Es ist und bleibt ein hochinteressantes Gedankenexperiment, einen der größten Formalisten des Kinos mit einem der größten Herzschmerz-Romantiker zu kreuzen, Stanley Kubrick mit Steven Spielberg, Kälte mit Wärme. Spielberg, der seit "Unheimliche Begegnung der dritten Art" wieder ein Drehbuch schrieb, werkelte an einem Vermächtnis Kubricks, das sich künstlerisch ambitioniert auf zwei Wegstrecken bewegt. Als Resultat einem kontrastreichen, kühnen Experiment nicht unähnlich, das vieles ausprobiert und kombiniert, ohne eine genaue Form festzulegen, thematisiert der Film im Gewand einer Hommage, mehr noch: einer Herzensangelegenheit, folgerichtig dies und das allenfalls nachlässig und nie genauer dies oder das, was anspruchsvoll scheint.
"A.I. – Künstliche Intelligenz" fliegt im Eiltempo über die inhaltlich fundamentalen Science-Fiction-Fragestellungen – von dem Zusammenleben organischer und mechanischer Lebewesen in einer Dystopie, von der Zweckmäßigkeit einer Liebe, die nicht erwidert werden kann, über die zwischenmenschliche Relevanz künstlicher Intelligenzen bis zum großen Sein und, überhaupt, dem Sinn der Existenz. Angereichert mit literarischen Querverweisen "Pinocchios" und deshalb entschieden mehr der Spielberg-Affinität sagenumwobener, staunenswerter, naiver Märchenfacetten zugeordnet, kokettiert der Film vielmehr mit einer morbiden, futuristischen Gutenachtgeschichte, die besonders im spektakulären Aufgehen eines "Mondes" im Wald (während ein süßer, brummiger Teddy seinem Ziel entgegen holpert) Bilder kreiert, die an den deutschen expressionistischen Stummfilm der 20er Jahre erinnert.
Was dabei alles Kubrick zugedacht sein soll, die ausgiebig zelebrierten Plansequenzen, die narrative Aktgliederung, das, speziell im ersten Abschnitt des Films, konzentrierte malerische Erzählen in menschlichen Regungen, Blicken, Bewegungen, die anfänglich reduzierte Farbpalette, die ein Gefühl von aseptischer, laborkühler Reinheit aufkommen lässt, die dazu feinabgestimmte, spiegelblanke Lichtsetzung, die vergleichsweise stillen Kamerabilder Janusz Kaminskis sowie die im Suchen begriffene, artifizielle Musik John Williams, die erst nach und nach den opernhaften Kubrick-Strauss-Triumph beimischt: All das wird zunehmend torpediert von der Macht des Spielberg-Pathos, ersatzweise lieber in überbetonten, erwärmten Landschaftsfarben, melodramatische, hysterische Emotionen zu durchleben.
In seinen schönsten Momenten, zum Beispiel im finalen extraterrestrischen Teil oder gar vor Beginn der familiären Entfremdung, ist das aber ein in seiner romantischen Güte und mütterlichen Herzlichkeit schier erstaunlich inniger Liebesfilm, der zahlreiche obskure, animatronische Stan-Winston-Masken, den industriellen Cyber-Prunk eines sexualisierten Techno-Großstadttreibens (der Tunnel als Phallus) und die Überreste Manhattans, einer versunkenen Zivilisation, die gefangen ist in beständiger Melancholie über das, was war, überkandidelt ausstellt. Das Konzept dieser Welt ist anregend, und zu gern hätte man hiervon mehr erfahren wollen, über die einsame Kundschaft des Gigolos Joe (Jude Law), über den Gigolo selbst, über die Stadt, über die Geschehnisse davor. Wenn allerdings zum Abschluss die Träne der Menschlichkeit fließ, ein Ersatz für die Flamme aus "Schindlers Liste", dann ist sie wieder da, die Spielberg-Magie. Plötzlich und unvermittelt. Genau wie dieses an sich faszinierende, sympathisch hin- und hergerissene Experiment.
7 | 10