Richtig gelesen. Vorbei sind die Zeiten von teuren Versandkosten. Jetzt legt man fair gehandelten Kaffee mit einem Auge auf Qualität direkt beim Wocheneinkauf in den Einkaufswagen. Zu gut um wahr zu sein? Jein. Aber eins nach dem Anderen. Partnerschaften von Kleinröstereien mit Lebensmittelhändlern ist ja an sich nichts Neues, so gab oder gibt es immer wieder mal Bohnen bei Jelmoli, Globus oder Marinello von diversen lokalen Röstern im Sortiment. Dass nun mit Migros aber ein Geschäft im Massensegment auf teureren Kaffee setzt, überrascht vielleicht doch ein wenig. Der Anbieter ist jedoch nicht ein lokaler Kleinröster, sondern das Berliner Unternehmen „Coffee Circle“, welches direkt gehandelten Kaffee aus Äthiopien vertreibt und in der Kommunikation voll und ganz auf soziale Standards und Kaffeequalität setzt. Dass jemand, der sich im Spezialitätensegment positioniert, auf eine Kooperation mit Migros setzt, hat in genau dieser Szene gemischte Reaktionen ausgelöst. Von genialem Marketing ist genau so die Rede wie von fehlender Glaubwürdigkeit. Versuchen wollte ich das Produkt natürlich nichtsdestotrotz. Zur Zeit gibt es zwei Kaffees, einen Espresso und einen für alle anderen Zubereitungsformen. Mit CHF 7.50 ist der „Limu“ einerseits zwar deutlich teurer als was sonst so daneben im Regal steht, aber in der obersten Liga des Spezialitätensegments ist man damit auch noch lange nicht. Ob hier guter Kaffee zu günstig verkauft wird, ist schwer zu sagen, aber trotzdem sehe ich dies als eher positive Entwicklung. Denn wenn der Konsument im Migros bereit ist fast doppelt so viel für seinen Kaffee zu bezahlen als bisher, ist dies schon mal ein Schritt in die richtige Richtung und ein möglicher Einstieg in die Welt des Spezialitätenkaffees. Die erste Tasse brühte ich am Morgen vor der Arbeit mit der Aeropress, nach Schweizermeister-Rezept. Abgefüllt in einen Edelstahl Cup, erwartete mich am Arbeitsplatz ein überraschend ausgewogener Kaffee. Zugegeben, ich war mehr als überrascht. Beim zweiten Versuch am Abend, diesmal aus einer geschmacksneutraleren Tasse, waren dann schon etwas mehr Röstaromen auszumachen. Zu guter Letzt habe ich noch ein kleines Cupping in meiner Küche veranstaltet, mit völlig verschiedenen Kaffees aus Costa Rica und Burundi, geröstet von einer Kleinrösterei. Neben den stärksten Röstaromen waren entsprechend auch eher schokoladige Noten dominierend. Aber das verspricht die Packung ja auch. Zudem fand ich starke Karamellnoten und etwas Bourbon Whiskey-artiges. Fazit: Für zu Hause als „Genusskaffee“ zahle ich weiterhin lieber etwas Versandporto. Aber für die to-go Flasche auf den Weg zur Arbeit, sehe ich im „Limu“ eine veritable Zwischenstufe zwischen „dieser exklusive Kaffee reut mich jetzt etwas für in den Edelstahl-Cup“ und „ich brauche aber trotzdem Bohnen, die das Kaffeetrinken nicht zum reinen Mittel zum Zweck machen“. Ob sich für diese Kaffees im Migros genügend Käufer finden lassen, wird sich noch zeigen müssen, aber dass die Spezialitätenszene mangels Outlets ein veritables Problem beim Direktverkauf hat, lässt sich wohl nicht von der Hand weisen. Denn Onlinehandel ist für den Privatkunden teuer, auch wenn man dabei mit Frische belohnt wird. Umgekehrt sind auch die Probleme im Direktverkauf schnell erkennbar, denn der gekaufte Kaffee ist bereits über ein Monat alt (Haltbarkeitsdatum minus 1.5 Jahre in diesem Fall). Wie frisch der Kaffee im Regal ist, müssen die Kunden also selber genau prüfen, was besonders bei fehlendem Röstdatum einiges an Recherche benötigt. Man darf gespannt sein, wohin diese Entwicklung führt.