Spekulatives Coworking

Heute probiere ich mal einen Coworking Space aus. Places Hamburg heißt der. Ist noch so neu, dass die Handwerker im Hintergrund wurschteln und auch mal den Strom abklemmen. Naja, macht nix, dafür kostet das Coworking bis Ende November 2012 hier nichts. Dafür darf zwischendurch der Akku in meinem MacBook Air übernehmen.
Spekulatives Coworking
Dass es an meinem Fensterplatz ein wenig zugig ist, weil die Heizung komplett unterhalb des massiven "Tischbrettes"ist, nehme ich auch in Kauf. (Manchmal ist es schon merkwürdig, wie Funktionalität für Design geopfert wird. Was Innenarchitekten sich so denken... oder eben auch nicht...)
Spekulatives Coworking
Coworking-Atomphäre will ebenfalls noch nicht aufkommen. Ich bin der einzige der hier arbeitet und nicht dazu gehört. Ansonsten nur zwei ältere Damen im Café, das auch zu Places Hamburg gehört. Es ist eher lone working. Noch. Denn bestimmt werden sich über die nächsten Wochen weitere Coworking-Suchende einstellen.
Spekulatives Coworking
Für heute stört mich das alles nicht. Ich komme mal raus aus meiner Home Office und sehe etwas anderes als mein übliches "Büro", das elbgold Café am heimischen Mühlenkamp nahe der Alster.
Doch ich nehme meine Erlebnis hier mal als Anlass darüber zu spekulieren, wie für mich eigentlich Coworking aussehen müsste. Was wäre für mich attraktiv als Alternative zu Home Office und normalem Café?
Zuhause arbeiten zu können, ist schon ein Geschenk. Alles, was ich brauche, ist zur Hand. Für Raum, Infrastruktur (WLAN, Drucker, Scanner usw.) und Verpflegung habe ich schon gezahlt. Sobald ich woanders arbeite - außer beim Kunden - können meine Kosten nur steigen. Wenn ich mich dafür entscheide, sollte also etwas dafür herausspringen. Ich will was bekommen für meine zusätzlichen Kosten.
Man könnte mich mit etwas locken, das ich zuhause habe (oder auch nicht) und mir der Coworking-Space auch bietet. Ganz oben auf der Liste der Coworking-Space Anbieter ist da ein Arbeitsplatz (Tisch, Stuhl), Strom und WLAN.
Hm... da bin ich allerdings nicht so beeindruckt. Tisch und Stuhl und sogar Strom bekomme ich in fast jedem Café oder einer Bibliothek auch. WLAN? Nein, tut mir leid, habe ich in ausreichender Geschwindigkeit in der Tasche. Mein iPhone mit 3G als Router reicht mir innerhalb von Großstädten an den meisten Plätzen.
Wofür also bei Places Hamburg 25 EUR pro Tag ausgeben? Oder beim betahaus 15+ EUR/Tag, im Werkheim 15 EUR/Tag, im @Lilienhof 45 EUR/Tag?
Wenn ich mehr Platz und vor allem "neutralen" Platz brauche, wo ich mich mal mit Kollegen/Kunden zusammensetzen kann... dann will ich einsehen, dafür etwas zahlen zu müssen. Das geht über das hinaus, was ich zuhause habe.
Oder wenn ich etwas geboten bekäme, was ich mir nicht leisten kann, z.B. ein SMART Board, dann würde ich das auch einsehen.
Aber für einen Preis ab 15 EUR bekomme ich... Strom, Tisch, Stuhl. WLAN. Das war´s?
Im elbgold, die mich gern auch einen ganzen Tag unbehelligt arbeiten lassen, bekomme ich für 15 EUR deutlich mehr. Nämlich zum Beispiel 5 x einen leckeren Chai oder 1 x Kuchen + 1 x Lachs Bagel + 2 x Chai.
Achja, da war noch etwas bei den Coworking Spaces: Es heißt ja Co-Working, also irgendwie geht es auch um Arbeit mit anderen gemeinsam. Man bietet eine Bude voller Leben, eine bunte Mischung aus Arbeitenden. Klar, das habe ich nicht zuhause - außer meine Tochter ist da und macht Hausaufgaben.
Ja, zuhause ist es manchmal etwas still und einsam. Deshalb gehe ich auch ins "Büro". Da treffe ich Menschen, die ich kenne. Wir plaudern dann. Oder ich sehe viele Menschen, die mir eine Art "rauschenden Hintergrund" für meine Arbeit bieten. Mir macht das nichts aus, wenn an allen Tischen geredet wird. Dabei kann ich mich wunderbar konzentrieren - und fühle mich irgendwie auch als Teil einer Gemeinschaft. Dass das keine ebenfalls arbeitenden Menschen sind, sondern solche, die ins Café zur Entspannung gehen, macht nichts. Soviel will ich gar nicht mit anderen über meine Arbeit reden.
Ein Coworking Space will mir nun das auch bieten: eine Gemeinschaft der Arbeitenden, der etwas Gesellschaft Suchenden. Und sogar noch mehr will der Space sein, nämlich einer, in dem sich auch Kontakte ergeben, in dem es zu überraschenden Netzwerkverknüpfungen und Zusammenarbeit kommt.
