive Blickrichtung der Protagonistin Celie (eindrucksvoll dezent: Whoopi Goldberg).
Es wird somit offensichtlich, dass Spielbergs Subjektivierung seiner Geschichten, durchaus ein Grund für stereotype Feindbilder sowie mythischen Idealismus, selbst in diesem Film auf einem erzählerischen Nährboden fußt, das als Ventil lawinenfallartiger Emotionen alles mit sich reißt. Das ist was fürs Herz, nicht für den Verstand. Und es entwickelt mit dem blutigen Händeabdruck, den wackelnden Gürteln über dem Bett, dem zeitverdichtenden Jahreswechsel-Rhythmus und dem Hühnerkäfig als symbolischem Gefängnis ein Stilgefühl, das sich vorsichtig in ergreifenden Lebensstationen vorantastet und auf der Krönung der Spielberg-Virtuosität die Bewegung der Kusslippen feiert. Das ist sonnenscheinschön.
7 | 10