Spekulationsobjekt Wasser

Erstellt am 31. März 2012 von Tkonicz

“Neues Deutschland”, 31.03.2012
Die zunehmende Knappheit des kostbaren Guts und die Privatisierungen locken Anleger

Derzeit boomen Finanzmarktprodukte, die von der sich zuspitzenden Wasserkrise profitieren wollen.
Das Lebensgut Wasser wird vielerorts immer knapper. Prognosen der Welthungerhilfe zufolge wird bereits im Jahr 2025 mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung unter eklatantem Wassermangel leiden. Die kapitalistischen Marktmechanismen reagieren auf diese dramatische Entwicklung, die das Heer der Menschen ohne adäquaten Trinkwasserzugang von derzeit 800 Millionen auf rund drei Milliarden erhöhen würde, auf ihre Weise: Wasser wird zu einem Spekulationsobjekt, dem sich inzwischen Dutzende von Fonds, Zertifikaten, Baskets und sonstige Finanzmarktprodukte widmen.
In einem Interview mit »ARD-Börse« empörte sich der Fondsmanager Peter Portner darüber, dass in weiten Teilen der Welt Wasser immer noch als ein »gottgegebenes Naturrecht« angesehen werde. Dem sei aber nicht so, betonte Portner, der einen der ältesten Wasserfonds bei der Schweizer Bank Pictet leitet: »Wasser ist eine Dienstleistung, die bezahlt werden muss.« Selbstverständlich legte Portner Anlegern nahe, kräftig in Fonds zu investieren, in denen Aktien von 40 bis 60 Wasserkonzernen zusammengefasst würden.

Über satte Gewinne mit dem Lebenselixier berichtete kürzlich auch »Welt Online«. Wassermangel sei »der Megatrend an der Börse«. So hätte etwa das Zertifikat auf den »Raiffeisen Wasser Basket« binnen der vergangenen drei Jahre eine Performance von 120 Prozent erzielt. Der »World Water Index« der Großbank Société Générale, der den Aktienkursverlauf von 20 Unternehmen aus den Bereichen Wasserversorgung, -infrastruktur und -reinigung wiedergibt, sei in dem Zeitraum immerhin um 80 Prozent gestiegen.

Die Finanzmarktspekulation mit Wasser bildet ein relativ neues Phänomen, das erst im Gefolge der Klima- und Ressourcendebatte an Popularität gewann. Bei einer Strategiekonferenz Mitte 2008 erklärten etwa Analysten der Investmentbank Goldman Sachs die Ware Wasser zum »Öl des 21. Jahrhunderts«, das cleveren Investoren enorme Profitmöglichkeiten eröffne. Die Leidtragenden dieses Investitionsbooms sind die Ärmsten der Armen in den Schwellen- und Entwicklungsländen.

Wichtige Voraussetzung für die Spekulationen ist die Privatisierungswelle seit den 1990er Jahren. Diese führte meist zu einem drakonischen Preisanstieg, einer Verschlechterung der Wasserqualität und einer Zerrüttung der betreffenden Infrastruktur. In Bolivien brachen nach der Privatisierung der Wasserversorgung in der Region Cochabamba heftige Unruhen aus, die letztendlich zu einer Rücknahme der Privatisierungsverträge führten. Die Armenviertel Manilas werden hingegen von Choleraausbrüchen heimgesucht, da der private Wasserversorger die Infrastruktur aus Kostengründen verfallen lässt. Über eine ähnlich miserable Wasserqualität klagen auch die Einwohner Jakartas, wo Verunreinigungen mit Schwermetallen im maroden Trinkwassernetz, das sich im Besitz des französischen Konzerns Suez und der RWE-Tochter Thames Water befindet, festgestellt wurden. Insbesondere Thames Water ist berüchtigt für die Vernachlässigung von notwendigen Investitionen in die erworbenen Wasserleitungen. In Londons maroden Wasserleitungen versickert rund ein Drittel des Trinkwassers ungenutzt.