Tolle Sache. Dass sich im elbgold für mich schon ein halbes Dutzend schöner Zusammenarbeiten und Freundschaften entwickelt haben, will ich dagegen gar nicht anführen. Ich frage mich nur, warum ein Coworking Space nur dafür von mir 15 EUR oder mehr haben will?
Zugegeben, der Arbeitsplatz im Coworking Space ist eben ein Platz zum Arbeiten. Das ist manchmal ein bisschen bequemer als in einem Café. Wieviel möchte ich dann aber für solche Bequemlichkeit ausgeben?
Ich will auch einsehen, dass ein Café wahrscheinlich ungern alle seine Plätze von Leuten wie mir belegt sehen möchte. Ich verzehre auf meinem Stuhl über einen Tag weniger als würden Gäste darauf im Stundentakt wechseln.
Aber genug der Kritik. Ich schalte mal in den Spekulations- und Fabuliermodus. Was fände ich denn nun attraktiv? Tisch, Stuhl, Strom, WLAN führe ich nicht auf. Die sind selbstverständlich. Damit kann ein Coworking Space gegenüber einem Café nicht punkten.
Stattdessen würde mich reizen...
  • Ein Ort, an dem ich für mein Geld den Tag über versorgt bin. Ich möchte mich auf meine Arbeit konzentrieren und nicht auf "Nahrungssuche". Das bietet ein Café nur begrenzt. Mir geht es um einen gesunden Mittagstisch mit etwas Auswahl, gesunde Snacks und ein paar "Grundgetränke": das sollte im Preis enthalten sein.
  • Ein Ort, an dem ich meinen Modus wechseln kann. Stillarbeit am Tisch, Überlegen am Whiteboard, Diskutieren in kleiner Runde etwas separat. Das sollte nach Verfügbarkeit bzw. timeboxed im Preis enthalten sein.
  • Ein Ort, an dem ich Mittel nutzen kann, die ich sonst nicht habe. Ein SMART Board steht für mich da ganz oben auf der Liste. Heute noch einen Konferenzraum ohne auszustatten, finde ich anachronistisch. Beamer und Flipchart sind zu wenig. Andere Mittel wären Zugänge zu kostenpflichtigen online Angeboten, beispielsweise IEEE oder ACM. Die könnten auf Pad-Computern eingerichtet sein, die man sich ausleihen kann (solange der Vorrat reicht). Oder warum nicht eine Lego Mindstorm Ecke? Oder Raspberry Pi? Oder eine AR Drone? Halt geeky stuff, den ich sonst nicht habe. Daran könnte ein Coworking Space auch weitere Angebote hängen, z.B. Workshops zur Einführung in die Programmierung von solchen Technologien oder Wettbewerbe. Halt Community Events, die gern etwas kosten dürfen. [1]
  • Ein Ort, der skaliert, wo ich jenseits des Vorgenannten auch mehr Raum bekommen kann. Dafür bezahle ich dann gern mehr.
Muss das alles stylish sein? Darauf legt Places Hamburg nämlich wert. (Allerdings fühle ich mich hier eher wie im Einrichtungshaus. Die Nüchternheit ist mir ein bisschen zu modern, glaube ich. Das private Cinema im Keller jedoch... mit gemütlichen Sesseln... das finde ich cool.)
Nein, speziellen Style brauche ich nicht. Auf meinem Platz muss ich es einen Tag gut aushalten können ohne Rückenschmerzen. Das reicht. Biergartenbänke wäre da wohl zuwenig. Ansonsten jedoch kann es einfach, funktional sein, wenn das die Kosten überschaubar hält.
So, wie es aussieht, gibt es einen derartigen Coworking Space in Hamburg derzeit wohl nicht. Die Verpflegung muss extra bezahlt werden oder ist minimal. Der Moduswechsel ist nur begrenzt möglich ohne Aufpreis. Und besondere Technologie sehe ich weit und breit nicht.
In Summe sind Coworking Spaces für mich also noch nichts. Sie sind mir für ihr - sorry to say - hausbackenes Angebot zu teuer im Vergleich zu meinem Home Office oder einem Café. Nach dieser Spekulationsrunde weiß ich jedoch, warum ich mich bisher dafür nicht erwärmen konnte.
Wie sich ein Coworking Space nach meinem Geschmack finanzieren ließe, weiß ich grad auch nicht aus dem Stand. Muss ich aber auch nicht ;-) Ich wünsche mir einfach nur mal etwas. Jedenfalls wäre ich bereit, dafür einen monatlichen Grundbetrag auszugeben, z.B. 10-20 EUR. Und dann pro (halbem) Tag noch etwas dazu, z.B. 15-20 EUR - wenn ich dafür versorgt bin. Das ließe sich ja auch mit meinem heimischen Budget für Frühstück/Mittag oder so verrechnen.
Hm... vielleicht sollte ich jetzt mal auf die Suche gehen, ob es noch andere gibt, die sich Ähnliches wünschen. Dann machen wir den Geek Space Hamburg auf :-)

Fußnoten

[1] Einige dieser Mittel mögen speziell interessant für Softwareentwickler sein. Aber warum auch nicht. Wenn die Flash Designer oder Grafik Designer andere wollen, dann nur zu. Vielleicht bilden sich dann Coworking Spaces für Branchen statt ganz allgemein für Freiberufler.

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