Die Franzosen als Vorbild
Ein Handyverbot an Schulen wie jetzt in Frankreich, wo Schüler bis zum Alter von 15 Jahren Smartphones generell nicht mehr mit in die Schule bringen dürfen, könne bei Kindern das Bewusstsein schaffen, dass es gut ist, an bestimmten Teilen des Tages offline zu sein, begründete der Funktionär seinen Vorstoß mitten im Sommerloch.
Ob mit einer solchen Regelung mehr Medienkompetenz geschaffen wird, ist ja mehr als fraglich. Sicher ist aber, dass das generelle Smartphoneverbot auch der Todesstoß für das heutzutage beliebteste Spick-Werkzeug wäre. Kinder reicher Eltern könnten ja noch mit einer Smartwatch mit Internetzugang durch eigene SIM-Karte Kontra geben, weniger Begüterte müssten dann doch anfangen, zu lernen.
Die Entwicklung der Kunst des Spickens
In meiner Jugend vor got 50 Jahren war in der Schule ein Spickzettel aus Papier standard. Die einfachste Variante mit den auf die Innenhand geschriebenen Formeln durchschaute ja schon der Hausmeister, und die zweitschlechteste im Deckel des auf dem Pult liegenden Etuis kannte auch schon jeder Referendar, der frisch von der Uni kam.
Spezial-Konstruktionen mit größerer Kapazität
Sonderkonstruktionen waren aber recht schwer handhabbar. So gab es speziell für Mathe und Physik ganze Formelsammlungen auf Basis von zwei Bleistiften und zwei Gummis, mit denen man sogar schon zwischen den Fingern scrollen konnte.
Scrollen? Die Zeit der Smartphones war ja eigentlich noch nicht gekommen. Aber so etwas ähnliches wie WLAN gab es schon: Funkgeräte. Ein an einen UKW-Sender angeschlossener Ohrstöpsel und ein zweiter UKW-Sender auf einer anderen Frequenz mit Mikrofon erlaubten bidirektionale akustische Kommunikation mit einem externen wissenden Partner – unter Funkamateuren „voll duplex“ genannt.
Rettung auf dem Klo
Dabei waren sehr empfindliche Mikrophonverstärker nötig, die auch ein kaum hörbares Flüstern übertragen konnten. Aber wehe, wenn es zu einer akustischen Rückkoppelung kam – das blies einem die Gehörknöchelchen aus dem Innenohr. Als Alternative galt ein handelsübliches kleines Funkgerät zusammen mit dem Spruch: „Ich muss mal zur Toilette.“
Das Klo machte auch ohne Funkgerät Sinn – wenn im Nachbarabteil wie verabredet der wissende Kumpel für den Wissenstransfer bereit saß. Aber der Gegner schläft nicht, und Lehrer sind zwar doof, aber nicht blöd!
Was auf dem Gymnasium noch klappte, hatte bei Klausuren an der Hochschule mit Ausweispflicht (die meisten Dozenten kannten ihre Studenten nicht persönlich) und Assistenten, die mit Argusaugen den Raum überwachten, keine Chance mehr.
Der Siegeszug der Smartphones als Spickhilfen
Die Welt hat sich inzwischen weiter entwickelt, und Smartphones (Klugfernsprecher) rollten an, auf denen die heutigen Kids rumwirbeln, dass ihren armen Eltern die Augen aus dem Kopf fallen.
Rein spicktechnisch sind die Geräte ja auch das Non-plus-ultra, und die gesamte WhatsApp-Physikgruppe kann bei der Anfertigung von Klassenarbeiten und Klausuren audiovisuell mitwirken. Gegen den Trend etwas längere Haare und drahtlose Bluetooth-Ohrhörer halten die technische Ausrüstung verborgen.
Da helfen nur noch Telepathie oder das unbeliebte Lernen…
All das will der Herr Fischer von der NLM den Kids nehmen. Aber keine Sorge – Wissenschaftler vom Extra-Sensorical-Perception(ESP)-Institut arbeiten im Rahmen der Forschung an Spiegelneuronen schon an einer neuen, absolut unentdeckbaren Methode, die mit dem Begriff „Telepathie“ bezeichnet wird. Keine Geräte, keine Kabel – es ist nur gute Konzentration nötig!
Wer zu den Early Adaptors gehören will, kann sich über einen Beitrag zum Crowdfunding bei Kickstarter seine Zukunft als unentdeckbarer Spicker sichern – oder aber die Bücher entstauben und beginnen zu lernen.
Anmerkung des Autors: Dieser Artikel sollte eigentlich erst im April erscheinen – aber der Herr Fischer von der NLM konnte sich ja nicht zurückhalten…